Drei Brüder. Jörg H. Trauboth

Drei Brüder - Jörg H. Trauboth


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nicht einschlafen. Wie ist der Name deiner Frau?«, fragt George.

      Buddys Augen öffnen sich langsam. Zum ersten Mal.

      »… Linda … girlfriend …«

      »Wo wohnt Linda, Buddy?«

      »… New Jersey …«

      George leuchtet über sein Gesicht. Buddy ist weiß, stöhnt und atmet schwer.

      »… sag‘ ihr, dass ich sie liebe …«, flüstert er.

      »Das wirst du ihr in Bagram gefälligst selber sagen, Buddy, hörst du! Was hältst du davon, Buddy? Buddy, sprich!«

      Buddy schaut George aus leeren Augen an. Seine Lippen formen etwas. George legt das Ohr an seinen Mund.

      »Les … is Les okay?«

      George winkt den Backseater Les heran.

      »Halt ihn wach, Les, mach‘ ihm Mut!«

      Der dicke Les beugt sich über seinen Piloten.

      »Buddy, alter Junge, nicht aufgeben, Linda braucht dich. Ich brauche dich in unserer fucking F-15. Du willst mich doch wohl in dieser alten Krähe nicht im Stich lassen? Wie willst du deinen Hamburger in Bagram, Buddy? Was hältst du von einem Texas-Burger mit Käse, Paprika, schönen Beilagen aus Mexico, mit Senf oder lieber mit Thomy Ketchup?«

      Buddy hat die Augen wieder etwas geöffnet und reagiert mit einem leisen Lächeln. Schließlich hat Les, mit dem er hier seit sechs Monaten fliegt, gerade sein eigenes Lieblingsgericht beschrieben.

      Dann fallen seine Augen wieder zu.

      Thomas und Marc nicken sich zu. Zustand kritisch. Buddy muss in den nächsten dreißig Minuten an einen Tropf, sonst war’s das.

      Tims grüne Gläser wandern über den Horizont von rechts nach links, links nach rechts.

      »Wir liegen hier nicht gut, gar nicht gut …«

      »Wir können nicht verlegen«, flüstert Marc, »die Charlie Force erwartet uns hier an diesen Koordinaten«, während er selbst die Gegend absucht, die in der Infrarotrestlichtverstärkung wirkt, wie die hässliche Landschaft eines anderen Sterns. Marc interessiert nicht das normale Grün. Er sucht das gleißende Grün, das Weiße von Kleidungsstücken und das Schwarze im Nachtsichtgerät. Menschen.

      »Oh Mann, wir liegen hier überhaupt nicht gut, gar nicht gut, wie auf dem Präsentierteller«, wiederholt Tim.

      Marc zuckt zusammen.

      »Taliban in zehn Uhr!«

      Im Fernglas wachsen die Umrisse mehrerer Männer heran. Fünf, sechs? Sie scheinen zu suchen, kommen langsam näher. Durch die diffuse Morgendämmerung erste Stimmen.

      »Charlie Force – Tangos in area«, gibt George leise an die anfliegende Force durch.

      »Roger – Five minutes to go – bleibt wo ihr seid!«

      Die Echo Force liegt so flach am Boden wie möglich, nur wenig geschützt von kleinen Felsbrocken. Thomas zieht Buddy runter, der stöhnt laut. Jeden Augenblick kann es losgehen. Die Amerikaner mit individuell gestalteten Schnellfeuergewehren aus der geheimen Waffenkammer der Seals, die Deutschen mit G 36KA2. Feindkontakt ist tausendmal geübt. Und doch rast das Blut durch die Adern, der Puls geht hoch, das Adrenalin rauscht.

      George sieht einen Afghanen den Arm hochreißen. Ein Zeichen? Jetzt lautes Rufen. Weitere Afghanen!

      George überlegt kurz, wann der richtige Zeitpunkt ist.

      »Feuer nur auf mein Kommando!«

      Er mag den Kampf auf lange Entfernungen nicht. Die Männer auch nicht, nicken ihrem Leader zu.

      »Zwei Tangos in drei, hinter dem Felsen, dreißig Meter«, gibt Seal Two durch.

      »Okay, habe ich.«

      »Vier Tangos in zehn …«, kommt von Seal Three.

      Auf einmal kracht das Geschoss einer Panzerfaust ein, heftig und brutal. Sie verfehlt das Echo Team nur um wenige Meter.

      George checkt die Lage. Das war knapp. Verdammt knapp! Im nächsten Moment springen die Taliban aus ihren Deckungen heraus und stürmen heran.

      »Feuer frei!«

      Gezielt nehmen sich die Elitesoldaten jeden Einzelnen vor. Treffer, Patsch!

      Dunkle schwarze Flecken zwanzig Meter vor Marc im Nachtsichtglas.

      Blut. Blut wird schwarz.

      Zielen, patsch!

      Tango drei Uhr! Absprache mit Handzeichen und Kopfbewegung.

      Präzisionsschüsse.

      Nur kurze Salven. Die Hülsen rasseln wie ein Rinnsal nach rechts raus.

      Ziele von vorn, von der Seite, stehend, gebückt, im Sprung. Wie im Trainingsraum. Aber hier mit kurzen Schreien.

      Das Team arbeitet präzise wie ein Uhrwerk.

      Die Distanz zu den Angreifern wird kürzer. Es sind zu viele, viel zu viele …

      »Gentlemen, sie wollen, dass wir uns leerschießen«, gibt Marc durch. Doch einen Marc wird man nicht leerschießen. Er zählt mit Tim und Thomas in Calw, am Heimatstandort der Spezialkräfte, zu den besten Scharfschützen. Und er vermeidet es, die Patronen aus dem Stangenmagazin im Dauerfeuer zu vergeuden. Selbst, wenn sie mit dreißig Mann auf ihn zustürmen. Danach wäre sein G 36 heiß und damit ungenau. Marc mag keine Ungenauigkeiten.

      Einer der Taliban kniet seitlich an einem Felsen. Er sucht sein Ziel. Marc sieht durch den Nachtsichtaufsatz 80 nur den Sprengkopf der Panzerfaust. Eine hässliche, spitze, grüne Röhre. Entfernung hundert Meter.

      Kurzer Feuerstoß aus dem Stangenmagazin. Direkt in den Kopf. Der Afghane wirbelt durch die Luft. Im grünen Glas schwarze Flecken. Kein Kopf mehr.

      George nickt rüber. Er weiß, Menschen zu töten ist für die Germans ein verdammtes Rechtsproblem. Verdächtige totschießen gibt’s bei denen nicht. Das hier ist aber Kampf ums Überleben! Rules of Engagement, die genehmigten Einsatzregeln, erfüllt … und man ist unter sich …

      Buddy stöhnt, versucht sich aufzurichten. Thomas drückt ihn runter.

      »Er braucht dringend eine Infusion, sonst war’s das, George!«

      »Sag ihm, in fünf Minuten ist er auf dem Weg nach Hause, zu Linda.«

      Über ihnen pfeifen die Geschosse vorbei.

      »Hast du gehört Buddy, wir sind gleich unterwegs, halte durch. Linda wartet auf dich.«

      George und seine beiden Seals feuern nach vorn, die Deutschen nach hinten den Hügel hinauf.

      Sie sind eingekreist. Jetzt wird es verdammt eng!

      George spürt, wie erste Angst in ihm hochkriecht, dass sein Trupp es auf diesem verdammten Präsentierteller hier nicht schafft. Er hat keine Lösung. Die Hilfe muss sofort kommen.

      »Charlie Force – Echo Team unter schwerem Beschuss!

      »Roger Echo Team – wir sind …«

      Der Spruch geht im Krach unter. Hubschrauberlärm! Der schönste Lärm, den Elitesoldaten sich in aussichtsloser Lage wünschen. Wie von Geisterhand stehen plötzlich zwei aus dem Tal kommende AH-64 Apache-Kampfhubschrauber vor ihnen in der Luft. Man hört sie mehr, als dass man sie sieht. Aus den Raketenbehältern rechts und links zischen Luft-Bodenraketen in die kleinen Gruppen der Taliban, gefolgt von Garben aus der dreißig Millimeter Bordkanone. George‘s aufgekommene Angst ist verflogen. Seine Feuer speienden Drachen sind da!

      Spezialnachtvisier, Zielzuweisung, nicht hinschauen, sonst wirst du blind!

      Neuer, tosender Lärm.

      Die lange Silhouette eines Monsters taucht auf, kommt näher. Der Chinook-Transporthubschrauber hängt schwerfällig wenige Meter über


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