Zusammenarbeit im Betrieb. Klaus Boese
A Grundlagen der Zusam-menarbeit im Betrieb
Einführung
Die „Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Meis-ter für Bäderbetriebe/Geprüfte Meisterin für Bäderbetriebe“ vom 7.Juli 1998 (im folgenden einfach Prüfungsverordnung genannt, veröffentlicht im Bundesge-setzblatt, nachzulesen z.B. unter www.gesetze-im-internet.de oder www.bds-ev.de) gibt für die Meisterprüfung vor, dass der Prüfling
• über soziologische Grundkenntnis-se verfügen und
• soziologische Zusammenhänge im Betrieb erkennen und beurteilen kön-nen soll.
Damit ist zum einen der Rahmen des Fa-ches abgesteckt, zum anderen gibt es auch Hinweise über die Art der zu vermit-telnden Kenntnisse und Fertigkeiten. Be-trachten wir zuerst die hervorgehobenen Begriffe. Erst mal steckt das Wort „Sozio-logie“ drin. Die Soziologie ist die Lehre vom Miteinander von Gesellschaftsmit-gliedern. Es soll hier natürlich kein Sozio-logiestudium vermittelt werden, sondern es geht um Grundkenntnisse, über die der angehende Meister für Bäderbetriebe
verfügen soll. Verfügen bedeutet soviel wie besitzen, haben. Im Gegensatz dazu soll er/sie soziologische Zusammenhän-ge erkennen und beurteilen können. Die Worte „erkennen“ und „beurteilen“ be-deuten etwas ganz anderes als das Wort „verfügen“. Sie bedeuten, dass man das Wissen, über das man verfügt, anwen-den muss, dass man damit eine gewisse Handlungskompetenz aufweisen kann. Das hat einen ganz andere Qualität als nur „besitzen“ oder „verfügen“. Den Un-terschied kann man sich etwa so verdeut-lichen: Überall kann man lesen, dass Be-wegung gesund ist. Also kaufen wir uns ein Fahrrad, wir können über es verfügen. Der Besitz allein macht noch lange nicht gesund. Wir müssen mit dem Rad fahren, und zwar nicht zu knapp und regelmäßig. Genauso ist es mit dem Wissen. Wissen allein ist sinnlos, wenn man es nicht an-wenden kann. Allerdings ist ein bestimm-tes Grundwissen notwendige Vorausset-zung dafür, dass man dieses anwenden kann, das ist genau wie mit dem Fahrrad.
Grundlagen der Zusammenarbeit im Betrieb
6
Das soziologische Denken
Nun zu den Inhalten der Soziologie. So-ziologisches Denken unterscheidet sich vom herkömmlichen Denken dadurch, dass der Mensch nicht als isoliertes Ein-zelwesen betrachtet wird. Es wird ver-sucht, den Menschen im Zusammenhang mit dem Umfeld, mit der Gemeinschaft, in der lebt, zu sehen. Das Umfeld, das sind andere Menschen, Gruppen, Organisatio-nen, Betriebe, Gesellschaften, letztlich die Welt, in der wir leben.
Ein Beispiel: Michaela (16), eine Auszubil-dende im ersten Lehrjahr. Was bestimmt ihr Verhalten, ihr Handeln, ihre Einstellun-gen und Sichtweisen?
Herkömmlicher Weise neigt man dazu, das Verhalten der Einzelperson als Ei-genschaft zuzuordnen. Z.B. Michaela ist nett und freundlich, sie ist hilfsbereit und höflich, oder sie ist oft schlecht gelaunt, aufbrausend und zickig. Michaela denkt vielleicht genauso: „Wenn ich schlecht drauf bin, werd’ ich schnell pampig!“ oder „Ich bin nun mal cholerisch, das hab’ ich vom Vater geerbt.“
Bei dem Vorstellungsgespräch, das Mi-chaela vor einem Jahr hatte, hat sie versucht, sich von ihrer „guten Seite“ zu zeigen, war pünktlich und höflich. Die Ausbilder, die das Gespräch führten, ha-
ben ihrerseits versucht Michaelas Eigen-schaften auszuloten und zu schauen, ob sie ins Anforderungsprofil passt. Es wäre aber falsch, jetzt ein endgültiges Urteil zu fällen. Jeder, der etwas mit Ausbildung oder Auszubildenden zu tun hat, weiß, dass sich ein junger Mensch in drei Jah-ren sehr stark ändern kann, auch wenn vielleicht einige Wesensmerkmale erhal-ten bleiben.
Der soziologische Ansatz versucht nun, das Bild von Michaela um noch weitere Ebenen zu erweitern. Wenn wir Michaela und ihr Verhalten verstehen wollen, müs-sen wir auch die (Klein-) Gruppen, in de-nen sie sich bewegt, betrachten.
Als erstes wäre hier die Familie zu nen-nen. Dass die Familie einen Menschen prägt, ist völlig klar und muss eigentlich nicht mehr erwähnt werden. Allein schon die Konstellation der Familie wirkt sich auf deren Mitglieder aus. Vielleicht hat Micha-ela noch eine kleine Schwester. Sie war immer die Ältere, musste frühzeitig „ver-nünftig“ sein und musste manchmal auf die Kleine aufpassen, daher ist das Über-nehmen von Verantwortung für sie nichts Neues. Oder Michaela war Nachkömm-ling, hat zwei ältere Brüder, die schon aus dem Haus sind und eigene Familien haben. Michaela war das „Nesthäkchen“ und wurde von ihren Eltern verwöhnt
Bädermanagement - Grundlagen der Zusammenarbeit im Betrieb
7
und ihr wurde jedes Steinchen aus dem Weg geräumt. Sie ist deshalb nur wenig selbstständig bei der Arbeit. Kinder mit Geschwistern haben andere soziale Kom-petenzen als Einzelkinder. Auch die Atmo-sphäre in der Familie prägt den Menschen. Wie werden Konflikte ausgetragen? Wer-den sie totgeschwiegen oder wird in sach-licher Umgebung darüber geredet, wel-che Lösungen werden gefunden, setzen sich die Eltern immer autoritär durch oder werden Kompromisse angestrebt? Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Alles das beeinflusst Michaelas Handeln und Denken. Unter Beeinflussung darf man übrigens keine einfache Ursache-Wirkungs-Beziehung verstehen. Manche Jugendliche rauchen, weil die Eltern rau-chen, andere rauchen eben nicht, gerade weil die Eltern rauchen.
Neben der Familie spielen vielleicht noch andere Gruppen in Michaelas Leben eine Rolle und prägen sie und ihr Verhalten. Vielleicht trifft sich Michaela oft mit ei-ner Freundesclique. Sie verbringen ihre Freizeit zusamen, gehen in die Disco, ins Kino oder zum Minigolf. Sie tauschen sich über Jungs aus, jammern über ihre Eltern und lästern über Ausbilder oder Lehrer. Michaela übernimmt automatisch einige Denkweisen dieser Gruppe. Sie fin-det cool, was Andere cool finden, sie teilt modische Vorlieben, und anderes mehr.
Michaela befindet sich mit der Gruppe in einem wechselseitigen Prozess. Sie wird durch die Gruppe in ihren Anschauungen und in ihrem Auftreten und Verhalten ge-prägt. Gleichzeitig prägt sie aber auch die Gruppe. Das gilt natürlich nicht nur für die Clique, sondern für alle kleinen und gro-ßen Gruppen, in denen sie ist. Schließlich hat Michaela aber auch einen gewissen Spielraum. Sie muss nicht alle Denkwei-sen der Gruppe 1:1 übernehmen. Im Gro-ßen und Ganzen wird aber ein Konsens über wesentliche Dinge bestehen, sonst würde sich Michaela nicht wohl fühlen. Über kurz oder lang müsste sie sich an-passen oder die Gruppe verlassen.
Möglicher Weise ist Michaela Spielerin ei-ner Hockeymannschaft. Auch hier gelten die gleichen Prinzipien. Sie wird von der Gruppe geprägt und sie prägt die Grup-pe. Allerdings ist das Ziel dieser Gruppe – vorausgesetzt sie nimmt an Wettkämp-fen teil - eher leistungsorientiert. Michaela wird also auf Dauer, wenn sie in der Grup-pe verbleiben will, sich angewöhnen müs-sen, pünktlich zum Training zu erschei-nen, regelmäßig zu trainieren und nicht nur nach dem Lustprinzip zu handeln.
Wie wir wissen ist Michaela Auszubilden-de im ersten Lehrjahr. Das bedeutet, dass sie einer weiteren Gruppe angehört. Sie ist Betriebsangehörige. Je nach Betriebs-
Grundlagen der Zusammenarbeit im Betrieb
8
größe kann diese Gruppe klein, aber auch sehr groß sein. So groß, dass sich gar nicht alle Kolleginnen und Kollegen ken-nen (z.B. Großkonzerne wie VW, Daimler oder BASF). Eine derartige Organisation unterscheidet sich von den Gruppen, de-nen wir bisher begegnet sind, nicht nur durch ihre Größe, sondern sie hat auf-grund dieser Größe und der Ausrichtung auf ein bestimmtes Betriebsziel auch ei-nen ganz anderen Organisationsgrad. Die Regeln, die in dieser Organisation einge-halten werden müssen, sind nicht freiwillig oder zufällig, sondern sie sind vertraglich bzw. gesetzlich (arbeitsrechtlich) festge-legt. Selbstverständlich werden Micha-elas Verhalten und ihre Anschauungen auch hier wieder geprägt und sie selbst prägt die Organisation ein Stück mit. Ob sie Schicht arbeitet, ob sie bei Problemen allein gelassen