Elbkiller: 7 Hamburg Krimis. Alfred Bekker
Sessel saß Kurt Berghoff, der eine Zeitung sinken ließ und den Besuchern neugierig entgegensah.
„Guten Abend“, sagte Brock. „Wir möchten uns für die Störung entschuldigen und Ihnen unser Beileid ausdrücken. Es lässt sich leider nicht umgehen, dass wir in einem solchen Fall mit allen Betroffenen reden müssen.“
Berghoff erhob sich und legte die Zeitung beiseite. „Ich bin Anwalt. Dafür habe ich natürlich Verständnis. Wir werden Ihnen gern alle Fragen beantworten.“
Er machte eine einladende Handbewegung. „Bitte nehmen Sie Platz.“
Die Kriminalbeamten ließen sich nebeneinander auf einer weich gepolsterten Couch nieder. „Wie geht es Erik, Ihrem Sohn?“
„Er sieht sich einen Zeichentrickfilm an“, erklärte Maria Berghoff, die an der Tür stehen geblieben war. „Davon kann ihn niemand abbringen.“
„Was wollen Sie wissen?“, fragte der Anwalt.
„Wann haben Sie Ihren Schwager zuletzt gesehen?“
Berghoff überlegte kurz. „Das war am Freitagabend. Wir hatten uns auf einen Drink in unserer Stammkneipe verabredet. Das ist die Elbklause bei Teufelsbrück.“
„Die Elbklause, sagen Sie?“ Spenglers Stimme klang etwas aufgeregter als sonst, und Brock sah ihn erstaunt an.
Berghoff nickt. „Ja. Da treffen wir uns gelegentlich. Das Lokal ist gemütlich und für uns beide gut erreichbar.“
Spengler zog sein Notizbuch aus der Tasche und blätterte rasch darin. Bei einer Seite hielt er an und zeigte sie seinem Vorgesetzten.
„Passat, vermutliches Fahrzeug für Leichentransport, geparkt in der Elbphilharmonie, angeblich gestohlen. Besitzer Dieter Schmitz, ihm gehört das Lokal Elbklause“, las Brock mit wachsendem Interesse.
„Sind Sie häufiger in diesem Lokal?“, erkundigte sich Brock.
„Ja, das ist schon lange unsere Stammkneipe. Das hat sich irgendwie ergeben. Wissen Sie, Markus und ich kennen uns schon lange.“
Ein Anblick von Trauer glitt über sein Gesicht, ehe er fortfuhr. „Durch ihn habe ich seine Schwester kennengelernt, die heute meine Frau ist. Wir haben versucht, uns wenigstens einmal pro Woche auf einen Drink zu treffen.“
„Sie haben sich doch auch bei dem Sonntagsessen Ihres Schwiegervaters gesehen“, wandte Brock ein.
„Das ist schon richtig. Aber bei dem alten Herrn musste man genau aufpassen, was man sagte. Er hat ein Gedächtnis wie ein Elefant und hat alles, was er aufschnappte, irgendwann gegen den Betreffenden verwendet. Markus ließ es sich nicht anmerken, doch er mochte seinen Vater nicht besonders. Natürlich wollte er das Geschäft übernehmen und schluckte deshalb vieles hinunter. Wenn wir uns trafen, hat er sich alles von der Seele geredet. Er wusste, dass ich nichts davon weitererzählen würde.“
Berghoff lachte kurz auf. „Als Anwalt bin ich es gewohnt, alles was mir gesagt wird, vertraulich zu behandeln.“
„Arbeiten Sie auch als Anwalt für die Reederei?“, fragte Spengler.
„Ich habe einige juristische Probleme für Anton Holler gelöst. Doch er ist kein einfacher Klient und hat seine eigenen Vorstellungen davon, was ein Anwalt zu tun hat. Vor ein, zwei Jahren ist die juristische Beratung der Reederei eingeschlafen.“
Brock registrierte, dass Maria Berghoff sich Tränen aus dem Gesicht wischte, ehe sie mit zusammengebissenen Zähnen wortlos den Raum verließ. Offensichtlich teilte sie die Ansichten ihres Mannes in diesem Fall nicht unbedingt.
„Erzählen Sie uns von dem Freitagabend“, forderte Brock den Anwalt auf.
„Markus kam ein paar Minuten zu spät zu unserer Verabredung. Ich hatte schon meinen ersten Drink bestellt und saß auf einem Barhocker am Ende des Tresens. Er schien gut gelaunt und lachte fröhlich, als er mich sah.“
„Wann war das genau?“, unterbrach Spengler.
„Ich denke, so gegen neunzehn Uhr. Er hat sich neben mich gesetzt und ebenfalls einen Drink bestellt. Meistens gönnte er sich einen guten Single Malt Scotch.“
„Ist Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches an ihm aufgefallen? War er anders als sonst? Hat er etwas erzählt, das Ihnen merkwürdig vorkam?“
Berghoff schüttelte den Kopf. „Ich hatte nur den Eindruck, dass er über irgendeinen Erfolg glücklich war. Das einzig Merkwürdige bei dem Treffen war das Verhalten von Dieter.“
„Dieter? Welcher Dieter?“, fragte Brock sofort.
„Dieter Schmitz. Der Inhaber der Elbklause. Wir kennen uns schon lange. Freunde sind wir zwar nicht, doch wir reden oft miteinander.“
„Das war diesmal anders?“
„Ja. Dieter war ziemlich schweigsam. Er erzählt sonst oft, was in der Kneipe passiert ist … wer da war … manchmal reden wir auch über Politik oder über die wirtschaftliche Lage. Doch am Freitag hat er kaum gesprochen, hat unsere Bestellungen gebracht und sich dann wieder um andere Gäste gekümmert. Das ist sonst nicht seine Art.“
„Wie ging es an dem Abend weiter?“
„Ich habe mich etwa nach einer Stunde verabschiedet. Ich wollte die Familie nicht zu lange allein lassen. Markus wollte noch bleiben und bestellte sich einen weiteren Whisky, als ich ging.“
„Können Sie sich einen Grund für das Verhalten des Gastwirts vorstellen?“, warf Spengler ein.
„Keine Ahnung. Ich dachte, dass er irgendein Problem hat, das er nicht mit uns teilen wollte. Man fragt ja nicht gleich danach und wartet, bis der andere von selbst damit anfängt.“
„Haben Sie außerdem eine ungewöhnliche Beobachtung gemacht?“, wollte Brock wissen.
„Na, ja. Wenn Sie so fragen. Da waren zwei Typen an einem Tisch in der Ecke, die ich dort noch nie gesehen habe.“
„Wie alt?“
„So zwischen dreißig und vierzig, würde ich sagen. Ich weiß noch, dass mir ihre tätowierten Arme aufgefallen sind, und bei beiden waren auch am Hals Tattoos zu sehen. Sie waren ziemlich kräftig und muskulös und trugen ganz kurze Haare.“
„Das war alles?“
„Sie haben häufig zu uns herübergesehen, und ihre Blicke schienen mir nicht sehr freundlich.“
„Hatten Sie den Eindruck, dass Markus die beiden Männer kannte?“
Berghoff schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Er hat sie wohl kaum wahrgenommen, da er mit dem Rücken zu ihnen saß.“
Brock gab Spengler ein Zeichen, und sie erhoben sich.
„Eine Sache wäre da noch“, sagte Spengler. „Es betrifft Ihr Boot.“
„Mein Boot? Was ist damit?“
„Es wurde am Sonntagmorgen auf der Elbe beobachtet. Wissen Sie etwas darüber?“
Berghoff sah ihn erstaunt an. „Ich war es nicht, wenn es das ist, was Sie vermuten.“
„Wer könnte das Boot denn außer Ihnen benutzt haben?“
„Es liegt meistens an seinem Liegeplatz. Die Schlüssel befinden sich dort im Büro. Jeder könnte sie nehmen. Das ist nicht allzu schwierig. Es gibt keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen.“
Spengler blickte resigniert zu seinem Chef und zuckte bedauernd mit den Schultern.
„Sie haben uns sehr geholfen“, sagte Brock. „Grüßen Sie Ihre Frau und den kleinen Erik.“
In diesem Augenblick tauchte der Dreikäsehoch mit freudig glänzenden Augen auch schon auf.
„Hallo, Erik!“, sagte Brock.
Der