Elbkiller: 7 Hamburg Krimis. Alfred Bekker
von einem Haken und kam hinter seinem Tresen hervor. „Folgen Sie mir.“
Sie überquerten den Parkplatz, der nur von einer einzigen Bogenlampe erhellt wurde. Ein Durchgang durch eine hohe Hecke führte auf einen weiteren Hof, an dessen gegenüberliegender Seite sich der sogenannte Schuppen befand. Brock hatte sich eine halb verfallene baufällige Scheune vorgestellt, doch es handelte sich um ein typisches norddeutsches Gebäude mit einem Reetdach, das sich in einem recht guten Zustand befand.
Schmitz schloss auf, und sie betraten einen großen Raum, der sich über die gesamte Breite und Länge des Hauses erstreckte. Das Dach wurde von einer wuchtigen Holzkonstruktion getragen, Fenster gab es nur an der Vorderseite. Der Boden bestand aus sorgfältig verlegten Steinplatten.
An der Rückseite stapelten sich Gartenmöbel: Stühle, Tische und Sonnenschirme. Brock entdeckte außerdem einen großen fahrbaren Grill. An der rechten Längsseite waren Getränkekisten übereinander getürmt. Dahinter stand ein Regal mit Kartons voller Ersatzgläser.
Die Dinge im Regal auf der linken Seite gehörten allerdings nicht unbedingt zur Ausstattung einer Gastwirtschaft. Dort standen zahlreiche original verpackte Laptops, Tablets, Smartphones und andere Geräte. Weiter hinten sah Brock hochkant stehende Gemälde, Silbergeschirr und andere Antiquitäten.
„Ich kann das erklären“, versicherte Schmitz.
„Das brauchen Sie nicht“, erwiderte Brock. „Offensichtlich sind Sie nebenbei als Hehler tätig. Doch wir sind daran nicht interessiert, da wir einen Mord aufzuklären haben. Unsere Kollegen vom Einbruch werden sich gern um das ganze Zeug kümmern. Sie werden Ihnen morgen einen Besuch abstatten.“
Er trat weiter in die Mitte des Raumes. Dort stand eine Art Werkbank aus einer massiven Holzplatte. Sie war zu zwei Dritteln leergefegt. Was immer sonst auf der Platte gestanden hatte, war zu einem undefinierbaren Haufen zusammengeschoben worden.
Schmitz war an der Tür stehen geblieben, während die beiden Beamten die Werkbank aufmerksam musterten.
Brock deutete auf einen Fleck. „Das sieht sehr nach eingetrocknetem Blut aus.“
Spengler hob den Kopf. „Der Tatort?“
Brock nickte. „Darauf würde ich ein Monatsgehalt wetten.“
Er bückte sich und hob einen Strick auf. „Das ist ein Stück Bergsteigerseil“, stellte er nach kurzer Prüfung fest. „Unter dem Tisch liegen noch weitere Teile.“
Er hielt ein ausgefranstes Ende hoch. „Mit einem Messer abgeschnitten. Damit haben sie unser Opfer an der Werkbank festgebunden und gefoltert. Zum Schluss wurde er hier umgebracht.“
„Ich frage mich nur, was sie von ihm wissen wollten“, überlegte Spengler. „Was haben Russen mit dem Juniorchef einer Reederei zu tun?“
„Ich könnte mir einiges vorstellen“, meinte Brock geheimnisvoll. Spengler wartete gespannt, doch es kam keine nähere Erläuterung.
Der Hauptkommissar wandte sich an Schmitz. „Wir werden jetzt nichts weiter anfassen. Gleich morgen früh wird die Spurensicherung hier sein und den Raum gründlich untersuchen. Niemand darf den Raum bis dahin betreten.“
Er drehte den Kopf zu seinem Assistenten. „Spengler, Sie haben doch bestimmt die notwendigen Siegel dabei.“
Der Kommissaranwärter nickte. „Selbstverständlich.“
Brock wandte sich zum Gehen, als ihm noch etwas einfiel. „Die Mordwaffe!“
Schmitz wurde noch eine Schattierung blasser.
„Was wissen Sie darüber?“, fragte Brock. „Ein indischer Faustdolch. Schwer zu übersehen. Er muss sich hier befunden haben.“
Schmitz zögerte lange, ehe er sich entschloss, auch mit dieser Geschichte herauszurücken.
„In der letzten Woche, ich glaube, es war am Donnerstag, erschien Daniel im Lokal.“
„Daniel – der jüngste Sohn von Anton Holler?“, unterbrach Brock.
Schmitz nickte. „Ja. Er wusste, dass ich an Antiquitäten interessiert bin und fragte mich, ob ich diesen merkwürdigen indischen Dolch kaufen würde und was er dafür bekommen könnte. Ich sagte, dass ich die Waffe erst überprüfen müsste, um festzustellen, ob es ein antikes Original und keine Fälschung ist. Er wollte mir den Dolch bis Montag überlassen. Ich brachte ihn anschließend in den Schuppen und legte ihn auf das Regal dort drüben.“
„Und weiter?“, dränget Brock.
„Am Samstagmorgen habe ich mir den Schuppen angesehen. Es sah alles genauso aus wie jetzt. Nur der Dolch lag auf der Werkbank statt im Regal. Es klebte Blut daran. Ich habe ihn abgewaschen, Daniel angerufen und ihn gebeten, die Waffe sofort wieder abzuholen. Ich sei nicht interessiert.“
„Wann kam Daniel?“
„Noch am gleichen Tag. Ich hatte das Ding in eine Plastiktüte gesteckt, er nahm sie und ging wortlos. Seitdem habe ich ihn nicht gesehen oder gesprochen.“
„Ihnen ist doch klar, dass Sie ein wichtiges Beweisstück eines Mordes unterschlagen haben?“
Schmitz nickte betreten.
„Suchen Sie schon mal einen Käufer für das Lokal“, bemerkte Spengler giftig. „Ihre Lizenz werden Sie ganz bestimmt verlieren. Einen verdammt guten Anwalt sollten Sie ebenfalls engagieren.“
Brock hob die Hand. „Wir reden morgen weiter. Es ist ziemlich spät geworden.“
Sie verließen den Raum, und Spengler löste ein Siegel von einer Folie und klebte es sorgfältig über den kaum sichtbaren Spalt zwischen Tür und Rahmen.
„Wenn das Siegel beschädigt wird, hat das sehr unangenehme Konsequenzen“, warnte er.
Sie gingen zu ihren Fahrzeugen, während Dieter Schmitz mit gesenktem Kopf vor seinem Schuppen stand und auf den Boden starrte.
5. Kapitel
Hauptkommissar Cornelius Brock saß in Unterwäsche an seinem Küchentisch, klopfte vergnügt ein perfekt gekochtes Ei auf und trank dazu einen frisch gebrühten Kaffee.
Er hatte wunderbar geschlafen und nahm sich jetzt die Zeit für ein richtiges Frühstück.
Auf einem kleinen Fernseher auf der Anrichte lief eine Sendung des Regionalsenders. Er hörte nur mit halbem Ohr hin, doch plötzlich ließ ihn eine Meldung hochschrecken: Mord in der Elbphilharmonie!
Die Nachricht war nicht besonders lang und enthielt zum Glück auch keine wichtigen Einzelheiten.
Hat ziemlich lange gedauert, bis es durchgesickert ist, dachte er. Immerhin kennen sie den Namen des Opfers nicht, und sie wissen auch nicht, in welcher Position er gefunden wurde.
Wenn es nach ihm ginge, sollte das auch so bleiben. Er widmete sich wieder seinem Kaffee, der seine Lebensgeister geweckt hatte, als das Telefon klingelte.
„Brock“, meldete er sich mürrisch.
„Gut, dass ich Sie noch erreiche“, sprudelte eine Stimme, ein Kollege von der Spurensicherung.
„Sind Sie schon in der Elbklause?“, unterbrach Brock. „Der Schuppen ist vermutlich ein Tatort.“
„Vermutlich?“, kam es ungläubig durch die Leitung.
„Wir haben es letzte Nacht jedenfalls angenommen.“
„Und dann haben Sie ihn einfach hängen lassen?“
Brock zog die Augenbrauen zusammen. „Wovon sprechen Sie eigentlich?“
„Kommen Sie so schnell wie möglich her“, sagte der Kollege. „Sie sollten Ihren Tatort selber sehen.“
Er murmelte etwas, das verdächtig nach Idiot klang