Der Fragebogen. Elisabeth Steiner
Merkmale oder Eigenschaften strukturiert und definiert. Danach folgt die empirische Überprüfung einer Theorie, welche gegebenenfalls neu formuliert und wieder getestet werden muss (mehr dazu in Kapitel 3). Dazu ist es notwendig, die Theorie mit der Praxis zu verknüpfen und Messmodelle abzuleiten. Die Verknüpfung von Theorie und Praxis bezeichnen Steyer und Eid als „Überbrückungsproblem“ oder „Operationalisierung“ (Bühner, 2004, S. 69). Unter Operationalisierung wird also das Messbarmachen von Konstrukten (Begriffen) verstanden.
Aus den Naturwissenschaften kennen wir Messungen, die auf den ersten Blick als eindeutig und jederzeit wiederholbar erscheinen. Messungen etwa in der Psychologie sind für uns jedoch schwerer nachvollziehbar, da wir an ihrer Genauigkeit und Eindeutigkeit Zweifel hegen und vor allem die zu messenden Objekte andere Eigenschaften besitzen. Sie sind nicht wie in den Naturwissenschaften präzise mit Maßeinheiten und Messinstrumenten erfassbar. Dennoch werden in den Sozialwissenschaften ebenfalls Messmodelle abgeleitet und eingesetzt, mehr noch: Sie sind unverzichtbar.
Aus dieser Feststellung leitet sich eine wesentliche Frage ab, nämlich: Wie können empirische Größen, als Beispiel seien Intelligenz, Aggression, Stress, Ablehnung eines Themas, Zustimmung zu einem Thema etc. genannt, gemessen, also quantifiziert werden? Die Überführung dieser Konstrukte in Zahlen und messbare Größen erscheint auf den ersten Blick als nicht einfach und eindeutig. Die Ermittlung quantitativer Aussagen von physikalischen Größen erfolgt hingegen über festgelegte Maßeinheiten wie Kilogramm, Meter etc. Zur Quantifizierung empirischer (z. B. persönlicher) Merkmale gibt es keine Maßeinheiten. Deswegen muss mit einem Spezialfall der Messung gearbeitet werden – der Skalierung.
Grundsätzlich wird unter einer Skala ein Instrument zur Messung von (theoretischen) Konzepten, wie z. B. Intelligenz oder Einstellungen zu verschiedenen Themen (Arbeitsmotivation, Fremdenfeindlichkeit, Umweltbewusstsein ...), verstanden.
Ziel einer Skalenbildung ist die Zuordnung eines Skalenwerts zu einer Person hinsichtlich eines zu untersuchenden Konzepts oder Merkmals (z. B. Umweltbewusstsein, Geschlecht etc.). Solche Skalen werden innerhalb standardisierter Fragebogen auf unterschiedlichem Niveau vorgegeben.
Dieser Skalenmesswert soll zum Ausdruck bringen, wo sich die Personen mit ihren Einschätzungen auf den untersuchten Dimensionen befinden oder welcher Gruppe sie angehören. Diese Werte sind für die Berechnungen mithilfe von Statistikprogrammen wie SPSS unerlässlich.
Eine Messung ist nach Hatzinger (2009, S. 32) „die Zuordnung von Zahlen zu beobachtbaren Phänomenen. Die Beziehung zwischen beobachteten Phänomenen soll durch die Beziehungen zwischen den zugeordneten Zahlen widergespiegelt werden.“
Ein Beispiel soll dies veranschaulichen: Es bezieht sich auf den im Vorwort bereits erwähnten Übungsfragebogen „Fragebogen zur Studien- und Lebenssituation bei Studierenden der Ernährungswissenschaften im Jahr 2008“, den Sie im Anhang auf S. 188 finden können.
Dort findet man im Fragenkomplex C (zur Person) unter C1.1 die Frage (das Item):
Sie sind □ männlich □ weiblich?
Die befragten Personen müssen sich entsprechend ihrer Zugehörigkeit mit einem Kreuz einer der beiden Kategorien zuordnen. Um die Ergebnisse messbar zu machen, also Aussagen wie jene in Kapitel 1 (z. B. 70 Studierende sind männlich/57 Studierende sind weiblich) treffen zu können, müssen den Ausprägungen der Variablen „Geschlecht“ (männlich/weiblich) Zahlen zugeordnet werden, um danach eine Auszählung zu ermöglichen, dies nennt man auch Kodierung.
Nehmen wir an, dass es eine willkürliche Festlegung gibt, männlichen Personen die Zahl 1 zuzuordnen und weiblichen Personen die Zahl 2, also die Merkmalsausprägung „Mann“ mit 1 und „Frau“ mit 2 zu kodieren. Damit erfolgt eine Vergabe von Messwerten (1 oder 2) – sie könnten in diesem Fall übrigens auch umgekehrt vergeben werden, dazu im Folgenden Genaueres. Es ist somit eindeutig nachvollziehbar, welche Zahl welchem Geschlecht zugeordnet ist. Die empirische Größe „Geschlecht“ wurde durch diesen Vorgang messbar gemacht – eigentlich könnte man sehr vereinfacht ausdrücken, dass der Variablen ein Skalenniveau zugewiesen wurde.
Die hohe inhaltliche und praktische Relevanz dieses Vorgangs wird in Zusammenhang mit der Konstruktion eines Erhebungsinstruments (z. B. einer schriftlichen Befragung mittels standardisierten Fragebogens) deutlich, da zu diesem Zeitpunkt genau überlegt werden muss, welche Daten zur Interpretation der Testergebnisse benötigt werden, und im Vorfeld, welche Ausprägungen und somit Zahlen ihnen zugeordnet werden. Allgemeiner: Welche Ergebnisse möchte ich aus der Untersuchung beziehen? Kann ich sie mit meinen Vorgaben aus den gestellten Fragen filtern? (Siehe dazu Kapitel 4)
2.1 Skalenbzw. Messniveaus
Es lassen sich verschiedene Ebenen (Skalenniveaus) unterscheiden, auf denen gemessen werden kann. Es kommt je nach Skalenniveau zu einer unterschiedlich genauen Abbildung empirischer Sachverhalte. Jedes von ihnen hat bestimmte Eigenschaften und entscheidet über die möglichen mathematischen Operationen einer Variablen, die Transformationen ohne Informationsverlust und vor allem, welchen Informationsgehalt das entsprechende Merkmal liefert.
Die vier Skalenniveaus sind: Nominal-, Ordinal-, Intervall- und Verhältnisbzw. Absolutskala. Nominalbzw. ordinalskalierte Merkmale bezeichnet man als kategorial. Die Intervall-, Verhältnisbzw. Absolutskalen werden zur sogenannten Kardinalskala zusammengefasst. Merkmale auf diesen Skalen werden metrisch genannt.
Die Darstellung der Skalenarten erfolgt hierarchisch von der einfachsten, relativ ungenauen bis hin zur exaktesten Messstruktur, die vor allem im physikalisch-naturwissenschaftlichen Bereich Anwendung findet. In den Sozialwissenschaften ist sie eigentlich kaum anzutreffen.
Um zu den erforderlichen Definitionen einen Zugang zu finden, sollen vorweg zwei grundlegende Termini erörtert werden. Es handelt sich dabei um das empirische und numerische Relativ- oder Relationensystem. Bortz (2005, S. 16) verstehen unter einem empirischen Relativ „eine Menge von Objekten und eine oder mehrere Relationen, mit denen die Art der Beziehung der Objekte untereinander charakterisiert wird“. Besteht die Menge von Objekten aus empirischen Objekten, spricht man von einem empirischen Relativ (vgl. ebd.). Dies könnten z. B. Studierende einer Seminargruppe, KursteilnehmerInnen eines Kochkurses, SchülerInnen einer Klasse, aber auch verschiedenste vorhandene Augenfarben sein.
In der Folge wird die Zuordnung von Zahlen (Kodierung) zur Verarbeitung der Daten dargestellt. Es ist uns durchaus aus unserem Leben geläufig, Zahlenzuordnungen für Eigenschaften oder Ergebnisse zu treffen. Dies beginnt schon im Kindergarten mit der Zuordnung zu Gruppen und wird z. B. in der Schule mit den Schulstufen weitergeführt.
2.2 Nominalskala
„Eine Nominalskala ordnet den Objekten eines empirischen Relativs Zahlen zu, die so geartet sind, dass Objekte mit gleicher Merkmalsausprägung gleiche Zahlen und Objekte mit verschiedener Merkmalsausprägung verschiedene Zahlen erhalten“ (Bortz, 2005, S. 18).
Beispiele für Variablen und deren Zahlenzuordnungen (Kodierungen)
Geschlecht: | 1 = weiblich |
2 = männlich | |
Familienstand: | 1 = ledig |
2 = verheiratet | |
3 = verwitwet | |
4 = geschieden | |
RaucherIn: | 1 = ja |
0 = nein | |
Sozialforschung ist | 1 = stimme ich zu |
langweilig: | 2 = stimme ich nicht zu |