Wirtschafts- und Sozialgeschichte Westeuropas seit 1945. Manuel Schramm
2.7.1Die Erfindung des Teenagers
2.7.2Die 68er-Bewegung
2.8Innenpolitik und Parteien
2.8.1Der Aufstieg der Volksparteien
2.8.2Die Hegemonie der bürgerlichen Parteien
2.8.3Nationale Unterschiede
2.9Außenpolitik und Kalter Krieg
2.9.1Der Kalte Krieg
2.9.2Entspannungspolitik
2.10Wertewandel und Säkularisierung
2.10.1Wertewandel
2.10.2Die „sexuelle Revolution“
2.10.3Säkularisierung
2.11Umweltzerstörung und Umweltschutz
2.11.1Das „1950er-Syndrom“
2.11.2Landwirtschaft
2.11.3Massenmotorisierung
3Das Zeitalter der Globalisierung (1970–2000)
3.1Globalisierung: Begriff und Indikatoren
3.2Die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Boom
3.2.1Das Wirtschaftswachstum im Vergleich
3.2.2Wachstumsursachen
3.2.3Spekulationsblasen und Wirtschaftskrisen
3.3Konsum, Lebensstile, soziale Schichtung
3.3.1Pkw
3.3.2Haushaltstechnisierung und Medienkonsum
3.3.3Globalisierung der Ernährung?
3.3.4Lebensstile, Milieus, Sozialstruktur
3.4Massenarbeitslosigkeit und Sozialstaat
3.4.1Ursachen der Krise
3.4.2Nationale Unterschiede
3.4.3Arbeitslosigkeit und neue Armut
3.5Alte und neue soziale Bewegungen
3.5.1Streiks
3.5.2Neue soziale Bewegungen
3.5.3Politischer Terrorismus
3.6Bildung und Wissensgesellschaft
3.6.1Wissensgesellschaft
3.6.2Hochschulexpansion
3.6.3Der Bologna-Prozess
3.6.4Hochtechnologie-Regionen
3.7Die ökologische Revolution: Umweltbewegung und Umweltpolitik 130
3.7.1Anti-AKW-Bewegung
3.7.2Waldsterben
3.7.3Klimawandel
3.7.4Luft- und Gewässerverschmutzung
3.8Innenpolitik: die Fragmentierung der Parteiensysteme
3.8.1Demokratisierung
3.8.2Transformation des italienischen Parteiensystems
3.8.3Niedergang der Volksparteien
3.9Außenpolitik und europäische Einigung
3.9.1Entspannungspolitik
3.9.2Systemtransformation in Mittel- und Osteuropa
3.9.3Europäische Integration
3.10Multikulti: Einwanderung und Integration
3.10.1Ausländeranteil
3.10.2Integration
3.10.3Asylbewerber
3.11Globalisierung der Kultur?
3.11.1Popmusik
3.11.2Kinofilme
3.11.3Belletristik
Register
Ortsregister
Personenregister
Eine westeuropäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Nachkriegszeit zu schreiben, ist kein einfaches Unterfangen, und das aus drei Gründen. Erstens hat sich die Zahl der Themen, die von der Wirtschafts- und Sozialgeschichte behandelt werden, sprunghaft vermehrt. Zu den klassischen Themen wirtschaftliche Entwicklung und soziale Ungleichheit sind viele neue getreten: Geschlechtergeschichte und Umweltgeschichte etwa, aber auch die Geschichte der Jugend, der Hoch- und Populärkultur, der Migration, des Konsums, der globalen Beziehungen etc. Neben der Vielzahl der Themen gilt es zweitens, die Verschiedenheit der regionalen und nationalen Erfahrungen zu berücksichtigen. Westeuropa in der hier verwendeten Definition umfasst alle europäischen Staaten außer den mittel- und osteuropäischen Ländern, die zwischen Ende der vierziger und Ende der achtziger Jahre ein sozialistisches Gesellschaftssystem besaßen, also die Warschauer Vertragsstaaten, aber auch Jugoslawien und Albanien. Der Ausschluss dieser Länder erfolgt nicht, weil sie unwichtig wären. Jedoch haben sie ihre eigene Entwicklung, die nach 1945 nur teilweise zu derjenigen der westeuropäischen parallel läuft und daher eine eigene Betrachtung verdient. Es bleiben damit immer noch 18 Staaten1 (ohne Zwergstaaten wie Andorra oder Monaco), die teilweise noch bedeutende regionale Unterschiede aufweisen (wie Spanien, Belgien oder Italien). Die nationalen Historiografien strukturieren den hier behandelten Zeitraum recht unterschiedlich, da die Zäsuren in Frankreich andere sind als in Spanien oder in Deutschland. Der Vielfalt dieser unterschiedlichen Erfahrungen gerecht zu werden, ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
Drittens schließlich hat der Historiker mit einer Vielzahl von Deutungsangeboten zu rechnen, die von der Geschichtswissenschaft oder von anderen Disziplinen vorgeschlagen werden. Leitbegriffe für die gesellschaftliche Entwicklung seit 1945 könnten demnach sein: Postmoderne, Fordismus/Postfordismus, Sicherheit, Kalter Krieg, Wissensgesellschaft, Netzwerkgesellschaft, digitale Revolution, Informationsgesellschaft, dritte und vierte industrielle Revolution, postindustrielle Gesellschaft, Dienstleistungsgesellschaft, Globalisierung, Amerikanisierung, Westernisierung, Wertewandel und vieles andere mehr. Manche dieser Begriffe werden in der Darstellung aufgegriffen, aber die ausführliche Diskussion aller dieser und anderer Interpretamente würde ein eigenes Buch füllen.
Die hier gewählte Darstellung beruht auf einer zeitlichen und einer thematischen Differenzierung. Dem liegen einige Annahmen und Hypothesen zugrunde, die hier offengelegt werden sollen. Zunächst einmal erschien es sinnvoll, den Zeitraum zwischen 1945 und der Gegenwart (immerhin 70 Jahre) in drei große Abschnitte zu unterteilen, die wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch unterschiedliche Merkmale besaßen: erstens die unmittelbare Nachkriegszeit bis ca. 1950, zweitens die Zeit des Booms bis ca. 1970 und drittens die Zeit von 1970 bis zur Gegenwart. Die unmittelbare Nachkriegszeit war charakterisiert durch eine weitgehend am Boden liegende Wirtschaft, einen durch Rationierung verwalteten Mangel und dadurch eine soziale Nivellierung auf niedrigem Niveau. Politisch war sie geprägt durch einen antifaschistischen, ja antikapitalistischen Grundkonsens, der alle Parteien außer der extremen Rechten einschloss. Davon zu unterscheiden ist die Zeit des Booms oder Wirtschaftswunders, die den Durchbruch zum Massenkonsum mit sich brachte. Sie bildet eine Einheit, denn in dieser Zeit ging es wirtschaftlich nahezu ohne Unterbrechung bergauf, und breite Schichten profitierten vom zunehmenden Wohlstand, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlicher Geschwindigkeit.2