Globalisierung. Christoph Scherrer
lässt sich in Anlehnung an Reinhard Wendt (2007) in drei Phasen unterteilen: den iberischen Kronmonopolismus, die nordwesteuropäischen Monopolgesellschaften und den industriellen Imperialismus. Diese Phasen unterscheiden sich durch die Zentren der Kolonialisierung, das Verhältnis zwischen Staat und privaten Akteuren und die technische Basis der Dominanz. Einheitlichkeit bestand darin, dass der globale Handel und damit die globale Arbeitsteilung aus Europa organisiert wurden.
Die erste Phase, die Phase des iberischen Kronmonopolismus, dauerte zwar bis zur Befreiung der südamerikanischen Kolonien zu Beginn des 19. Jahrhunderts an, doch war ihre Blütephase bereits Mitte des 17. Jahrhunderts überschritten. Sie war von der Dominanz Portugals und Spaniens geprägt, die mit päpstlichen Segen die neu entdeckte Welt unter sich aufgeteilt hatten (Verträge von Alcáçovas, Tordesillas und Zaragoza). Die jeweiligen Kronen ordneten den Handel und die eroberten Gebiete ganz der Macht- und Reichtumsmehrung unter. Die Schaffung von Monopolen war diesem Ziel besonders förderlich. Sofern den Kronen das Kapital fehlte, bedienten sie sich auch privater Unternehmer, die Lizenzen für ihre jeweiligen Geschäfte erhielten.
Wenngleich das von den iberischen Mächten um die Erde gelegte Netz noch viele Löcher aufwies, wies es die zentralen Merkmale der heutigen Globalisierung auf. Der Handel umfasste bereits Amerika, Afrika, Asien und Europa. Nicht nur wurden die klimatischen und geologischen Unterschiede zwischen den einzelnen Weltregionen gezielt für den Handel ausgenutzt, sondern der Handel selbst wurde monopolisiert und die heimische Produktion gegenüber Produzenten aus den überseeischen Besitzungen bevorzugt. Die einträgliche Veredelung der Rohstoffe behielten die iberischen Staaten für sich. Diese Praxis wurde von den späteren Kolonialmächten übernommen.
Neben dem Bergbau förderten die Kolonialverwaltungen die Plantagenwirtschaft, was zum einen zur transkontinentalen Verbreitung einiger Kulturpflanzen wie dem Zuckerrohr führte und zum anderen den Menschenhandel beförderte. Bekannt ist die Ersetzung indianischer |24◄ ►25| Zwangsarbeiter durch afrikanische Sklaven. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts sollen eine Million Menschen aus Afrika ins spanisch und portugiesisch kontrollierte Amerika versklavt worden sein. Auch im asiatischen Raum wurden Menschen versklavt. Die globale Arbeitsteilung entstand nicht als Folge friedlicher Neugier auf andere Güter, sondern aufgrund gewaltsamer Eroberung und Ausbeutung.
Die Globalisierung umfasste von Anfang an auch kulturelle Dimensionen. Zum einen, weil der Fernhandel selbst ein kulturelles Phänomen war, dem spezifische Einstellungen zur Sicherung der Lebensgrundlagen, zur Natur und zu anderen Menschen zugrunde lagen. Im iberischen Zeitalter kennzeichnete eine Beute-Mentalität das Führungspersonal der Expeditionen (Schmitt 2009: 16).
Zum anderen ging Eroberung mit christlicher Missionierung einher, die von den Päpsten im Gegenzug zur Gewährung der Gebietsmonopole in der Neuen Welt von den iberischen Kronen verlangt wurde. Letztere kamen dieser Aufforderung auch aus eigener Überzeugung nach. Die Missionierung lief zumeist dort gewaltsam ab, wo die europäische Vorherrschaft erdrückend war, also in Amerika, und verlief dort friedlicher, wo sich die Europäer mit den lokalen Mächten arrangieren mussten, also in den asiatischen Küstenregionen.
Die katholischen Missionare trugen wie die Seeleute, Händler und Wissenschaftler zum Wissen über die „neue“ Welt bei. Das spanische Königshaus verlangte explizit nach solchen Berichten. Für die Seefahrer stand geographisches Wissen im Vordergrund, für die Händler die jeweilige Angebots- und Nachfragelage, und die frühen Wissenschaftler interessierten sich vor allem für die Ernährungspotenziale der Pflanzenwelt.
Die nordwesteuropäischen Monopolgesellschaften (1600 – 1857)
Die anderen Europäer waren allerdings nicht gänzlich von diesem Wissen ausgeschlossen. Zum einen hatten sie selbst Wissen zur Atlantiküberquerung beigetragen. Beispielsweise nutzte Kolumbus die astronomischen Karten des in Nürnberg lebenden Regiomontanus. Zum anderen nahmen einzelne Personen als Missionare, Geldgeber, Handwerker und Wissenschaftler an den Fahrten teil. Über den besten Zugang verfügten die Niederländer, da sie lange Teil des spanisch-habsburgischen Reichs waren und in ihrem erfolgreichen Unabhängigkeitskampf (1566 – 1648) gelernt hatten, sich gegen spanische Vorherrschaft zu behaupten. Ihre |25◄ ►26| ersten überseeischen Erfolge gingen jedoch zu Lasten der Portugiesen, deren verstreute Stützpunkte entlang der Küsten Asiens leichter zu erobern waren als die spanischen Kolonien in Amerika. Mitte des 17. Jahrhunderts hatten die Niederländer die Portugiesen im asiatischen Seeverkehr abgelöst.
Zeitgleich versuchten niederländische, englische und französische Abenteurer durch Schmuggel und Piraterie die Monopolansprüche der iberischen Mächte im transatlantischen Seeverkehr zu unterlaufen. Die Piraterie erhielt rechtstheoretischen Beistand durch Hugo Grotius, den Begründer des modernen Völkerrechts. Er plädierte 1608 für die Freiheit der Meere und erklärte das Kapern portugiesischer Karavellen für gerechtfertigt, solange diese anderen den freien Handel untersagten. In England genossen Piraten wie Francis Drake den Schutz der Krone.
Die eigentlichen Träger der kolonialen Expansion der nordwesteuropäischen Staaten waren die privaten Kompanien. Die kolonialistischen Unternehmungen standen in diesen Ländern nicht mehr im Dienste der Krone, sondern gehörten privaten Kaufleuten, die Anteile an diesen Kompanien zeichneten. Die 1600 gegründete East India Company (EIC) und die bald darauf folgende Vereinigte Ostindische Kompanie (VOC) erhielten allerdings vom Staat viele Privilegien, vom Handelsmonopol bis hin zu hoheitsrechtlichen Befugnissen wie der Rechtssprechung. Deshalb kann diese Phase des Kolonialismus als Zeitalter der nordwesteuropäischen Monopolgesellschaften bezeichnet werden. Allein die VOC beschäftigte während des 17. und 18. Jahrhunderts knapp eine Million Menschen in ihrem asiatischen Handelsimperium.
Die Suche der nordwesteuropäischen Länder nach von den iberischen Mächten nicht kontrollierten Indien-Routen führte sie nach Nordamerika. Dort wurden nicht nur Handelsstationen aufgebaut, sondern auch agrarische Siedlungen von europäischen Auswandereren gegründet. Wie bekannt entwickelten sich die nordamerikanischen Kolonien auf dem Rücken der indigenen Bevölkerung rasch. Sie läuteten mit der Unabhängigkeitserklärung von 1776 die erste Entkolonialisierungswelle ein, die in den nächsten Jahrzehnten unter der Führung der dort ansässigen europäischstämmigen Eliten die südamerikanischen Staaten erfasste. Bereits 1822 hatten weder Portugal noch Spanien nennenswerte Kolonien in Amerika.
Die Unabhängigkeit der USA stand den weiteren kolonialen Bestrebungen der europäischen Länder nicht im Wege. Im Laufe der Zeit dehnten die ursprünglichen 13 Ostküstenstaaten der USA ihren Einfluss auf vormalig indianische und spanische Territorien bis zum Pazifik aus. 1898 wurden die USA selbst zur Kolonialmacht auf den Philippinen.
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Der Welthandel wurde zunächst von den niederländischen Kompanien beherrscht, doch stieg Großbritannien gegen Ende des 17. Jahrhunderts zur führenden See- und Seehandelsmacht auf. Seine Kompanien prägten die globale Arbeitsteilung. Zwar waren die Wertschöpfungsketten noch nicht so feingliedrig über den Globus verteilt wie heutzutage, doch kam es zu einem intensiven interkontinentalen Kettentransfer von Waren. Berüchtigt ist das Dreieck zwischen Europa, Afrika und der Karibik, in dem für europäische Waren in Afrika Sklaven erworben wurden, die in der Karibik gegen Rohrzucker oder andere Plantagenprodukte getauscht wurden. Ähnliche Dreieckstauschbeziehungen bestanden auch zwischen anderen Regionen. Die Kompanien förderten die gezielte Produktion für den Export. Im 18. Jahrhundert waren 11% der Beschäftigten in der bengalischen Textilindustrie für die Exportproduktion nach Europa beschäftigt. Doch regte sich in England Widerstand gegen billige Importe aus Übersee. Die Folge war, dass Indien nur noch Rohbaumwolle liefern durfte, während die Veredelung in England stattfand.
Der Sklavenhandel stieg drastisch auf ca. sechs Millionen im 18. Jahrhundert an, wobei noch Millionen AfrikanerInnen hinzugezählt werden müssen, die in die islamische Welt versklavt wurden. Erst um 1800 wurde der überseeische Menschenhandel verboten. SklavInnen arbeiteten hauptsächlich in den Exportindustrien. 1675 waren allein auf Barbados 80.000 SklavInnen mit der Zuckergewinnung für den Export beschäftigt. Schon damals bestand wie heute unter den einzelnen Produktionsstandorten eine scharfe Konkurrenz. Die Zentren der Zuckerrohrplantagen wanderten in der Karibik hin- und her, und zwar abhängig von der Vernutzung der Böden und der Intensität des Widerstandes. Insgesamt verdrängte die Karibik im 18. Jahrhundert