Sozialraumorientierung 4.0. Группа авторов
AFD mit Klimaschutz (Landeshauptstadt München: Schröer 2005; Hermann 2006), während Gebietskörperschaften, die langjährig erfolgreich und evaluiert mit Budgets arbeiten, schlichtweg keine Erwähnung finden (etwa die Städte Rosenheim oder Graz oder der Landkreis Nordfriesland).
–Der nur mühsam in schriftliche Form verpackte Ärger von Kessl/ Reutlinger darüber, dass insbesondere das Fachkonzept Sozialraumorientierung in zahlreichen Gebietskörperschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz engagiert, mit Hochs und Tiefs, inhaltlich gesteuert und ökonomisch fundiert, viel diskutiert und beachtet sowie mit gut dokumentierten erfreulichen Folgen für den Umbau von Strukturen und Finanzierungsformen umgesetzt wird, führt zu abstrusen Kommentaren wie: „Insofern ist die feststellbare Etablierung der Sozialraumorientierung (immerhin! W.H.) im Feld der Kinder- und Jugendhilfe nicht mit der Etablierung eines bestimmten Niveaus der Reform der bundesdeutschen Kinder- und Jugendhilfe zu verwechseln, sondern – zumindest in ihrer vorherrschenden Form – eher als Etablierung bestimmter dominierender Beraterprogramme.“ (2018, S. 1079). Sie meinen wohl: Das Konzept wird umgesetzt, die Nachfrage der Akteure/innen in den Gebietskörperschaften (also der Expert/innen) ist groß, viele Profis arbeiten mit diesem Ansatz, aber es sind ja nur „Beraterprogramme“ (S. 1079) oder „Heilsversprechen“ (S. 1080) oder all das beruht auf einer „Esoterik der Ganzheitlichkeit“ (S. 1081). Und sie weisen auf die unbestrittene Tatsache hin, dass auch mit diesem Konzept längst nicht der Stein der Weisen gefunden ist, sondern bedeutsame Dinge damit nicht bearbeitet wurden, die auf dieser Flughöhe formuliert werden: „Fragen, wie die sozialraumorientierte Dezentralisierungsstrategie im konkreten urbanen Kontext zu beobachtbaren Auf- und Abwertungstendenzen (Gentrifizierung) in Beziehung gesetzt werden kann und sollte oder wie Aktivierungsstrategien angesichts der zunehmenden Legitimation der neuen Klassengesellschaft durch das bürgerschaftliche Engagement in der Mitleidsökonomie … zu problematisieren und neu zu justieren sind … bleiben dann unbeantwortet“ (S. 1081). Ja, da haben sie wirklich recht: Diese Fragen sind tatsächlich nicht beantwortet, ebenso wie Fragen danach, wie man endlich eine Gleichstellung der Geschlechter erreicht, die Welt friedlicher gestaltet, die Genderfrage endgültig klärt und wie man Professorenstellen für Sozialarbeit an Universitäten so besetzt, dass Studierende anschließend gut ausgebildet werden. In der Tat werden diese und viele andere Fragen durch die Realisierung des Fachkonzepts Sozialraumorientierung in Städten, Landkreisen, Kantonen und Bezirkshauptmannschaften nicht beantwortet – doch genau das hat auch niemand behauptet.
–Und regelmäßig wird (entweder frech oder kenntnislos) auf die vermeintlich „fehlenden externen Evaluationen“ (S. 1079) verwiesen. Die trotz dieser Behauptungen vorhandenen und nachlesbaren Arbeiten (etwa Noack 2017) sowie meine diesbezüglich immer wieder gern publizierten aufklärenden Anmerkungen (etwa Hinte/ Noack 2017) werden schlichtweg nicht wahrgenommen. Weiterer Bemerkungen dazu bedarf es nicht.
Wer sich seinen Gegenstand so zurechtschreibt, wird geradezu umweht vom Generalverdacht der Sucherei nach einem Haar in einer Suppe, die man meint, aus der Ferne nach ihrem Duft beurteilen zu können. Unterm Strich: Von „Sozialraumorientierung“ schreiben viele – doch das Fachkonzept ist das Original, die anderen machen Karaoke.
1.„Sozialraumorientierung umsetzen?“
Angesichts der Konjunktur von „Sozialraumorientierung“ überrascht es nicht – auch wenn es hier und da zwiespältige Gefühle hinterlässt –, dass immer mehr öffentliche und freie Träger, insbesondere der Kinder- und Jugendhilfe, der Altenhilfe sowie der Behindertenhilfe, in Fachaufsätzen und/ oder in Werbematerialien darüber informieren, dass sie „Sozialraumorientierung umsetzen“. Eine solche Formulierung mutet schon sprachlich merkwürdig an, doch vor allen Dingen zeigt sie, dass die für sich werbende Institution konzeptionell (vielleicht auch nur sprachlich) noch nicht Tritt gefasst hat. Zumindest das hier vertretene „Fachkonzept Sozialraumorientierung“ kann man nicht „umsetzen“, aber man kann es als konzeptionelle Leitlinie für professionelles Handeln nutzen. Damit diese konzeptionelle Folie nachhaltige Konsequenzen für das alltägliche Handeln der Professionellen zeitigt, hat es sich zum einen bewährt, das Personal durch systematische (verpflichtende) Qualifizierungen zu unterstützen. Zum anderen aber (und das ist gelegentlich mit „Umsetzung“ gemeint) sind bestimmte organisatorische Strukturen, Abläufe, Finanzierungs- und Kooperationsstrukturen hilfreich, damit die Prinzipien des Fachkonzeptes ihre Wirkung entfalten können.
Die fünf Prinzipien sowie die daraus folgenden Hinweise für Methodik, Struktur und Finanzierung als Orientierung zu wählen, liegt natürlich auf der Hand. Die aktuellen Herausforderungen, die sich in zahlreichen Prozessen in den Gebietskörperschaften stellen, beziehen sich auf Arbeitsfelder, die durch Rechtsansprüche aus verschiedenen Sozialgesetzbüchern, die sich fast ausschließlich auf Einzelansprüche beziehen, gerahmt werden. In diesen häufig traditionell geprägten, gelegentlich sogar stärker juristisch als sozialarbeiterisch beeinflussten Prozessen des Leistungsgeschehens sich konsequent an den Prinzipien des Fachkonzepts auszurichten, ist angesichts der tradierten Prägungen in vielerlei Hinsicht schwierig (anders etwa als im Arbeitsfeld Gemeinwesenarbeit – s. dazu Hinte 2018). Leistungsfelder, die überhaupt nur deshalb existieren, weil Menschen als bedürftig, notleidend, belastet, gehandicapt usw. etikettiert werden müssen, sperren sich naturgemäß solchen Ansätzen, die die Ressourcen und Potentiale, den Willen und die Ziele sowie die eigenen Kräfte der Menschen in den Fokus stellen und damit so manche korrekte Leistungsfeststeller/in ins Schwitzen bringen. Feststellung, Rahmung und Erbringung der gesetzlich verbrieften Leistungen bieten einige Herausforderungen, wenn man die Prinzipien der Sozialraumorientierung ernst nimmt.
Beispiele dafür:
–Wenn der Wille der leistungsberechtigten Menschen eine wesentliche Grundlage professionellen Handelns im gesamten Hilfeverlauf darstellt, dann muss insbesondere die Phase der Leistungsfeststellung („Falleingangsphase“) so gestaltet werden, dass die Fachkräfte methodisch und zeitlich in der Lage sind, mit den betroffenen Menschen deren Willen herauszufinden (und evtl. daraus folgende Ziele mit ihnen zu formulieren). Methodisch hat das zur Folge, dass eine „kundenorientierte Haltung“ mit einer Frage wie: „Was kann ich für Sie tun?“ weniger angezeigt ist als eine Haltung, aus der heraus systematisch die Interessen und der Willen der betroffenen Menschen erkundet werden. Hohe Klarheit seitens der beteiligten Akteure/innen über den Willen der leistungsberechtigten Menschen führt häufig zu ganz anderen als den gerade vorhandenen und institutionell standardisierten Leistungen. Grundsätzlich gilt: Leistungsumfang und Leistungserbringung müssen (natürlich auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen) dem Willen und den Zielen der Menschen folgen und nicht umgekehrt. Somit ist die Frage danach, was den Menschen auf der Grundlage eines Katalogs versäulter Angebote „zusteht“, oftmals irreführend: Sie verführt die Akteure/innen dazu, die Menschen der Logik des Systems anzupassen anstatt das System herauszufordern, sich auf den Eigensinn der Menschen mit einer flexiblen Angebotsstruktur einzulassen.
Grundlage jedweder Leistung sind die gesetzlichen Bestimmungen in den jeweiligen Gesetzeskreisen. Das ist selbstverständlich. Doch während derzeit immer noch relativ eng und standardisiert danach geschaut wird, was dem leistungsberechtigten Menschen zusteht bzw. was ihm nicht zusteht, wird diese Frage mit einem sozialraumorientierten Blick gerahmt durch die am Anfang des Leistungsgeschehens zu stellende Frage, was der (möglicherweise) leistungsberechtigte Mensch in seiner jeweiligen Situation erreichen will, was für ihn in seinem Leben wichtig ist, welche (realistischen) Perspektiven ihn leiten und welche Lebenszusammenhänge für ihn Relevanz besitzen. Damit wird die Konzentration auf zahlreiche andere Ausschnitte seiner Lebenswirklichkeit gelenkt als ausschließlich auf die zu diagnostizierende bzw. empfundene Bedürftigkeit: Nicht das, was der Mensch „braucht“, steht im Mittelpunkt, sondern das, was er will. Damit wird bereits zum Beginn des Leistungsgeschehens fokussiert auf seine eigene Energie, seine Lebenserfahrungen, sein eigenes Radar und seinen Lebensentwurf. Erst auf dieser Grundlage wird darüber nachgedacht, wie die in dem jeweiligen Gesetz zur Verfügung stehenden sozialstaatlich garantierten Ressourcen genutzt werden zur gemeinsamen mit den betroffenen Menschen vorzunehmenden Gestaltung eines Hilfearrangements. Dieses setzt sich aus personellen und sachlichen Leistungen des professionellen Systems wie auch aus zahlreichen anderen Mosaiksteinen zusammen, die u. a. aus lebensweltlichen Ressourcen jedweder