Die Industrielle Revolution. Rainer Liedtke
4.6 Big Business
4.7 Finanzwesen und Dienstleistungen
5. Die europäische „Peripherie“
6.1 Gesellschaftliche Strukturen
6.3 Wohn- und Arbeitsbedingungen
6.5 Fortschritt und Industrialisierung
7.1 Staat und Industrialisierung
7.7 Arbeitgeber und soziale Frage
8.2 Grundbedingungen der Modernisierung
8.3 Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg
Rückumschlag
Vorwort
Die Industrialisierung veränderte seit dem späten 18. Jahrhundert die Lebensverhältnisse der Menschheit fundamental, je nach Nation, Region oder Kontinent in unterschiedlicher Weise und zu verschiedenen Zeiten. Der eigentlich abrupte Veränderungen beschreibende Begriff „Revolution“ trifft auf diesen langfristigen Entwicklungsprozess zu, weil hier seit vielen Jahrhunderten bestehende soziale Bindungen, wirtschaftliche Beziehungen, kulturelle Kontexte und politische Verhältnisse grundlegend neu strukturiert wurden. In Verbindung mit dem Zeitalter der Aufklärung markiert die Industrielle Revolution, deren Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen, den Epochenübergang von der Vormoderne zur Moderne und begründete die erst im späten 20. Jahrhundert ins Wanken geratende politische und wirtschaftliche Vorherrschaft der westlichen Welt.
Die Industrielle Revolution ist in einer kaum überschaubaren Vielzahl von Spezialstudien und Überblickswerken wissenschaftlich untersucht worden, wobei Arbeiten zu Großbritannien und den klassischen westeuropäischen Industriestaaten ein starkes Übergewicht haben. Dieser geografisch geordnete Band bezieht neben den früh industrialisierten Staaten Europas ebenfalls die süd-, nord- und osteuropäische Entwicklung mit ein und geht darüber hinaus auf die USA, Japan und exemplarisch einige industrielle Schwellenländer des späteren 20. Jahrhunderts ein. Zwei thematische Kapitel behandeln die sozialen Folgen der Industrialisierung und die Rolle des Staates in diesem Prozess. Die Studie basiert auf einem breiten Querschnitt der Fachliteratur und wendet sich speziell an Studierende der Kultur- und Sozialwissenschaften sowie an alle Interessierten, die sich einen ersten Überblick über das Thema verschaffen möchten. Es versteht sich von selbst, dass die komplexen und wechselnden Beziehungen zwischen den verschiedenen Faktoren der Industrialisierung
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dabei nicht in ganzer Breite erörtert, sondern nur in Grundzügen dargestellt werden können. Weiterführende Literaturhinweise im Anhang ermöglichen eine ausführlichere Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten des Themas.
Olaf Hartung und Detlev Mares danke ich für Kapitellektüre und zahlreiche wertvolle Anregungen. Nadja Springer war als Korrekturleserin eine große Hilfe.
Rainer Liedtke, im April 2012
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1.
Ein englischer Pastor und Professor für Geschichte und Politische Ökonomie veröffentlichte 1798 eine immens einflussreiche, aber auch heftig kritisierte Studie, welche den Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Ernährungsbasis thematisierte: Thomas Malthus (1766 – 1834) postulierte in An Essay on the Principle of Population or A View on its Past and Present Effects on Human Happiness, das Bevölkerungswachstum vollziehe sich zyklisch und erreiche stets einen Punkt, an dem die exponentiell ansteigende Bevölkerung durch Hungersnöte und Epidemien wieder dezimiert werde, da die Erde nur eine begrenzte Menge an Nahrung produzieren könne. Um dies zu vermeiden, forderte Malthus sexuelle Abstinenz und späte Heiraten. Herrscher und Regierungen griffen diese Theorie begierig auf, da jeder fürchtete, die Nahrungsvorräte seines Landes würden eines Tages nicht mehr ausreichen, um alle Einwohner zu ernähren. Als Malthus seine Thesen veröffentlichte, wuchs die Bevölkerung Englands und eines Teils Westeuropas bereits seit einiger Zeit deutlich an. Jedoch erkannte Malthus nicht, dass die Ursache für das Wachstum vor allem darin bestand, dass die Landwirtschaft durch