Qualitative Medienforschung. Группа авторов
und zumindest für den Messvorgang stabile, intersubjektiv feststellbare Wirklichkeit voraus, und genau darauf bezogen definieren solche theoretischen Ansätze Handeln und Kommunizieren.
Demgegenüber geht der Typus der qualitativ konnotierten Handlungstheorien von auf innere Prozesse bezogenen Konzepten wie Sinn und Bedeutung aus, über die Handeln, Erleben, Denken und Kommunizieren erst zustande kommen. Eine wesentliche und immer wieder zitierte Version dieses Verständnisses findet sich in den Arbeiten von Max Weber, einem der so genannten »Klassiker der Soziologie«. Für Weber war Soziologie eine Wissenschaft, »welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. ›Handeln‹ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei, ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. ›Soziales‹ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinen von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und darin in seinem Ablauf orientiert ist« (Weber 1978, S. 9).
Hier wird Handeln als Grundkategorie der Sozialwissenschaft entworfen, das auf Sinn und Bedeutung beruht, die vom Handelnden konstituiert werden. Die Benutzung einer Waschmaschine ist offensichtlich ein Fall sinnvollen Handelns, die Teilnahme an einem Fußballspiel ebenso ein Fall sozialen Handelns wie das Sprechen mit anderen oder die Nutzung von Kommunikationsmedien.
Sinnbezogenes Handeln muss, um in Webers Sprache zu bleiben, deutend verstanden werden, wenn es um empirische Untersuchungen geht. Das geht nicht durch ein als objektiv verstandenes Beobachten, sondern bedarf offener, kommunikativ angelegter Forschungsstrategien. Ein derartiges Konzept von Handeln auf der Basis von subjektiver Sinnkonstruktion unterstellen die beiden anderen, von McQuail (1994) beschriebenen Paradigmen der Kommunikationswissenschaft:
• Das »rezeptionsbezogene Paradigma«: Danach wird Kommunizieren primär durch das Verstehen definiert, ohne das von (geglückter) Kommunikation nicht die Rede sein kann. Verstehen heißt dabei, anschaulich gesprochen, dass der Rezipient die Medieninhalte mit seinen eigenen Vorstellungen und Gedanken zusammenbringt und sich so das Kommunikat aneignet.
• Das »rituelle Paradigma«: Danach wird Kommunikation vor allem als Basis von Gemeinschaft verstanden – dann steht im Vordergrund, dass die Menschen durch ihr Kommunizieren Teil sozialer Gemeinschaft werden. Plakativ ausgedrückt, ist es in diesem Paradigma wichtig, dass man Zeitung liest, nicht, was man darin genau liest.
In diesen Fällen muss wissenschaftliche Empirie Kommunikation in ihrem Ablauf rekonstruieren und dabei die Konstitution von Sinn und Bedeutung durch die handelnden Subjekte im Blick haben. Dies ist nur mit qualitativen Erhebungsund Auswertungsmethoden möglich, die grundsätzlich von einer gemeinsamen Wirklichkeit von Forscher und Beforschten ausgeht, durch die Forschung nicht behindert oder verfälscht, sondern erst möglich wird. Damit wird bei diesen beiden Paradigmen grundsätzlich ein Menschenbild unterstellt, das sich von dem unterscheidet, das zu den beiden ersteren Paradigmen gehört: Der Mensch ist Bewohner einer kommunikativ konstituierten symbolischen Welt, die über Sprache und andere Symbolsysteme sozial und kulturell vermittelt hergestellt wird. Im Gegensatz zum pawlowschen Hund, dessen Speichelproduktion durch das Klingeln unmittelbar und automatisch angeregt wird, handeln Menschen im Normalfall nicht automatisch oder rein reaktiv im Hinblick auf beobachtbares Geschehen. Sie handeln vielmehr aufgrund der Bedeutungen, die ein Objekt, ein Geschehen, ein Reiz oder allgemein, ein Zeichen für sie hat. Objekte, Geschehen, Reize sind Zeichen, die für etwas stehen, und dieses individuell bedeutsame, sozial konstituierte Etwas ist relevant für die Art, wie Menschen mit etwas umgehen.
Die Möglichkeit und die Wirklichkeit des Hantierens mit Zeichen und Symbolen auf der Basis von kommunikativ konstituierten Bedeutungen und insbesondere die Sprache trennen im Übrigen den Menschen auf charakteristische Weise vom Tier. Denn der Mensch ist Mensch nur dadurch, dass er bzw. sie über Kommunikation, symbolisch vermittelte Interaktion und über Sprache verfügt, und zwar in einer Elaboriertheit, die kein Tier beherrscht.
Unterschiedliche qualitativ konnotierte handlungstheoretische Ansätze
Den im Folgenden genauer dargestellten handlungstheoretischen Ansätzen liegt nun die Annahme zugrunde, dass Handeln auf der Basis von Sinn und Bedeutung zustande kommt. Insbesondere finden deshalb beim (kommunikativen) Handeln stets auch innere Prozesse statt, ohne die man gar nicht von Kommunikation sprechen kann: Kommunikate müssen etwa von ihren Konstrukteuren im Hinblick auf die anderen Beteiligten antizipierend entworfen werden, und sie müssen von den Rezipienten verstanden werden. Diese Aktivitäten sind deshalb Teil von Kommunikation. Sie können von einem Außenbeobachter nicht »objektiv« beschrieben oder gar verstanden werden. Deshalb müssen derartige Handlungstheorien mit qualitativen Verfahren, die von einer kommunikativ konstruierten Wirklichkeit ausgehen, empirisch untersucht werden.
Fünf unterschiedliche Typen solcher handlungstheoretischer Ansätze sollen kurz skizziert werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich diese Ansätze nicht immer scharf voneinander unterscheiden.
1. Symbolischer Interaktionismus
Der durch die Schriften George Herbert Meads (1969, 1973) begründete Symbolische Interaktionismus geht davon aus, dass menschliches Handeln immer auch symbolisches Handeln ist, das im Rahmen einer sozial begründeten und individuell interpretierten Wirklichkeit stattfindet. In Anlehnung an Herbert Blumer, der den oft gescholtenen Begriff des Symbolischen Interaktionismus erfunden hat, kann man diesen sozialpsychologisch begründeten Ansatz auf drei handlungstheoretisch formulierte Grundaussagen zurückführen: Menschen handeln Dingen und Menschen gegenüber auf der Grundlage von Bedeutungen, die diese Dinge bzw. Menschen für sie haben; diese Bedeutungen sind in den Interaktionen der Menschen untereinander für die einzelnen entstanden; und sie werden von den Menschen im Rahmen ihrer Alltags-praktiken gehandhabt und dabei rekonstruiert und weiter entwickelt (Blumer 1967).
Umgekehrt – und darin liegt eine Besonderheit dieses Ansatzes – zeigt Mead, wie der Mensch durch die soziale Gemeinschaft, in der er entsteht, aufwächst und lebt, Kommunikationskompetenz erwirbt und im Zusammenhang damit zu dem Menschen seiner Zeit und Kultur wird, der er ist. Bewusstsein und Selbstbewusstsein, Identität und innere Struktur, Kompetenz und Erfahrung sind demnach durch soziales und kommunikatives, aufeinander bezogenes Handeln entstanden (vgl. auch Burkitt 1991, Burkart 1995, die sich beide auch mit Bezug derartiger Überlegungen zu anderen Theorien beschäftigen).
Wie komplex die damit verbundenen Prozesse sind, zeigen etwa die empirischen Studien von Erving Goffman (1980, 1997), der sich diesem Ansatz zurechnen lässt. Auch das Konzept der parasozialen Interaktion und der parasozialen Beziehungen, das auf zwei Arbeiten von Horton/Wohl (1956) sowie Horton/Strauss (1957) gründet, ist in diesem Rahmen entstanden (und von anderen theoretischen Ansätzen adaptiert worden). Und mit der so genannten Methode der Grounded Theory hat Anselm Strauss (zusammen mit dem nicht symbolischinteraktionistisch orientierten Barney Glaser) ein allgemeines Verfahren der Konstruktion von Theorien entwickelt (Glaser/Strauss 1967) – »Grounded Theory«, weil man damit systematisch und nachvollziehbar in empirischen Daten begründete Theorien gewinnt (die einer weiteren, etwa quantitativen Prüfung nicht mehr bedürfen, vgl. auch Kleining 1995; → Lampert, S. 596 ff.).
2. Phänomenologische Ansätze
Von ihrer klassischen sozialwissenschaftlichen Fundierung her sind sodann hermeneutisch und phänomenologisch begründete Handlungstheorien zu nennen. Phänomenologische Ansätze werden beispielsweise von Harold Garfinkel (1973), Alfred Schütz (1971) sowie Peter L. Berger und Thomas Luckmann (1980) vertreten. Sie gehen davon aus, dass die Menschen ihren Alltag als kreative Methodologen konstituieren und sich den subjektiven Sinn ihres Handelns wechselseitig anzeigen. Dies tun sie in Bezug auf eine Art sozialer Grammatik, an der sie ihr Handeln und ihr Kommunizieren orientieren. Dabei ist diese Grammatik allein natürlich nicht für eine Beschreibung konkreten Handelns ausreichend – wichtig sind zudem die Kontexte, in denen Handeln stattfindet. Auf diese Handlungstheorie bezogene empirische Verfahren sind die Ethnomethodologie und die Konversationsanalyse, die einerseits diese Handlungsgrammatik herausarbeiten, andererseits die Analyse kommunikativ konstituierter Lebenswelten