Positive Psychologie. Eva Lermer
was ein gutes, glückliches Leben ausmacht (Lermer, 2007).
In der westlichen Kultur beschäftigten sich die Menschen seit den Anfängen der klassischen abendländischen Philosophie (seit etwa zweieinhalb Jahrtausenden) mit der Frage nach dem, was Glück ist. Zu den bedeutsamsten philosophischen Meinungen der Antike zählen jene von Aristippos (435–355 v. Chr.), Platon (427–347 v. Chr.), Diogenes (399–323 v. Chr.), Aristoteles (384–322 v. Chr.), Epikur (341–270 v Chr.) und Epiktet (50–138; Lermer, 2007; für einen Überblick siehe Erler & Graeser, 2000).
So etwa vertrat der Begründer der kyrenaischen Schule Aristippos – er gilt auch als Begründer des Hedonismus – die Auffassung, dass das Lebensziel in der Maximierung der Lust bestünde. Der Weg zum Glück läge „im bewussten Genießen“.
Anders hingegen beschreibt Epikur den Weg zum Glück. Zwar ist Lust für ihn ein Prinzip gelingenden Lebens, doch er sieht Glück nicht in der Hingabe an die Lust, sondern in der Freiheit von Schmerzen und Unlust. Nicht dürsten, nicht hungern, nicht frieren. Dafür die Erfüllung von Lust in Form von Lebensfreude verfolgen. Eine hedonistische Haltung: der Epikureismus.
Als Gegenpart zum nach möglichst dauerhafter Lust strebenden Epikur gilt Epiktet, der mit Marc Aurel und Seneca zu den bedeutendsten Stoikern zählt. Die Glücks-Formel der Stoa fokussiert auf der Befreiung von Äußerem, also Geld, Macht, Ansehen etc. In der stoischen Seelenruhe und Gelassenheit sei die höchste Form von Glückseligkeit zu finden. Eine Haltung, die bis heute insbesondere der Buddhismus durch die Befreiung vom Ego empfiehlt.
Der Gedanke, dass vollkommene Bedürfnislosigkeit der Weg zum Glück sei, findet sich bei Diogenes. Darüber hinaus gehört für ihn absolute Unabhängigkeit von der Außenwelt zum Glück (Lermer, 2007; Erler & Graeser, 2000).
Platon, der ebenfalls wie Aristippos ein Schüler Sokrates war, sieht Glück im Gleichgewicht der Seelenteile Vernunft, Mut und Begehren. Dabei sei Glück stets gebunden an das Gute und Gerechte.
Aristoteles beschreibt in der Schrift „Nikomachische Ethik“ Glückseligkeit (eudaimonia) als das höchste Gut, nach dem alle Menschen streben. Für ihn liegt der Weg zum Glück in der wesensgerechten und tugendhaften Entfaltung der Fähigkeiten und Möglichkeiten, die ein jeder in sich trägt (Lermer, 2007; Erler & Graeser, 2000).
Die hier angerissenen, verschiedenen Ansätze machen deutlich, dass das Glück von den antiken Philosophen sowohl äußerst different definiert als auch in vollkommen unterschiedlichen Haltungen vermutet wird. Damit blieben die Wege zum Glück, wie auch die Bedeutung des Wortes selbst, weiter im Ungefähren. Seit einiger Zeit beschäftigt sich nun auch die Psychologie (wieder) mit eben solchen Fragen und versucht, über empirische Zugänge Antworten zu liefern.
Positive Psychologie: Eine junge Wissenschaft?
Die psychologische Forschung hatte sich bereits Anfang des 20. Jahrhunderts mit Themen der Positiven Psychologie auseinandergesetzt. Doch trotz ihrer frühen Wurzeln ist die Positive Psychologie heute einer der jüngsten Forschungsbereiche der wissenschaftlichen Psychologie. Eine Erklärung, wie es dazu kommen konnte, dass die heute so populäre Positive Psychologie über so viele Jahrzehnte in den Hintergrund gerückt war, gab Martin Seligman in seiner Grundsatzrede zur Ausrichtung der Psychologie. Seligman wurde im Jahr 1998 mit der bis dahin größten Mehrheit zum Präsidenten der American Psychological Association (APA) gewählt. In seiner Ansprache mit dem Titel „Building human strength: Psychology’s forgotten mission“ griff er die Positive Psychologie wieder auf und beschrieb, dass die Psychologie noch vor dem Zweiten Weltkrieg drei Aufgaben hatte:
1. Heilung psychisch kranker Menschen
2. Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen
3. Identifizierung und Förderung von Talenten und Begabungen (Seligman, 1998).
Nach dem Krieg sollen vor allem zwei Faktoren maßgeblich dafür verantwortlich gewesen sein, dass zwei dieser drei Aufgaben in den Hintergrund rückten: Zum einen wurde im Jahr 1946 in den USA die Veteranenverwaltung gegründet. Dies soll zur Folge gehabt haben, dass viele praktizierende PsychologInnen ihren Lebensunterhalt mit der Behandlung von psychischen Erkrankungen bestreiten konnten. Zum anderen wurde im Jahr 1947 das National Institute of Mental Health gegründet. Als akademische PsychologInnen entdeckten, dass sie nun Zuschüsse für die Forschung vor allem über Anträge zu Themen psychischer Erkrankungen erhalten konnten, begannen sie, eher solche Themen zu besetzen (Seligman, 1998).
Aufgrund seiner Rede und der darauffolgenden Entwicklung wird Martin Seligmann zugeschrieben, die Positive Psychologie in der American Psychological Association (APA) eingeführt zu haben. Tatsächlich aber hatte bereits William James im Jahr 1906 in seiner Ansprache als Präsident der APA zur Untersuchung positiv-psychologischer Inhalte aufgerufen (Froh, 2004).
Insgesamt betrachtet, geht die Entwicklung der Positiven Psychologie letztlich auf weit mehr WissenschaftlerInnen zurück. Einige prominente PionierInnen und psychologische Schulen sollen im Folgenden aufgeführt werden.
Großeltern der Positiven Psychologie
In seiner berühmt gewordenen Vorlesung „Positive Psychology“ an der Harvard University differenziert Tal Ben-Shahar (Goldberg, 2006) die Pioniere der Positiven Psychologie in die Kategorien Großeltern und Eltern der Positiven Psychologie. Zu den Großeltern zählt er Abraham Maslow (1908-1970), Karen Horney (1885-1952) und Aaron Antonovsky (1923-1994). Des Weiteren können hier hinzugenommen werden William James (1842-1910), Carl Rogers (1902-1987) sowie Viktor Frankl (1905-1997). Zu den Eltern zählt Ben-Shahar Martin Seligman (1942*), Ellen Langer (1947*) und Philip Stone (1936-2006).
Mit dieser Perspektive lässt sich festhalten, dass die Positive Psychologie ein Urenkel der Humanistischen Psychologie ist, eine psychologische Schule, die sich ab Ende der 1950er Jahre entwickelte. Im Fokus stehen hier die Entwicklung und Entfaltung einer gesunden, sich selbst verwirklichenden Persönlichkeit. Zu ihren Begründern zählen Carl Rogers und Abraham Maslow.
Definition
Bei der Humanistischen Psychologie handelt es sich um eine psychologische Schule (Perspektive), die sich in den 1950er Jahren als Alternative zur behavioristischen und psychodynamischen Perspektive entwickelt hat. „Gemäß der Humanistischen Perspektive ist die Hauptaufgabe des Menschen, nach positiver Entwicklung zu streben“ (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 12).
Carl Rogers (1902-1987) ist aus diversen Gründen einer der Großväter der Positiven Psychologie. Hierzu zählt auch, dass Rogers stets der Ansicht war, dass der Mensch im Grunde gut ist und die Fähigkeit zur Selbstverwirklichung hat. Dazu braucht es nach Rogers ein wachstumsförderliches Klima, das definiert ist durch Echtheit, Empathie und Wertschätzung. Das von ihm stammende Konzept der bedingungslosen, positiven Wertschätzung (unconditional positive regard) ist bis heute eine der drei Grundhaltungen der klientenzentrierten Gesprächstherapie (Finke, 2004; Rogers, 1961).
Abraham Maslow (1908-1970) war seiner Zeit voraus. Er prägte bereits 1954 den Begriff Positive Psychologie. In seinem Werk „Motivation and Personality“ beschreibt er den beschränkten Fokus der zu seiner Zeit aktuellen Psychologie, auf die negative Seite:
„The science of psychology has been far more successful on the negative than on the positive side; it has revealed to us much about man’s shortcomings, his illnesses, his sins, but little about his potentialities, his virtues, his achievable aspirations, or his full psychological height. It is as if psychology had voluntarily restricted itself to only half its rightful jurisdiction, and that the darker, meaner half“ (Maslow, 1954, S. 354).
Auch Maslow war – wie Rogers – überzeugt davon, dass der Mensch im Grunde gut ist. Daher brauche es auch Forschung zu Freundlichkeit, Güte und Optimismus.
David Myers (2014, S. 586) fasst Rogers und Maslows Humanistischen Ansatz wie folgt zusammen: „Anstatt die Probleme kranker Menschen zu untersuchen, sei es dienlicher zu beobachten, wie gesunde Menschen nach Selbstverwirklichung streben“.
Zu den Vertretern aus der Generation der Großeltern der Positiven Psychologie kann ferner die Psychoanalytikerin und Vertreterin der Neopsychoanalyse, Karen Horney (1885-1952), gezählt werden. Horney (1950)