Positive Psychologie. Eva Lermer

Positive Psychologie - Eva Lermer


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überprüft haben mögen, ist dieser Zugang relativ jung – während die rein intellektuelle Auseinandersetzung mit den Inhalten, derer sich die Positive Psychologie aus wissenschaftlicher Perspektive annimmt, zweifelsohne älter ist.

      4. Es kommt hinzu, und dieses Argument ist hoch relevant, dass der Terminus Positive Psychologie zunehmend mehr zu einem Sammelbegriff geworden ist, der viele unwissenschaftliche Vertreter angezogen hat. Zahlreiche Esoteriker, selbsternannte Gurus und andere Erkenntnismonopolisten greifen ohne wissenschaftliche Auseinandersetzung auf den Begriff Positive Psychologie zurück und beanspruchen diesen ebenso für sich. Damit wird der Begriff verwässert. Denn nicht jeder Rezipient ist wissenschaftlich geschult und kann zwischen theoretisch fundierter, empirischer psychologischer Forschung und esoterischen Behauptungen oder Pseudowissenschaft unterscheiden.

      5. Die Definitionen der untersuchten Konzepte sind häufig nicht eindeutig (Beispiel „happiness“), und vielfach werden Begriffe synonym verwendet.

      Aus Gründen wie den hier genannten und natürlich weiteren wird vielfach diskutiert, ob es einen solchen Terminus und noch weitergehend die Subdisziplin Positive Psychologie überhaupt braucht. Gable und Haidt (2005) halten in ihrer Analyse zu der Frage, warum es diese Wissenschaft gibt, fest, dass sie sehr wahrscheinlich einfach ein Bedürfnis erfüllt hat: als eine Anleitung für WissenschaftlerInnen nämlich, sich bislang zu wenig erforschten Inhalten zu widmen. Sie fügen ihre Sicht auf die Entwicklung der Positiven Psychologie hinzu:

      „If the positive psychology movement is successful in rebalancing psychology and expanding its gross academic product, it will become obsolete.“ (Gable & Haidt, 2005, S. 104).

      Diese Aussage stammt aus dem Jahr 2005. Bislang lassen die positiv psychologischen Entwicklungen jedoch keinen Abschwung der Forschungsbestrebungen erkennen. Das Gegenteil scheint vielmehr der Fall zu sein, blickt man auf die zunehmende Anzahl an Publikationen, Konferenzen und Instituten.

      Literatur

      Für einen kompakten Überblick über die Entwicklung und auch zur Kritik an der Positiven Psychologie eignet sich der Artikel „What (and why) is Positive Psychology?“ von Shelly Gable und Jonathan Haidt (2005), erschienen in Review of General Psychology. Für eine kritische Auseinandersetzung sei auf die Artikel „The negative side of Positive Psychology“ von Barbara Held (2004), erschienen im Journal of Humanistic Psychology, sowie „Myths of Positive Psychology“ von Fernández-Ríos und Vilarino (2016), erschienen in den Psychologist Papers verwiesen.

      Ziele

      Das Ziel der Positiven Psychologie besteht nicht in der Verleugnung aversiver Zustände oder der Betrachtung von Negativem mit einer die Dinge verschönernden Brille. Es geht vielmehr um die Beleuchtung der bis heute zu wenig erforschten positiven Inhalte, wie etwa Freude, Altruismus oder gesunde Familienstrukturen, um damit das gesamte Spektrum menschlicher Erfahrungen zu betrachten (Gable & Haidt, 2005). Dabei wird den Forschungsgegenständen eine eigenständige, objektive Relevanz zugeschrieben, wodurch diese nicht nur als Puffer gegen negative Einflüsse oder Probleme erachtet werden. Unabhängig davon sprechen natürlich zahlreiche Forschungsergebnisse dafür, dass positive Prozesse einen protektiven und positiven Effekt haben. Auf die Frage, was Positive Psychologie ist, antworten Sheldon und King (2001, S. 216):

      „It is nothing more than the scientific study of ordinary human strengths and virtues. Positive Psychology revisits ‘the average person’, with an interest in finding out what works, what is right, and what is improving. It asks, ‘What is the nature of the effectively functioning human being, who successfully applies evolved adaptations and learned skills? And how can psychologists explain the fact that, despite all the difficulties, the majority of people manage to live lives of dignity and purpose?"

      Shelden und King (2001) führen hierzu weiter aus – und diese Perspektive mag unter anderem den Diskurs befeuern, den die boomende Entwicklung der Positiven Psychologie seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts entstehen ließ:

      „As such, we argue that positive psychology is simply psychology. That is, just as other natural and social sciences try to describe the typical structure and natural functioning of their topics of interest, so should psychology“ (S. 216).

      Dieser Ansatz führt vor Augen, dass die Psychologie zumindest bis heute, relativ betrachtet, zu wenig Gewicht auf das gelegt hat, was als typisch oder normal erachtet wird. Ferner wird hierdurch das Diskussionspotenzial offensichtlich, das die Positive Psychologie, die sich als eigene (Sub-)Disziplin versteht, mit sich bringt. So lange dieses Ungleichgewicht jedoch besteht, findet sich ein begründetes Argument für diese Ausrichtung als eigenständige Entität. Damit ist nicht ausgeschlossen und vielmehr angestrebt, dass die Gegenstände der Positiven Psychologie in Zukunft zunehmend auch von anderen Ausrichtungen aufgenommen werden und es hier zu größeren Schnittmengen kommt.

      Ruch und Proyer (2011) halten diesbezüglich fest, dass von verschiedenen Orten argumentiert wird,

      „dass das endgültige Ziel der Positiven Psychologie ist, sich selbst wieder überflüssig zu machen. Das wäre dann erreicht, wenn es in der Psychologie selbstverständlich wird, dass Forschung zu positiven und negativen Bereichen des Lebens gleich wichtig nebeneinanderstehen“ (S. 69).

      Literatur

      Einen gut zu lesenden und kurzen Einstieg in die Grundlagen der Positiven Psychologie bietet der Artikel von Ruch und Proyer (2011) „Positive Psychologie: Grundlagen, Forschungsthemen und Anwendungen.“ Report Psychologie, 36, 60–70.

      Begriffe

      Definitionen der Positiven Psychologie finden sich einige in der wissenschaftlichen Literatur. Gemeinhin kommen diese in folgendem Inhalt überein:

      Positive Psychologie ist die Wissenschaft der Bedingungen und Prozesse, die zur optimalen Entwicklung und Funktionieren von Menschen, Gruppen und Institutionen beitragen (Gable & Haidt, 2005, S. 103).

      Definition

      Die Positive Psychologie ist die wissenschaftliche Untersuchung des Erlebens und Verhaltens in Bezug auf positive Aspekte des menschlichen Lebens. In diesem Ansatz werden Faktoren untersucht, die zu einem gelingenden und erfüllten Leben beitragen, die die Persönlichkeitsentwicklung und das subjektive Wohlbefinden positiv beeinflussen.

      In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen von „happiness“ (siehe für eine Übersicht Cropanzano & Wright, 2001). Cropanzano und Wright (2001) halten fest (wie auch bereits Diener, 1984), dass das konzeptuelle Verständnis von „happiness“ überwiegend kongruent ist. Das Problem, so die Autoren, liege in der Verwendung unterschiedlicher operativer Definitionen und damit der variierenden Operationalisierung von „happiness“.

      Definition

      Operationalisierung steht für die Messbarmachung eines Konstruktes (z.B. Intelligenz). Hierdurch wird festgelegt, mit welchem Messinstrument die empirischen Merkmalsausprägungen erhoben werden.

      In den meisten wissenschaftlichen Arbeiten zu „happiness“ finden sich drei Komponenten (Cropanzano & Wright, 2001; Diener, 1984):

      1. „Happiness“ wird subjektiv erlebt (Diener, 1994; Diener, Sandvik, Seidlitz & Diener, 1993; Parducci, 1995). „People are happy to the extent that they believe themselves to be happy“ (Cropanzano & Wright, 2001, S. 183).

      2. „Happiness“ beinhaltet die relative Präsenz positiver Emotionen und die relative Abwesenheit negativer Emotionen (z.B. Angst) (Argyle, 1987; Diener & Larsen, 1993; Warr, 1990).

      3. „Happiness“ ist ein allgemeines Urteil: Es bezieht sich auf das Leben im Ganzen (z.B. Diener, 1984).

      Die Zufriedenheit eines Menschen ist vor allem durch kognitive Aspekte beeinflusst während das Glück durch affektive Einflüsse festgelegt ist (Diener, 1993; Diener, Suh, Lucas, & Smith, 1999).

      Ein weiterer Grund für die Begriffsproblematik liegt darin, dass es sich bei der Positiven Psychologie um eine internationale Disziplin mit der Wissenschaftssprache


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