Wer macht was im Gottesdienst?. Liborius Olaf Lumma

Wer macht was im Gottesdienst? - Liborius Olaf Lumma


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bzw. am Beginn eines Kapitels werde ich die behandelten kirchlichen Ämter zunächst in der grammatisch weiblichen und in der grammatisch männlichen Form ausweisen, es sei denn, das betreffende Amt ist ausschließlich Männern vorbehalten. Anschließend verwende ich das generische Maskulinum und folge damit jenem Befund der historischen Sprachwissenschaft, wonach das grammatische Geschlecht vom biologischen oder sozialen Geschlecht zu unterscheiden ist. Anders gesagt: Nur weil ein Wort grammatisch männlich ist und womöglich auf -er endet, impliziert es weder das männliche biologische Geschlecht noch drückt es irgendwelche typisch männlichen Eigenschaften oder Charakterzüge aus (es ist „unmarkiert“). Der Ausdruck der Lektor oder der Kommunionhelfer hat demnach genauso viel und genauso wenig mit dem Mann-Sein zu tun wie der Schraubenzieher oder der Wäschetrockner, auch die Pluralformen Katholiken oder Christen beziehen sich gleichermaßen auf Frauen, Männer und Kinder. Vor allem verwende ich das generische Maskulinum bei Zusammensetzungen wie Kantorendienst oder Lektorengruppe.

      Wenn ich konkrete Beispiele benenne, werde ich mehrheitlich die („markierte“) grammatisch weibliche Form verwenden, zum Beispiel: „Eine Organistin soll ihre Kompetenzen schon bei der langfristigen Vorbereitung von Liturgien einbringen.“ Auf diese Weise nehme ich den Befund der feministischen Sprachwissenschaft ernst, wonach grammatisch männliche Formen – spätestens seit es in der deutschen Sprache üblich wurde, zu jeder männlichen Personenbezeichnung auch eine weibliche Form zu kreieren (in der Regel durch die Anfügung -in) – eher Bilder von biologisch männlichen Wesen aufsteigen lässt, was dazu führen kann, dass Frauen als begründungspflichtiger Ausnahmefall erscheinen.

      Diese Vorgehensweise habe ich eng angelehnt an die Vorschläge von Dr. Anette Nagel, die sie auf ihrer gemeinsam mit Petra Oerke betriebenen Website www.contexta.de veröffentlicht und begründet hat.

      Mir war wichtig, ständige Doppelnennungen zu vermeiden, die vor allem bei längeren Auflistungen die Lesbarkeit dieses Buches erheblich erschwert hätten. Außerdem wollte ich auf neue Formen des gegenderten Schreibens wie LektorInnen, Lektor*innen oder Lektor:innen verzichten, weil diese den derzeitigen deutschen Rechtschreibregeln nicht entsprechen, Menschen anderer Muttersprache das Erlernen und Schreiben des Deutschen erschweren und weil (noch) keine Konvention existiert, wie man diese Formen aussprechen soll, spätestens wenn man zu der Form jedeR oder der:m und den Herausforderungen kommt, die solche Schreibweisen für Vorleseprogramme für Blinde mit sich bringen. Mein Buch sollte aber gut und zweifelsfrei vorlesbar sein.

      Mein Dank gilt dem Verlag Friedrich Pustet, besonders dem Lektor Dr. Rudolf Zwank, der diesem Buchprojekt von Beginn an positiv gegenüberstand und durch seine gewohnt detailgenaue Arbeit die Publikation unterstützt hat.

       1 Rollenspiele, Macht und Drehbücher –

      eine Annäherung an den katholischen Gottesdienst

       Gottesdienst als Rollenspiel

      Katholische Liturgien sind eine höchst rätselhafte Angelegenheit.

      Führende Amtsträger der katholischen Kirche werden nicht müde zu betonen, dass die Liturgie das Zentrum des Katholizismus bildet. Andererseits ist offenkundig (und niemand leugnet es), dass nur eine Minderheit der Katholiken regelmäßig an kirchlichen Ritualen teilnimmt. Regionen mit einer sonntäglichen Gottesdienstbeteiligung im niedrigen einstelligen Prozentbereich sind nicht selten. An Werktagen verlieren sich ohnehin nur ganz wenige Menschen in die Kirchen.

      Außenstehende erleben katholischen Gottesdienst als eine Ansammlung von Verhaltensmustern, von denen nur wenige selbsterklärend sind: Gesten mit Armen, Händen und Fingern; unterschiedliche Körperhaltungen; gesprochene Worte, viele Halbsätze und einige längere Texte, die von den „Eingeweihten“ auswendig beherrscht werden; gemeinsam gesungene Lieder; manchmal auch von einer Einzelperson in einer Art Singsang vorgetragene Texte; spezielle Kleidungsstücke, die aber nur von einigen wenigen getragen werden.

      Das alles geschieht in einem eigens für den Kult hergerichteten Raum, der in aller Regel eine sofort erkennbare Gliederung in verschiedene Bereiche aufweist und an das Gegenüber von Theaterbühne und Zuschauerraum erinnert. Dieser Raum hat unsichtbare Schwellen, die die Eingeweihten nicht oder nur zögernd und dann mit besonderer Energie oder mit theatralischer Gestik überschreiten.

       Ernsthaftigkeit, Authentizität und Geschlechter

      Beobachtet man die Eingeweihten dabei, wie sie ein solches Zeremoniell vorbereiten oder wie sich nach dessen Abschluss lautstark darüber unterhalten, stellt man fest, dass es sich bei diesem merkwürdigen Spiel offenbar um eine todernste Sache handelt, an der sich Richtungsstreitigkeiten in der katholischen Kirche ebenso festmachen lassen wie die moralische Zuverlässigkeit der handelnden Personen.

      Dieses Buch will versuchen, in einen zentralen Aspekt der katholischen Liturgie einzuführen, nämlich in die handelnden Personen und die Rollen, die sie im Zeremoniell einnehmen. Unterschiedliche Personen haben im Ritual unterschiedliche Aufgaben. Einige dieser Aufgaben scheinen dabei nahezu beliebig und spontan einzelnen Frauen, Männern, Kindern, sogar nichtkatholischen Gästen zugewiesen werden zu können, andere aber gehören exklusiv bestimmten Personen ein Leben lang, und diese letzteren sind offenkundig ausschließlich Männer.

      Manche scheuen im Zusammenhang der Liturgie den Begriff Rollen, weil er ihnen zu sehr danach klingt, dass man hier nur etwas „spielt“. Im Theater kann ich einen Richter, einen Gärtner oder einen Mörder darstellen, ohne selber einer zu sein, aber geht es im Christentum nicht vielmehr darum, authentisch zu sein, kein „falsches Spiel zu spielen“ und niemandem etwas vorzumachen?

       Rollen im menschlichen Leben

      Entgegen diesem Eindruck möchte ich am Begriff der Rolle festhalten. Menschliches Leben ist gar nicht anders vorstellbar als durch das Einnehmen verschiedener Rollen. Eine Rolle ist nichts Falsches oder Schlechtes. Der Begriff bringt zum Ausdruck, dass sich Menschen je nach Situation unterschiedlich verhalten, insbesondere in Beziehung zu anderen Menschen. Wir sind soziale Wesen, interagieren mit anderen Menschen und je nach Situation sind von uns unterschiedliche Verhaltensweisen verlangt. Eltern verhalten sich gegenüber ihren eigenen Kindern anders als gegenüber fremden Kindern. Für ihre eigenen Kinder sind sie in der Rolle der Eltern, für andere Kinder aber in der Rolle von Nachbarn, Verwandten, Erziehern oder einfach nur von zufälligen Fremden auf der Straße. Im komplexen Gefüge einer Gesellschaft mit ihren ausgesprochenen und unausgesprochenen Regeln verlangt jede Rolle andere Verhaltensweisen: Was für Eltern moralische und gesetzliche Pflicht ist, kann für Fremde verwerflich und strafbar sein.

       Macht der Vereinsvorsitzenden – Macht der Mitglieder

      Nehmen wir das Beispiel der Jahreshauptversammlung eines Vereins. Die Vereinsvorsitzende nimmt einen besonderen Platz ein, zum Beispiel am Kopf eines Tisches, oder vielleicht auch zentral auf einer Bühne in einem großen Saal. Sie muss bestimmte Tagesordnungspunkte abwickeln, zum Beispiel die Moderation der Sitzung, die Vorstellung des Rechenschaftsberichts des Vorstands oder die Ehrung verdienter Mitglieder.

      Eines Tages gibt die Vorsitzende ihr Amt ab. Ab diesem Moment nimmt sie einen Platz mitten unter den anderen Mitgliedern ein. Würde sie bei der nächsten Jahreshauptversammlung beginnen, die Sitzung zu moderieren, wäre das eine erhebliche Störung. Womöglich würde die Sitzung in Chaos ausbrechen und in der Folge die Gerichte beschäftigen. Anstatt den Rechenschaftsbericht vorzutragen, hat die Ex-Vorsitzende nun eine völlig andere Aufgabe: Sie gibt ihre Stimme ab, um den neuen Vorstand rechtsgültig zu entlasten oder ihm die Entlastung zu verweigern. Diese Zuständigkeit hatte sie nicht, als sie noch selbst Vorsitzende war.


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