Baurecht Baden-Württemberg. Christoph Wassermann
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Der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG kommt die Aufgabe zu, dem Grundrechtsträger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch die eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen.[2]
Nach h.M. gewährleistet Art. 14 Abs. 1 GG eine grundrechtliche Baufreiheit, d.h. das Recht, Grund und Boden baulich zu nutzen.[3] Zum Inhalt des Eigentums zählt daher auch die Möglichkeit der baulichen Nutzung.[4] Hierfür lässt sich anführen, dass das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum durch Privatnützigkeit gekennzeichnet ist.[5] Dies bedeutet zunächst, dass das Eigentum einem Rechtsträger zugeordnet ist, in dessen Hand es als Grundlage privater Initiative und eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein soll, sowie des Weiteren, dass eine grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand besteht.[6] Geschützt wird nicht nur der Bestand des Eigentums, sondern auch die Gewährleistung der grundsätzlich freien Nutzungs- und Verfügungsbefugnis.[7] Insbesondere das Grundeigentum lässt sich nicht losgelöst von der Möglichkeit den Boden zu nutzen und Erträge aus dem Eigentum zu ziehen sehen. Die bauliche Nutzbarkeit ist essentieller Bestandteil des Eigentums.[8]
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Bei dieser grundrechtlich gewährleisteten Freiheit handelt es sich jedoch nur um eine sog. potenzielle Baufreiheit: Bei Vorliegen der einfachgesetzlichen Voraussetzungen hat der Einzelne ein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Recht, sein Grundstück zu bebauen (vgl. § 58 Abs. 1 S. 1 LBO).
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Dies folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG, einem Grundrecht mit normgeprägtem Schutzbereich. Grundrechte mit einem normgeprägten Schutzbereich sind dadurch gekennzeichnet, dass deren Schutzbereich einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung und Konkretisierung bedarf (s. auch Rn. 38). Im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG legt der einfache Gesetzgeber fest, was Inhalt und Schranken des Eigentums sind und definiert dadurch für die Zukunft das Eigentum neu. In dogmatischer Hinsicht handelt es sich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Die durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Baufreiheit besteht somit nur nach Maßgabe und im Rahmen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung.[9]
JURIQ-Klausurtipp
Aus diesem Grund dürfen Sie im Rahmen der Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, z.B. bei einer Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung, nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG abstellen. Im Baurecht kann sich die Klagebefugnis grundsätzlich immer nur aus einfachgesetzlichen Vorschriften ergeben (s. auch Rn. 663).
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts › C. Verfassungsrechtliche Grundlagen › II. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG
II. Kommunale Selbstverwaltungsgarantie, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG
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Im Bereich der kommunalen Bauleitplanung ist Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG von Bedeutung. Das Recht der örtlichen Bauleitplanung ist den Gemeinden durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verfassungsrechtlich garantiert. Nach dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird den Gemeinden das Recht gewährleistet, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Hiermit wird das Prinzip der Allzuständigkeit für die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft normiert, ohne dass es hierfür einer besonderen Aufgabenzuweisung bedarf (sog. Verbandskompetenz).[10] Die zentrale Norm dieser Ausprägung ist § 2 Abs. 1 S. 1 BauGB, wonach die Gemeinden die Bauleitpläne (vgl. § 1 Abs. 2 BauGB) in eigener Verantwortung aufzustellen haben.
Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft sind alle Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben.[11]
Die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft lassen sich nicht abschließend festlegen. Die typischen Aufgaben der Gemeinden können jedoch unter den Gemeindehoheiten zusammengefasst werden. Eine dieser Gemeindehoheiten ist die Planungshoheit.[12] Diese gewährleistet den Gemeinden alle auf ihrem Gemeindegebiet anfallenden örtlichen Planungsaufgaben eigenverantwortlich im Rahmen ihrer Zuständigkeit wahrzunehmen.[13]
Hinweis
Einschränkungen der gemeindlichen Planungshoheit ergeben sich aus den §§ 203 ff. BauGB. Diese Vorschriften haben jedoch eine nur sehr geringe Prüfungsrelevanz, so dass auf diese nicht eingegangen wird.
Wegen des Spannungsverhältnisses zwischen der Planungshoheit der Gemeinde gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG einerseits und der Baufreiheit gemäß Art. 14 Abs. 1 GG sowie der Rechtsschutzgarantie des Bauherrn gemäß Art. 19 Abs. 4 GG andererseits, sind Abwägungsentscheidungen im Rahmen des Abwägungsgebotes des § 1 Abs. 7 BauGB auf Fehler im Abwägungsergebnis nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar (s.u. Rn. 146 ff., 199).
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts › C. Verfassungsrechtliche Grundlagen › III. Gesetzgebungskompetenzen
III. Gesetzgebungskompetenzen
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Seit dem von Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich akzeptierten Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts[14] wird die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers im Hinblick auf das Bauplanungs- bzw. Städtebaurecht als grundsätzlich geklärt angesehen. Einschlägig ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG als Titel der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes.
Unter Bodenrecht sind sämtliche nicht privatrechtlichen Regelungen zu verstehen, nach denen sich die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu Grund und Boden bestimmen.[15]
Der Bund ist zuständig für die städtebauliche Planung, die Um- bzw. Zusammenlegung von Grundstücken, die Bodenbewertung, die Erschließung von Grundstücken sowie für den Bodenverkehr.[16]
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Die Landesgesetzgeber sind daher nach dem Grundsatz der Länderzuständigkeit gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 GG, wobei Art. 70 Abs. 1 GG im Verhältnis zu Art. 30 GG lex specialis ist,[17] zunächst für das Bauordnungsrecht, d.h. das Bodenrecht, das auf die Sicherheit und Gestaltung der Einzelanlage bezogen ist, sowie für das überörtliche und nicht bodennutzungsorientierte Raumordnungs- und Landesplanungsrecht zuständig.
Anmerkungen
S. vertiefend Ennuschat/Ibler/Remmert-Remmert Öffentliches