Baurecht Baden-Württemberg. Christoph Wassermann
wegen einer Änderung der Rechtslage nicht mehr neu errichtet werden dürfte.[7] Die Anlage ist aufgrund des Bestandsschutzes hierdurch vor bauaufsichtlichen Maßnahmen (s.u. Rn. 510 ff.) geschützt, die wegen einer Änderung der Rechtslage ergehen dürften. Baurechtlicher Bestandsschutz ist gegeben, wenn und weil eine schutzwürdige und materiell legale Eigentumsausübung vorliegt.[8]
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts › E. Bestandsschutz › II. Die zwei Arten des baurechtlichen Bestandsschutzes
II. Die zwei Arten des baurechtlichen Bestandsschutzes
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Es existieren zwei Arten des baurechtlichen Bestandsschutzes, der aktive und der passive Bestandsschutz.[9]
1. Passiver Bestandsschutz
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Die passive, d.h. abwehrende, Funktion besteht darin, dass das Recht gewährt wird, den vorhandenen baulichen Bestand in seiner geschützten Form ungestört nutzten zu können.[10] Passiver Bestandsschutz ist primär ein Bestandsnutzungsschutz.[11] Dies bedeutet, dass das bereits Vorhandene geschützt wird. Bauaufsichtliche Maßnahmen dürfen daher nicht ergehen. Ein Anspruch auf Genehmigung einer vormals materiell legalen Anlage besteht ebenso wenig, wie ein Anspruch auf Änderung einer ausgeübten Nutzung bzw. auf eine Erweiterung oder einen Ersatzbau.
2. Aktiver Bestandsschutz
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Durch den aktiven Bestandsschutz kann dem Eigentümer das Recht zukommen, eine vormals baurechtlich legale bauliche Anlage auch nach Eintritt der Änderung der Rechtslage in ihrer Nutzung zu ändern, sie zu erweitern bzw. einen Ersatzbau zu errichten.[12]
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts › E. Bestandsschutz › III. Grundlagen des Bestandsschutzes
III. Grundlagen des Bestandsschutzes
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Das Institut des Bestandsschutzes wurde ursprünglich vom Bundesverfassungsgericht aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG entwickelt.[13] Der Grund für die Entwicklung wurde darin gesehen, dass vom Eigentumsschutz maßgeblich der Bestandsschutz umfasst ist. Eine bauliche Anlage, die in der Vergangenheit dem materiellen Recht entsprach, genießt daher den Schutz durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, da sie nicht im Widerspruch zu der gesetzlichen Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des Eigentums steht. Im Falle eines Entzugs dieser Rechtsposition sei dann eine Enteignung oder zumindest ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsfreiheit gegeben.
Die Ableitung des Bestandsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 GG wurde dann jedoch vom Bundesverwaltungsgericht aufgegeben, da sich der Schutzbereich der Eigentumsgarantie aus der Bestimmung des Inhalts und der Schranken ergibt, deren Ausgestaltung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber obliegt.[14] Dies hat zur Folge, dass außerhalb bestehender gesetzlicher Regelungen kein Bestandsschutz existiert.[15]
Hinweis
In den Konstellationen des aktiven Bestandsschutzes, in denen eine bauliche Anlange zum Zwecke einer Nutzungsänderung, Erweiterung oder eines Ersatzbaus einer Genehmigung bedürfen, ist ein Bestandsschutz unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG abzulehnen.
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts › E. Bestandsschutz › IV. Voraussetzungen und Grenzen des passiven Bestandsschutzes
IV. Voraussetzungen und Grenzen des passiven Bestandsschutzes
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Erste Voraussetzung für den passiven baurechtlichen Bestandsschutz ist, dass eine schutzwürdige und legale Eigentumsausübung gegeben ist.[16]
Einigkeit herrscht bezüglich der Beurteilung, dass eine formell legale, d.h. genehmigte, Anlage Bestandsschutz ungeachtet ihrer materiellen Rechtmäßigkeit, d.h. ihrer materiellen Legalität, genießt, da die legalisierende Wirkung der Baugenehmigung fortwirkt, solange diese nicht aufgehoben wurde.[17]
Uneinigkeit herrscht hingegen hinsichtlich der Beurteilung der Frage, ob einer formell illegalen Anlage wegen einer zwischenzeitlich gegebenen materiellen Legalität, d.h. der Übereinstimmung mit den materiell-baurechtlichen Vorschriften, Bestandsschutz zukommt. Da diese Frage im Rahmen der Prüfung von bauordnungsrechtlichen Eingriffsverfügung Bedeutung zukommt, wird sie dort dargestellt (s. Rn. 520 ff.).
Zum Zweiten gilt, dass der Bestandsschutz beginnt, wenn die Anlange im Wesentlichen fertig gestellt ist und endet, wenn die Anlage nicht mehr oder nur noch aus nicht mehr nutzbaren Teilen besteht.[18]
Die erste Grenze des passiven Bestandsschutzes besteht darin, dass noch eine schutzwürdige Substanz bzw. deren Nutzung gegeben sein muss. Sollten Anlangen verfallen sein, ist kein passiver Bestandsschutz mehr gegeben.
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Eine zweite Grenze ist erreicht, wenn eine endgültige Nutzungsaufgabe vorliegt.
Die Frage, wann eine endgültige Nutzungsaufgabe gegeben ist, wird uneinheitlich beantwortet.
Da § 62 LBO nur die Errichtung eines Bauvorhabens betrifft kann diese Vorschrift keine Anwendung finden. Daher ist für die Geltungsdauer einer Baugenehmigung § 43 Abs. 2 LVwVfG maßgeblich, wonach ein Verwaltungsakt u.a. so lange wirksam bleibt, bis er sich auf sonstige Weise erledigt. Eine derartige Erledigung ist gegeben, wenn die bisherige Nutzung völlig aufgegeben wurde und eine neue Nutzung aufgenommen wird.[19] Wird hingegen lediglich eine bisherige Nutzung, ohne dass eine neue andersartige Nutzung aufgenommen wird, beendet, so muss dem Eigentümer eine gewisse Überlegungszeit eingeräumt werden,[20] weil es in derartigen Konstellationen noch offen ist, ob die bisherige Nutzung wieder aufgenommen wird oder aber eine andere Nutzung erfolgen soll.[21]
Das Bundesverwaltungsgericht stellte früher[22] auf das im Rahmen des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB entwickelte Zeitmodell (s. hierzu Rn. 387) ab und vertrat, dass der durch die Baugenehmigung vermittelte Bestandsschutz entfalle, wenn ein Gebäude mehr als zwei Jahren nicht genutzt wird.[23] Anwendung fand das Zeitmodell (s. Rn. 387).
Überwiegend wird eine Anwendung des Zeitmodells abgelehnt.[24] Hierfür wird angeführt, dass das im Baurecht keine Rechtspflicht zur entsprechenden Nutzung eines genehmigten Baubestandes bestehe.[25] Daher könne allein aufgrund einer – auch länger andauernden – Nutzungsunterbrechung nicht davon ausgegangen werden, dass das Gebäude mit der ihm zugedachten (Nutzungs-)Funktion nicht mehr bestehe und das Regelungsobjekt der Baugenehmigung weggefallen sei.[26] Ferner beziehe sich das Zeitmodell auf den materiell-rechtlichen