Baurecht Baden-Württemberg. Christoph Wassermann
lange eine Baugenehmigung nach Aufgabe der genehmigten Nutzung wirksam bleibt zu unterscheiden sei.[27]
Daher wird teilweise auf die landesrechtlichen Regelungen abgestellt.[28] Hiergegen spricht jedoch, dass die Geltungsdauer einer Baugenehmigung bei einer Unterbrechung der Bauarbeiten nach § 62 Abs. 1 LBO auf ein Jahr reduziert wurde.[29] Der VGH Baden-Württemberg stellt auf die Umstände des Einzelfalls ab und fordert die unzweifelhafte und unmissverständliche Erklärung des Verzichtswillens.[30] Hiergegen wird jedoch eingewandt, dass dies zu einer Rechtsunsicherheit führe.[31]
2. Teil Grundlagen des öffentlichen Baurechts › E. Bestandsschutz › V. Voraussetzungen und rechtliche Zulässigkeit des aktiven Bestandsschutzes
V. Voraussetzungen und rechtliche Zulässigkeit des aktiven Bestandsschutzes
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Der aktive Bestandsschutz eröffnet, im Gegensatz zum passiven Bestandsschutz, der darauf abzielt Eingriffe in einen vorhandenen Bestand abzuwehren, die Möglichkeit der Veränderung und Erweiterung des vorhandenen Bestandes.[32] Der aktive Bestandsschutz kann daher als Anspruchsgrundlage für die Genehmigung baulicher Anlagen dienen.
Es ist zwischen dem einfach-aktiven und dem qualifiziert-aktiven Bestandsschutz zu unterscheiden.
1. Einfach-aktiver Bestandsschutz
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Der einfach-aktive Bestandsschutz umfasst Erhaltungsmaßnahmen in Form von Instandsetzungs-, Instandhaltungs-, Reparatur- und Unterhaltungsmaßnahmen.[33] Der Eigentümer wird in die Lage versetzt, an einer rechtmäßig errichteten Anlage die zur Erhaltung und zeitgemäßen Nutzung notwendigen Maßnahmen durchzuführen.[34] Erfasst sind daher auch Modernisierungsarbeiten, die aufgrund des modernen Wohnungsbaus und der gewandelten Lebensgewohnheiten notwendig erscheinen.[35]
Beispiel
Eine zulässige Modernisierungsmaßnahme stellt der Bau von Stellplätzen und Garagen für Kraftfahrzeuge dar.
Ein einfach-aktiver Bestandsschutz ist jedoch nur dann gegeben, wenn die Maßnahmen bestandserhaltender Art sind.[36]
Beispiele
Folgende Maßnahmen sind nicht mehr bestandserhaltender Art:
• | Der Umfang der Maßnahme kommt einem Neubau gleich oder ist noch umfänglicher[37] |
• | Ein Umbau der eine statische Neuberechnung erfordert[38] |
Weiterhin muss die Identität des wiederhergestellten mit dem ursprünglichen Bauwerk gegeben sein.[39] Dies bedeutet, dass Standort, Bauvolumen und Zweckrichtung nicht geändert werden dürfen.
2. Qualifiziert-aktiver Bestandsschutz
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Der qualifiziert-aktive Bestandsschutz umfasst Maßnahmen, die nicht mehr nur bestandserhaltend, sondern vielmehr bestandserweiternd sind.[40] Umfasst ist auch der Ersatzbau für ein zuvor zerstörtes Gebäude.
Lesen Sie § 35 Abs. 4 BauGB.
Hinweis
Ist eine einfach-gesetzliche Regelung nicht gegeben, so ist ein qualifiziert-aktiver Bestandsschutz, da er nicht mehr unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG hergeleitet wird, ausgeschlossen.[41]
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Daher besteht ein verfassungsunmittelbarer Bestandsschutz in Form des Instituts der verfassungskräftig verfestigten Anspruchsposition, der darauf gerichtet war, die Wieder- oder Neuerrichtung baulicher Anlagen zu ermöglichen, die nach geltendem Recht unzulässig sind,[42] nicht mehr.[43] Ebenso wenig existiert ein erweiterter Bestandsschutz, der die Neuerrichtung einer baulichen Anlage ermöglichte, wenn diese nur nach Durchführung der Maßnahme bestimmungsgemäß weitergenutzt werden konnte.[44]
Der Gesetzgeber hat für den nicht beplanten Außenbereich in § 35 Abs. 4 BauGB eine derartige einfachgesetzliche Regelung (s. hierzu Rn. 381 ff.) getroffen.
Anmerkungen
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 691.
BVerwGE 36, 296, 300; BVerwGE 42, 8, 13.
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 691 m.w.N.
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 692.
Zum immissionsschutzrechtlichen Bestandsschutz vgl. Schmidt/Kahl/Gärditz Umweltrecht § 7 Rn. 115 ff.
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 701.
BVerwGE 47, 126, 128.
BVerwGE 36, 296, 300; BVerwGE 42 8, 13; BVerwGE 47, 126, 128.
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 651.
BVerwGE 25, 161, 162.
BVerwGE 42, 30, 39; BVerwGE 60, 296, 300.
Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 712.
BVerfGE 36, 296 (300); 42, 8 (13); 47, 126, (128).
BVerwGE 106, 228.
BVerwGE 106, 228; a.A. Sieckmann NVwZ 1997, 853.
Brenner