BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
bedeutet im Einzelnen: Auszugehen ist von der gewöhnlichen, d. h. der üblichen oder gängigen Verwendung einer Sache im Verkehr. Maßstab für das Vorliegen eines Mangels ist dann diejenige Beschaffenheit der Sache, die bei Sachen gleicher Art, d. h. bei Sachen mit demselben Verwendungszweck üblich ist und die der Käufer infolgedessen nach der Art der Sache und der Werbung des Verkäufers oder des Herstellers erwarten darf. Zu denken ist hier in erster Linie an im Verkehr üblicherweise nach Gattungsmerkmalen bestimmte Gebrauchsgegenstände, bei denen sich folglich, kurz gesagt, der Maßstab für das Vorliegen eines Mangels aus dem üblichen Verwendungszweck und der Beschaffenheit von Sachen gleicher Art und Güte ergibt (vgl § 243 Abs. 1), während es auf die konkreten Vorstellungen des Käufers hier nicht ankommt[52]. Die praktische Bedeutung dieses Tatbestandes liegt vor allem in der Ausdehnung des Vergleichsmaßstabs auf öffentliche Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers und ihrer Gehilfen in der Werbung oder bei der Kennzeichnung der Ware über bestimmte Eigenschaften der Sache (§ 434 Abs. 1 S. 3 HS 1), sodass der Verkäufer im Ergebnis auch für solche Äußerungen Dritter im Rahmen der §§ 434 ff einstehen muss. Denn solche Werbung beeinflusst, wenn sie ernst gemeint ist, maßgeblich den Erwartungshorizont der Käufer, sodass sie den Vergleichsmaßstab konkretisiert, an dem sich die verkauften Sachen messen lassen müssen. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn einer der Ausnahmetatbestände des § 434 Abs. 1 S. 3 HS 2 vorliegt, für die jedoch der Verkäufer die Beweislast trägt, sodass sie nur selten eingreifen werden[53].
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Die Folge ist z. B., dass bei Kraftfahrzeugen, solange die Parteien nichts anderes vereinbart haben, auf den allgemeinen Stand der Technik als Maßstab abzustellen ist. Entspricht das Fahrzeug diesem Standard, so ist es auch dann nicht mangelhaft, wenn der Stand der Technik hinter den Erwartungen des Käufers zurückbleibt und die Benutzung des Fahrzeugs infolgedessen in den Augen des Käufers mit gewissen Unbequemlichkeiten verbunden ist[54]. Ein Fahrzeug ist dagegen mangelhaft, wenn seine Leistungen nicht dem genannten Standard entsprechen[55]. So verhält es sich z. B., wenn die Kupplung eines Fahrzeugs ständig hängen bleibt, so dass ein problemloser Betrieb des Fahrzeugs nicht mehr möglich ist.[56] Handelt es sich um gebrauchte Sachen, so ist Vergleichsmaßstab die gewöhnliche Beschaffenheit gebrauchter Sachen mit demselben Verwendungszweck, sodass der übliche Verschleiß gebrauchter Sachen auch nicht als Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr 2 qualifiziert werden kann[57]. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere Alter und bisherige Laufleistung des Fahrzeugs, die Anzahl der Vorbenutzer und die Art der Vorbenutzung sowie die darauf beruhenden durchschnittlichen Erwartungen des Verkehrs, während es auf die Erwartungen des einzelnen Käufers hier nicht ankommt.[58] Eine längere Standzeit vor der Erstzulassung oder eine spätere längere Stilllegung stellen deshalb für sich genommen bei einem Gebrauchtwagen noch keinen Mangel dar, solange das Fahrzeug keine zusätzlichen Schäden infolge der Stilllegung erlitten hat[59]. Ein Mangel ist dagegen bei allen mehr als nur ganz geringfügigen Unfallschäden anzunehmen[60].
5. Montagemängel
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Eine weitere Ausdehnung erfährt die Sachmängelhaftung des Verkäufers durch § 434 Abs. 2 S. 1, der den häufigen Fall des Kaufvertrages mit Montagepflicht des Verkäufers regelt. In diesem Fall ist ein Sachmangel auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage der Sache durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt wurde (u. Rn 26). Der Begriff der Montage ist in § 434 Abs. 2 weit auszulegen; er umfasst sämtliche Handlungen, die dem Käufer die Nutzung der Kaufsache ermöglichen sollen einschließlich insbesondere des Transports der Sache zum Käufer[61]. Die wichtigsten Anwendungsfälle sind Kaufverträge über Möbel oder technische Geräte, die oft erst beim Käufer montiert werden müssen, bevor sie benutzt werden können. § 434 Abs. 2 S. 1 setzt voraus, dass in solchen Fällen die Montage der verkauften Sachen beim Käufer zu den vertraglichen (Nebenleistungs-)Pflichten des Verkäufers gehört und nicht etwa lediglich aus Kulanz vom Verkäufer vorgenommen wird (str.). Für die Anwendung des § 434 Abs. 2 S. 1 ist ferner kein Raum, wenn die Montage der Sache beim Käufer im Vordergrund der Pflichten des Lieferanten steht wie z. B. bei der Aufstellung einer komplizierten Maschine, weil es sich dann in Wirklichkeit um einen Werkvertrag im Sinne der §§ 631 und 651 handelt (s. u. § 10 Rn 1 ff). Unerheblich ist dagegen, durch wen der Verkäufer seiner Montagepflicht nachkommt. Das kann auch ein drittes Unternehmen sein, das im Auftrag des Verkäufers tätig wird.
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§ 434 Abs. 2 S. 1 hat zur Folge, dass ein Sachmangel sowohl dann vorliegt, wenn die Montage selbst fehlerhaft durchgeführt wird, als auch dann, wenn die Sache bei der Montage beschädigt wird[62]. Eigenständige Bedeutung hat diese Regelung vor allem, wenn es zu dem Mangel der Kaufsache infolge der fehlerhaften Montage erst nach Gefahrübergang kommt (s. §§ 434 Abs. 1 S. 1, 446 S. 1); andernfalls greift bereits unmittelbar § 434 Abs. 1 ein.
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Nach der sog IKEA-Klausel des S. 2 des § 434 Abs. 2 liegt ein Sachmangel ferner bei einer zur Montage bestimmten Sache vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, außer wenn die Sache gleichwohl fehlerfrei montiert wird. Das Gesetz hat hier die Fälle im Auge, in denen die Montage der Kaufsache aus Kostengründen dem Käufer übertragen wird. In diesem Fall gehört, wie sich aus dem Zusammenhang des § 433 Abs. 1 S. 2 und des § 434 Abs. 2 S. 2 ergibt, zu den Hauptleistungspflichten des Verkäufers zumindest die Lieferung einer einwandfreien Montageanleitung, die es dem Käufer überhaupt erst ermöglicht, die Sache ordnungsgemäß zu montieren. Daran fehlt es, wenn die Montageanleitung für den durchschnittlichen Käufer unverständlich ist, wenn sie z. B. nur für fachlich vorgebildete Käufer verständlich ist, insbesondere wenn sie in einer für Außenstehende unverständlichen Fachsprache oder wenn sie in einer Fremdsprache verfasst ist.
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Unter den Voraussetzungen des § 434 Abs. 2 S. 2 hat der Käufer in erster Linie Anspruch auf eine einwandfreie Montageanleitung, auf Lieferung einer neuen Sache (mit Montageanleitung) dagegen nur bei Beschädigung der Sache durch die Montage (§§ 437 Nr 1, 439 Abs. 1). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Sache trotz der mangelhaften Montageanleitung fehlerfrei montiert wird (§ 434 Abs. 2 S. 2 HS 2). Dieser Ausnahmetatbestand greift jedoch nicht ein, wenn dem Käufer infolge der mangelhaften Montageanleitung ein erheblicher Mehraufwand, z. B. durch die Hinzuziehung eines Fachmannes entsteht (str). § 434 Abs. 2 S. 2 gilt entsprechend bei völligem Fehlen einer an sich erforderlichen Montageanleitung sowie bei Mangelhaftigkeit einer Gebrauchs- oder Bedienungsanleitung (str).
6. Aliud
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Nach § 434 Abs. 3 steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache (aliud) oder eine zu geringe Menge liefert (zu der so genannten Minuslieferung s. Rn 32). Mit dieser (nur schwer verständlichen) Vorschrift wollten die Verfasser des SMG von 2001 gleichsam mit einem Streich die zuletzt unter dem alten Recht nahezu unverständlich gewordene aliud-Problematik im Wege der prinzipiellen Gleichstellung des aliud mit dem Sachmangel aus der Welt schaffen. Ganz gelungen ist dies freilich aus in der Natur der Sache liegenden Gründen nicht.
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Unter der Geltung des früheren Rechts (§ 480 aF und § 378 HGB