BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
Ein Identitätsaliud liegt beim Stückkauf vor, wenn statt der verkauften individuellen Sache eine andere geliefert wird, während ein Qualitätsaliud anzunehmen ist, wenn die gelieferte Sache zu einer anderen Gattung als vereinbart gehört, wenn z. B. die „goldene“ Uhr nur vergoldet ist oder wenn das verkaufte Meisterwerk lediglich eine billige Kopie darstellt[63]. Bei dem Gattungskauf erzwang die komplizierte frühere Regelung daneben noch die zusätzliche Unterscheidung zwischen der Schlechtlieferung (peius) und der Falschlieferung (aliud)[64]. Alle diese Unterscheidungen hatten sich jedoch als ausgesprochen schwierig, ja weithin unmöglich erwiesen. Deshalb ordnet jetzt § 434 Abs. 3 die prinzipielle Gleichstellung des aliud mit dem Sachmangel an.
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Beim Stückkauf gilt nach überwiegender Meinung die Gleichstellung der Falschlieferung mit einem Sachmangel durch § 434 Abs. 3 nicht nur für das Qualitätsaliud (Paradigma: Verkauf einer bloß vergoldeten Uhr als „goldene“), sondern auch für das Identitätsaliud, d. h. für die Lieferung einer ganz anderen Sache als vereinbart[65]. Zusätzliche Probleme ergeben sich dann freilich beim Verbrauchsgüterkauf aus dem unklaren Verhältnis des § 434 Abs. 3 zu § 241a Abs. 1 idF von 2014, nach dem durch die Lieferung unbestellter Sachen grundsätzlich überhaupt kein (Zahlungs-)Anspruch des Unternehmers gegen den Käufer begründet wird. Eine angemessene Lösung ist hier in der Mehrzahl der Fälle nur möglich, wenn man dem § 434 Abs. 3 im Rahmen eines schon bestehenden Kaufvertrages grundsätzlich den Vorrang vor § 241a zubilligt und ergänzend darauf abstellt, ob der Käufer das aliud, die „falsche“ Sache als Erfüllung angenommen hatte. Denn wenn der Käufer die Sache als nicht geschuldet zurückweist, liegt nichts anderes als ein gescheiterter Erfüllungsversuch seitens des Verkäufers vor, sodass der Käufer nach wie vor den (ursprünglichen) Erfüllungsanspruch hat (§ 433 Abs. 1 S. 1). Nimmt der Käufer dagegen die Sache irrtümlich als Erfüllung an, sodass die Gefahr auf ihn übergeht (§ 446), so ist es entsprechend dem Wortlaut des § 434 Abs. 3 für den Regelfall durchaus angemessen, i von einem Vorrang der Vorschriften über die Sachmängelhaftung auszugehen – mit der Folge vor allem, dass jetzt der Erfüllungsanspruch des Käufers als Nacherfüllungsanspruch im Sinne der §§ 437 Nr 1 und 439 der besonderen Verjährungsfrist des § 438 unterliegt. Nur wenn die gelieferte Sache ausnahmsweise wertvoller als geschuldet ist (sogenanntes melius), wenn z. B. die „vergoldete“ Uhr tatsächlich aus purem Gold ist, kann der Verkäufer immer noch kondizieren (§ 812 Abs. 1 S. 1), freilich mit Rücksicht auf § 434 Abs. 3 lediglich Zug um Zug gegen das Angebot der geschuldeten Sache.[66]
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Beim Gattungskauf hat § 434 Abs. 3 der Sache nach zur Folge, dass der Käufer ein Wahlrecht erwirbt: Er kann einmal die Falschlieferung zurückzuweisen, sodass es dann auch nicht zur Konkretisierung kommt (§§ 243 Abs. 1, 293, 294) und er den ursprünglichen Erfüllungsanspruch behält. Er kann aber auch die „falsche“ Lieferung als Erfüllung annehmen – in diesem Fall mit der Folge, dass sich seine Rechte fortan allein nach den §§ 434 Abs. 3, 437 und 439 f richten, sodass sein (fortbestehender) Erfüllungsanspruch (§ 433 Abs. 1 S. 1) jetzt dem Regime des Nacherfüllungsanspruchs untersteht und damit vor allem in der besonderen Frist des § 438 verjährt (§§ 437 Nr 1, 439). Diese Lösung versagt nur, wenn die gelieferte Sache ausnahmsweise höherwertig als geschuldet ist (sog. melius), weil der Käufer dann wohl niemals von seinen Gewährleistungsrechten Gebrauch machen wird. Deshalb bleibt hier (wiederum) nichts anderes übrig, als – diesmal zum Schutze des Verkäufers – diesem nach wie vor die Leistungskondiktion zuzubilligen (§ 812 Abs. 1 S. 1), freilich nur Zug um Zug gegen das Angebot einer der geschuldeten Gattung entsprechenden Ware[67].
7. Minderleistung
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Durch § 434 Abs. 3 wird neben der Falschlieferung (o. Rn 26 ff) auch die Zuwenig- oder Minderleistung, gelegentlich auch Mankolieferung genannt, dem Sachmangel gleichgestellt. § 434 Abs. 3 muss vor allem im Zusammenhang mit § 266 gesehen werden, nach dem der Verkäufer (an sich) nicht zu Teilleistungen berechtigt ist. Bei einer Minderleistung bleibt daher der Käufer berechtigt, unter Ablehnung der angebotenen Minderleistung auf der vollen geschuldeten Lieferung zu bestehen. Er kann aber auch die Teilleistung als solche annehmen und behält dann gleichfalls den (ursprünglichen) Erfüllungsanspruch hinsichtlich des Restes. Eine Anwendung des § 434 Abs. 3 kommt folglich nur in Betracht, wenn der Käufer (ausnahmsweise) die bloße Teilleistung nicht als solche erkennt und deshalb zunächst als volle Erfüllung annimmt (sog. verdeckte Minderleistung)[68]. Allein in diesem Ausnahmefall richten sich mithin seine Rechte nach den §§ 437 ff, wobei vor allem an den Nacherfüllungsanspruch hinsichtlich des Restes (§§ 437 Nr 1 und 439) sowie nach erfolgloser Fristsetzung an die Minderung zu denken ist (§§ 437 Nr 2, 323 und 441). Daneben kann er aber auch – entgegen der h.M. –, weil es sich zugleich um eine Teilleistung handelt, nach den §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 323 Abs. 5 S. 1 vorgehen[69]. Nicht gesondert geregelt ist schließlich der seltene Fall der Zuviellieferung; hier dürfte sich die Lösung hinsichtlich der nicht geschuldeten Mehrleistung des Verkäufers unmittelbar aus § 812 Abs. 1 S. 1 ergeben[70].
Teil I Veräußerungsverträge › § 4 Mängelhaftung › III. Rechtsmangel
1. Überblick
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Nach § 433 Abs. 1 S. 2 muss der Verkäufer dem Käufer die verkaufte Sache nicht nur frei von Sachmängeln (o. Rn 7 ff), sondern auch frei von Rechtsmängeln verschaffen. Für den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen gilt nach § 453 Abs. 1 Entsprechendes. Wann ein Rechtsmangel vorliegt, sagt § 435. Nach S. 1 des § 435 ist die verkaufte Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Der Verkäufer eines Grundstücks ist außerdem nach § 435 S. 2 verpflichtet, im Grundbuch eingetragene Rechte, die nicht bestehen, auf seine Kosten zur Löschung zu bringen, um einen gutgläubigen Erwerb dieser Rechte durch Dritte zum Nachteil des Käufers zu verhindern. Der Verkäufer haftet dagegen nicht für die Freiheit des Grundstücks von öffentlichen Abgaben und anderen öffentlichen Lasten, die nicht zur Eintragung ins Grundbuch geeignet sind, weil mit solchen Abgaben und Lasten (leider) jedermann rechnen muss (§ 436 Abs. 2). Besonderheiten gelten nach § 436 Abs. 1 lediglich für Erschließungsbeiträge und vergleichbare Anliegerbeiträge[71]. Keine Anwendung findet hier § 446, der nur für Sachmängel Bedeutung hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Auslösung der Rechtsmängelhaftung ist vielmehr der des Rechtsübergangs, beim Stückkauf also der Zeitpunkt, in dem der Käufer Eigentum erwirbt, und sonst der des Übergangs des verkauften Rechts auf den Käufer, bei aufschiebend bedingtem Eigentumserwerb daher erst der Zeitpunkt des Bedingungseintritts[72]. Für die Auslösung der Rechtsmängelhaftung genügt es, wenn in diesem Zeitpunkt, d. h. bei Übergang des Rechts auf den Käufer, lediglich der Rechtsgrund erfüllt ist, der später zu dem Recht Dritter führt, das gegen den Käufer geltend gemacht werden kann. Ein Beispiel ist die spätere Beschlagnahme der Sache beim Käufer wegen eines vor Übereignung der Sache liegenden Verstoßes des Verkäufers gegen die Steuer- oder Zollgesetze, die folglich die Haftung