BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
sich wohl nur feststellen, dass bei neuen hochwertigen Sachen mit geringen Mängeln in der Regel lediglich eine Nachbesserung in Betracht kommen dürfte, während umgekehrt bei geringwertigen Massenprodukten eine aufwendige Reparatur regelmäßig gegenüber einer Ersatzlieferung unverhältnismäßig sein wird. Für den Verbrauchsgüterkauf des § 474 gelten wiederum durch die Rechtsprechung[47] erzwungene Sonderregeln, die sich seit 2017 in § 475 Abs. 4 finden. Nach der komplizierten Regelung kann der Verkäufer, wenn die eine Art der Nacherfüllung entfällt, z. B. die Nachlieferung nach § 275 Abs. 1 wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist oder wenn er sie nach § 275 Abs. 2 oder Abs. 3 oder nach § 439 Abs. 4 S. 1 verweigern kann (s. Rn 14 f), grundsätzlich nicht auch noch die andere Art der Nacherfüllung, in dem Beispiel die Nachbesserung, wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern. Dieser andere Anspruch muss dem Käufer maW bei dem Verbrauchsgüterkauf grundsätzlich verbleiben. Jedoch behält der Verkäufer in den Fällen des § 439 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 Fall 2, d. h. hinsichtlich der Kosten der Nacherfüllung sowie in den Einbaufällen, das Recht, den Aufwendungsersatz zumindest auf einen angemessenen Betrag zu beschränken, wobei gemäß S. 3 der Vorschrift insbesondere der Wert der mangelfreien Sache und die Bedeutung der Mängel bei der stets erforderlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Die Gerichte sind bei der Anwendung dieser komplizierten Vorschriften nicht zu beneiden.
Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › III. Rücktritt
1. Überblick
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Bei Lieferung einer mangelhaften Sache hat der Käufer außer dem Anspruch auf Nacherfüllung (Rn 5 ff) ferner gemäß § 437 Nr 2 das Recht, von dem Kaufvertrag nach den §§ 323 und 326 Abs. 5 iVm § 440 zurückzutreten. Wegen der Voraussetzungen verweist das Gesetz zugleich in § 437 Nr 2 auf die §§ 440, 323 und 326 Abs. 5, aus denen sich insbesondere ergibt, dass der Rücktritt (ebenso wie die Minderung und der Schadensersatz, s. Rn 21, 23 ff) voraussetzt, dass der Käufer dem Verkäufer vergeblich eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Dazu ist zweierlei erforderlich, einmal die ernsthafte Aufforderung des Käufers an den Verkäufer, die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung – also entweder die Nachbesserung oder die Nachlieferung – durchzuführen (wozu auch die Bereitschaft des Käufers gehört, dem Verkäufer die Sache gegebenenfalls zur Untersuchung und Nachbesserung zur Verfügung zu stellen[48]), zum anderen die Bestimmung einer Frist für die Ausführung der vom Käufer gewählten Form der Nacherfüllung durch den Verkäufer, und zwar grundsätzlich erst nach Fälligkeit der Leistung des Verkäufers.[49] Da die Vereinbarkeit dieses zusätzlichen Erfordernisses einer Fristsetzung (als Voraussetzung für den Rücktritt) mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zweifelhaft ist,[50] sind die Anforderungen der Rechtsprechung an die Fristsetzung denkbar gering.[51] Es genügt, dass der Käufer dem Verkäufer zu erkennen gibt, dass ihm für die Nacherfüllung nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht. Ein bestimmter Endtermin muss nicht genannt werden. Auch das Verlangen sofortiger oder unverzüglicher Nacherfüllung kann genügen.[52] Ist die vom Käufer dem Verkäufer bestimmte Frist nicht angemessen, weil zu kurz, so tritt automatisch an die Stelle der zu kurzen Frist eine angemessene, die meistens auf ungefähr zwei Wochen bemessen wird. Vorrang haben aber stets die Abreden der Parteien (§ 311 Abs. 1). Wenn sie sich auf eine bestimmte Frist für die Durchführung der Nacherfüllung geeinigt haben, hat es dabei sein Bewenden.[53]
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Von dem Gesagten (Rn 16) gibt es in jeder Richtung Ausnahmen. Zunächst ist in einer ganzen Reihe von Fällen eine Fristsetzung doch entbehrlich – mit der Folge, dass der Käufer dann nach Feststellung eines Mangels sofort die Wahl zwischen Nacherfüllung, Rücktritt und Minderung sowie gegebenenfalls Schadensersatz oder Aufwendungsersatz hat. Die einzelnen Fälle ergeben sich aus § 323 Abs. 2, § 326 Abs. 5 und § 440 (s. im Einzelnen u. Rn 18–19b). Der wichtigste Fall ist die so genannte Erfüllungsverweigerung des Verkäufers gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 (s. Rn 18).
Auf der anderen Seite gibt es aber auch mehrere Fälle, in denen der Käufer trotz Mangelhaftigkeit der Sache aus unterschiedlichen Gründen überhaupt nicht zurücktreten kann (Rn 20). So insbesondere, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich ist (§ 323 Abs. 2 Nr 2 nF) oder wenn der Käufer den Mangel selbst zu verantworten hat (§ 323 Abs. 6 Fall 1). Gleich steht der Fall, dass der Käufer die Kaufsache z. B. bei einem Unfall zerstört.[54]
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Für die Erklärung des Rücktrittes ist keine besondere Form vorgeschrieben; sie ist insbesondere auch konkludent möglich, z. B. durch Erhebung der Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises[55]. Die Rechtsfolgen des Rücktritts richten sich gemäß § 346 Abs. 1 nach den §§ 346 bis 354.[56] Dies bedeutet, dass der Kaufvertrag durch den Rücktritt, ein Gestaltungsrecht, in ein Rückgewährschuldverhältnis nach Maßgabe der §§ 346 bis 354 umgestaltet wird[57]. Hervorzuheben ist die Pflicht des Käufers zum Nutzungsersatz, wenn er die ihm übergebene mangelhafte Sache in der Zeit vor der Erklärung des Rücktritts bereits genutzt, z. B. mit dem mangelhaften Fahrzeug schon Fahrten unternommen hat (§ 346 Abs. 1)[58].
2. Entbehrlichkeit der Fristsetzung
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Eine Fristsetzung ist nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 vor allem entbehrlich, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert. Bei der Annahme einer derartigen Erfüllungsverweigerung ist Zurückhaltung geboten, um das regelmäßige Erfordernis der Fristsetzung nicht zu entwerten. Eine Erfüllungsverweigerung darf daher grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die Ablehnung der Nacherfüllung gleichsam das letzte Wort des Verkäufers ist, sodass es als ausgeschlossen erscheinen muss, dass er im Falle einer Fristsetzung doch noch zur Nachbesserung bereit wäre. Nicht ausreichend ist es insbesondere, wenn der Verkäufer (sein gutes Recht) lediglich das Vorliegen eines Mangels bestreitet; es müssen vielmehr noch besondere Umstände hinzukommen, die die Annahme ausschließen, dass sich der Verkäufer durch eine Fristsetzung noch umstimmen lässt[59].
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Eine Fristsetzung ist ferner entbehrlich in den Fällen des Fixgeschäftes (§ 323 Abs. 2 Nr 2) sowie, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ebenfalls einen sofortigen Rücktritt zu rechtfertigen vermögen (§ 323 Abs. 2 Nr 3). So verhält es sich insbesondere in der Regel, wenn der Verkäufer den Käufer bei Vertragsabschluss arglistig getäuscht hat, weil der Käufer dann naturgemäß kein Vertrauen mehr in etwaige Nachbesserungsversuche dieses Verkäufers haben wird[60].
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Weitere Fälle der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung ergeben sich aus § 440, und zwar: 1., wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 4 wegen der Unverhältnismäßigkeit der damit verbundenen Kosten verweigert (Rn 15 f). 2., wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen ist, sowie 3., wenn sie dem Käufer unzumutbar ist (S. 1 des § 440, s. Rn 19b).