BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
hatte. Die dann im Falle der nötigen Nachbesserung der Mängel zusätzlich anfallenden Kosten des Aus- und Wiedereinbaus der Sache nach ihrer Reparatur muss nach § 439 Abs. 3 (von 2017) grundsätzlich ebenfalls der Verkäufer tragen (so genannte Einbaufälle, wegen der Einzelheiten s. u. Rn 12 f).
4. Nach- oder Ersatzlieferung
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Statt der Nachbesserung (o. Rn 10) kann der Käufer nach § 439 Abs. 1 Fall 2 auch die (erneute) Lieferung einer mangelfreien Sache fordern (sogenannte Nach- oder auch Ersatzlieferung). Der Verkäufer schuldet in diesem Fall eine vollständige Wiederholung der von ihm aufgrund des Kaufvertrags zu erbringenden Leistung.[31] Viel diskutiert ist die Frage, ob eine solche Ersatzlieferung auch beim Stückkauf in Betracht kommt.[32] Bereits die Möglichkeit einer Ersatzlieferung wird hier vielfach mit der Begründung geleugnet, der Vertrag beschränke sich bei einem Stückkauf von vornherein auf die eine (mangelhafte) Sache, sodass für deren Ersatz durch eine andere mangelfreie Sache kein Raum sei[33]. Die überwiegende Meinung billigt dagegen dem Käufer auch beim Stückkauf – unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen – einen Anspruch auf Ersatzlieferung zu[34]. Die Rechtsprechung stellt idR auf den (vermuteten) Willen der Parteien ab, sodass wohl vor allem bei Kaufverträgen des täglichen Lebens über vertretbare Sachen in der Mehrzahl der Fälle eine Ersatzlieferung in Betracht kommen wird, dagegen in aller Regel bei gebrauchten Sachen und vor allem bei Sachindividualitäten nicht[35].
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Zusätzliche Fragen werfen die so genannten Einbaufälle auf, in denen es um das Problem geht, wie zu verfahren ist, wenn der Käufer die mangelhafte Sache entsprechend ihrer Bestimmung in eine andere Sache, vorzugsweise in ein Gebäude eingebaut hat (s. dazu auch schon o. Rn 10). Die Rechtsprechung hatte hier schließlich – nach anfänglichem Zögern – die Verpflichtung des Verkäufers anerkannt, dem Käufer – als Teil der Nacherfüllung – die Kosten des Ausbaus der mangelhaften Sache und des Wiedereinbaus der neuen mangelfreien Sache zu ersetzen.[36] Im Anschluss daran bestimmt jetzt § 439 Abs. 3 (von 2017), dass der Verkäufer bei Einbau der mangelhaften Sache in eine andere Sache verpflichtet ist, dem Käufer die für den Aus- und Einbau erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen.[37] Voraussetzung ist, dass der Käufer gutgläubig ist, dh den Mangel bei Einbau der Sache nicht kannte (§ 439 Abs. 3 S. 3 iVm § 442) und dass der Einbau der Art und dem Verwendungszweck der Sache entsprach (§ 439 Abs. 3 S. 1 HS 1). Das gilt – entgegen der bisherigen Rechtsprechung[38] – für alle Kaufverträge, also nicht nur für den Verbrauchsgüterkauf und außerdem gleichermaßen für die Fälle der bloßen Nachbesserung (s. o. Rn 10) wie die für die Fälle der Nachlieferung. Naturgemäß kann der Verkäufer durch diese erweiterte Nacherfüllungspflicht gegenüber dem Käufer erheblich belastet werden. Deshalb erleichtert ihm das Gesetz zugleich in den neuen §§ 445a und 445b (von 2017) den Rückgriff (oder Regress) gegen seinen Verkäufer, den so genannten Lieferanten.
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Zusätzliche Rechte hat der Käufer auch hier bei dem Verbrauchsgüterkauf des § 474 (s. § 6 Rn 1 ff), wie sich im Einzelnen aus § 475 Abs. 4 S. 2 und S. 3 sowie aus § 475 Abs. 6 ergibt. Aus § 475 Abs. 4 S. 2 folgt zunächst, dass der Verkäufer oder Unternehmer – wenn sich die Höhe der Kosten als unverhältnismäßig im Sinne des § 439 Abs. 4 erweist (s. dazu sogleich Rn 13 f) – den Aufwendungsersatz auf einen angemessenen Betrag beschränken kann, wobei nach S. 3 der Vorschrift der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung der Mängel bei der stets erforderlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.[39] Entstehen dem Käufer in den Einbaufällen Kosten, die letztlich der Verkäufer zu tragen hat, so kann er dafür außerdem von dem Verkäufer einen Vorschuss verlangen (§ 475 Abs. 6).
5. Ausschlussgründe, § 439
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Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers ist in einer Reihe von Fällen ausgeschlossen, die sich in erster Linie aus § 275 Abs. 1 bis 3 und § 439 Abs. 3 ergeben (vgl außerdem noch § 442 und dazu schon o. § 4 Rn 40 ff). Diese Ausschlussgründe müssen für die beiden Erscheinungsformen der Nacherfüllung (o. Rn 10 f) jeweils gesondert geprüft werden. Ist nur eine Art der Nacherfüllung ausgeschlossen, so bleibt der Anspruch des Käufers auf die andere davon unberührt, solange diese nicht ebenfalls ausgeschlossen ist (§ 439 Abs. 4 S. 3 HS 1). Der Nacherfüllungsanspruch ist ferner ausgeschlossen, wenn der Käufer den Eintritt eines Mangels der Sache in der Zeit zwischen Abschluss des Vertrages und Gefahrübergang zu vertreten hat, z. B. durch ihre schuldhafte Beschädigung anlässlich ihrer Besichtigung bei dem Verkäufer (§ 326 Abs. 2 und 6 Fall 1 analog)[40], sowie wenn der Käufer die Mängel selbst beseitigt, ohne zuvor dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben zu haben (oben Rn 8).
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Die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ist zunächst ausgeschlossen, wenn ihre Erfüllung dem Verkäufer unmöglich ist (§ 275 Abs. 1). Ein Beispiel ist die Lieferung einer gebrauchten Sache, deren Mangel nicht durch eine Reparatur beseitigt werden kann (Paradigma: Unfallwagen) und bei der auch eine Ersatzlieferung ausscheidet.[41]. Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung ferner unter den Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 und 3 sowie gemäß § 439 Abs. 4 S. 1 verweigern, insbesondere also, wenn die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, wobei nach § 439 Abs. 4 S. 2 ua der (objektive) Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen sind, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer ausgewichen werden kann. Bei § 439 Abs. 4 handelt es sich um ein Einrederecht des Verkäufers, dessen Ausübung an keine besondere Frist gebunden ist (str), so dass sich der Verkäufer auf § 439 Abs. 4 auch noch im Rechtsstreit berufen kann, wenn der Käufer Klage auf Nacherfüllung erhoben hat.[42]
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Im Einzelnen hat man zwischen der relativen und der absoluten Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung zu unterscheiden. Von relativer Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung spricht man, wenn gerade und nur die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung unverhältnismäßige und deshalb für den Verkäufer unzumutbare Kosten verursacht, z. B. die Nachlieferung im Vergleich mit der Nachbesserung als der anderen Form der Nacherfüllung.– Dies hat zur der Folge, dass der Käufer dann auf die andere Form der Nacherfüllung, in dem Beispiel also auf die Nachbesserung beschränkt ist (§ 439 Abs. 4 S. 3 HS 1).[43] Um einen Fall absoluter Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Nacherfüllung handelt es sich dagegen, wenn mit beiden Formen der Nacherfüllung unverhältnismäßige Kosten verbunden wären, so dass dem Käufer dann nur die anderen in § 437 Nrn 2 und 3 genannten Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, die von § 439 Abs. 4 unberührt bleiben.[44]
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In Literatur und Rechtsprechung finden sich vielfältige Versuche zur Entwicklung von