BGB-Schuldrecht Besonderer Teil. Volker Emmerich
VII. Abweichende Vereinbarungen
VIII. Verjährung
IX. Rückgriffsansprüche des Verkäufers
X. Konkurrenzen
XI. Anhang: Haftungsschema beim Kauf
Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › I. Überblick
I. Überblick
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Auf keinem anderen Gebiet hat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz von 2001 (SMG) so tiefgreifende Änderungen gebracht wie bei den Käuferrechten im Falle der Lieferung einer mangelhaften Sache. Auch in der Folgezeit sind die einschlägigen Vorschriften wiederholt geändert worden, zuletzt durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts von 2017 (BGBl I S. 969).[1] Seitdem sieht die gesetzliche Regelung der Käuferrechte bei Vorliegen eines Mangels im Kern folgendermaßen aus[2]: Bei Lieferung einer mangelhaften Sache kommt es in erster Linie darauf an, ob es sich um einen behebbaren oder um einen unbehebbaren Mangel handelt, und wann dieser eingetreten ist. Ist der Mangel nicht behebbar, so spricht man auch von qualitativer Unmöglichkeit. In diesem Fall ist vor allem danach zu unterscheiden, wann der unbehebbare Mangel aufgetreten ist: Liegt er von Anfang an vor, so ist grundsätzlich von § 311a auszugehen, wie durch § 437 Nr 3 klargestellt wird, wobei dann weiter zwischen erheblichen und unerheblichen (anfänglichen unbehebbaren) Mängeln unterschieden wird: Die §§ 281 und 284 gelten nur bei erheblichen anfänglichen Mängeln (§ 311a Abs. 2 S. 3 iVm § 281 Abs. 1 S. 3), während bei unerheblichen anfänglichen Mängeln der Käufer auf den kleinen Schadensersatzanspruch des § 280 Abs. 1 beschränkt ist; außerdem dürfte ihm dann ein Minderungsrecht analog § 326 Abs. 1 S. 1 HS 2 und § 441 zuzubilligen sein.
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Tritt ein unbehebbarer Mangel nachträglich, d. h. in der Zeit zwischen Vertragsabschluss und Gefahrübergang auf – spätere Mängel bleiben grundsätzlich außer Betracht (§ 434 Abs. 1 S. 1), wenn nicht ausnahmsweise eine Haltbarkeitsgarantie vorliegt (§ 443 Abs. 1 idF von 2014) –, so bewendet es bei der Anwendbarkeit der §§ 283 und 326 Abs. 5, sofern der Käufer die Sache wegen ihrer Mängel zurückweist (§§ 266, 320 Abs. 1 und 433 Abs. 2), wozu er jederzeit befugt ist, ohne dadurch in Annahmeverzug zu geraten (§ 294).[3] Folglich kommt es jetzt darauf an, ob der Mangel erheblich ist oder nicht (s. §§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3, 326 Abs. 5 und 323 Abs. 5 S. 2; s. o. Rn 1). Bei behebbaren Mängeln hat es bei der Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen sein Bewenden, sofern der Käufer die Sache wegen dieser Mängel zurückweist. Außerdem hat er dann (selbstverständlich) noch den Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs. 1 S. 2.
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Eine weitreichende Änderung der Rechtslage tritt erst von dem umstrittenen Zeitpunkt ab ein, von dem ab die §§ 437 ff anwendbar sind. Die überwiegende Meinung folgert hier zutreffend aus § 434 Abs. 1 S. 1, dass der maßgebliche Zeitpunkt der des Gefahrübergangs nach den §§ 446 und 447 ist (s. o. § 3 Rn 11 ff).[4] Ab diesem Zeitpunkt richten sich folglich die Käuferrechte bei Mangelhaftigkeit der Sache in erster Linie nach den §§ 437 ff und zusätzlich nur insoweit nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, wie in § 437 Nrn 1 bis 3 darauf Bezug genommen wird. Ganz im Vordergrund des Interesses steht danach der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 437 Nr 1 und 439 idF von 2017; s. dazu u. Rn 5 ff). Bei diesem Nacherfüllungsanspruch handelt es sich um den ursprünglichen Erfüllungsanspruch des Käufers aus § 433 Abs. 1 S. 2, der freilich nach Gefahrübergang verschiedenen Modifikationen unterliegt, insbesondere hinsichtlich der Dauer der Verjährung (§ 438; s. u. Rn 44 ff) sowie der Ausschlussgründe (s. §§ 442, 444 sowie 445 und dazu o. § 4 Rn 39 ff).[5]
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Der Käufer kann außerdem, im Regelfall freilich erst nach fruchtlosem Ablauf einer dem Verkäufer vom Käufer für die Nacherfüllung gesetzten Frist, zurücktreten oder mindern (§§ 437 Nr 2, 440, 323, 326 Abs. 5 und 441; s. u. Rn 16, 21 f) sowie – unter zusätzlichen Voraussetzungen – Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verlangen (s. §§ 437 Nr 3, 440, 276, 280, 281, 283, 311a und 284; dazu u. Rn 23 ff, 30). Zwischen den genannten Rechtsbehelfen hat der Käufer, sobald jeweils ihre Voraussetzungen vorliegen, die Wahl. Er ist jedoch an die einmal getroffene Wahl solange nicht gebunden, wie der Verkäufer noch nicht mit der Nacherfüllung begonnen hat (§ 242)[6]. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels gerade bei Gefahrübergang sowie für das Fortbestehen eines Mangels trotz Nachbesserung seitens des Verkäufers trägt grundsätzlich der Käufer[7]; lediglich bei dem Verbrauchsgüterkauf kommt das Gesetz hier durch § 477 dem Käufer durch eine Beweislastumkehr in bestimmten Fällen zu Hilfe (dazu unten § 6 Rn 3).
Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › II. Nacherfüllung
1. Überblick
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Der primäre Rechtsbehelf des Käufers bei Vorliegen eines Sachmangels ist nach den §§ 437 Nr 1 und 439 der Nacherfüllungsanspruch. Der Käufer kann danach, und zwar nach seiner Wahl (s. § 439 Abs. 1, Rn 4), entweder die Beseitigung des Mangels (sog. Nachbesserung, Rn 10) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen (sog. Ersatz- oder Nachlieferung, Rn 11). Keine Rolle spielt die Erheblichkeit des Mangels; der Nacherfüllungsanspruch greift auch ein, wenn es sich um einen unerheblichen Mangel handelt. Ziel der Nacherfüllung muss es sein, den Käufer im Ergebnis so zu stellen, als ob der Verkäufer von Anfang an mangelfrei erfüllt hätte[8]. Sonderregeln für den Verbrauchsgüterkauf des § 474 (s. u. § 16 Rn 1 ff) finden sich in § 475 Abs. 4 S. 2 und S. 3 sowie in § 475 Abs. 6 (zu § 475 Abs. 4 S. 2 und S. 3 s. u. Rn 12a sowie §