Sachenrecht II. Achim Bönninghaus
eingebrachten Sachen. Man spricht daher beim gesetzlichen Vermieterpfandrecht nach § 562 auch von einem „besitzlosen“ Pfandrecht. Dies ist wichtig, weil die Frage, ob gesetzliche Pfandrechte gutgläubig erworben werden können, nur bei den Besitzpfandrechten (z.B. Werkunternehmerpfandrecht nach § 647) streitig ist, bei besitzlosen Pfandrechten dagegen einhellig abgelehnt wird.[1]
Durch die Formulierung in § 868: „So ist auch der andere Besitzer“, macht das Gesetz deutlich, dass auch der mittelbare Besitzer „Besitzer“ i.S.d. BGB ist. Für ihn gelten somit prinzipiell die gleichen Grundsätze, wie für den unmittelbaren Besitzer, sofern das BGB ihn nicht ausdrücklich davon ausnimmt. Daher kann z.B. der Eigentümer nach § 985 nicht nur vom unmittelbaren Besitzer, sondern auch vom mittelbaren Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
Beispiel
MB ist unrechtmäßiger Besitzer einer dem E gehörenden Sache, die MB an B vermietet hat. Nach § 985 kann E nicht nur den unmittelbaren Besitz von B heraus verlangen, sondern auch den MB auf Herausgabe des mittelbaren Besitzes in Anspruch nehmen. Nach § 870 kann MB diese Verpflichtung dadurch erfüllen, dass er dem E seinen Herausgabeanspruch gegen B aus dem Mietvertrag abtritt.
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Erwerb des mittelbaren Besitzes
I. Unmittelbarer Besitz des Besitzmittlers
II. Fremdbesitzerwille des Besitzmittlers
III. Besitzmittlungsverhältnis zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitzer
Für das Vorliegen mittelbaren Besitzes verlangt § 868 den unmittelbaren Besitz des Besitzmittlers sowie ein Rechtsverhältnis dieser Person zu einer anderen, aus dem sich ergibt, dass der unmittelbare Besitzer dem anderen gegenüber nur „auf Zeit“ zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist.
Beispiel
V hat eine Wohnung an M vermietet. M ist unmittelbarer, V ist mittelbarer Besitzer (s.o.). Das zwischen beiden bestehende Rechtsverhältnis i.S.v. § 868 (das sog. „Besitzkonstitut“) ist der Mietvertrag (§ 535). M ist „Besitzmittler“ des V.
Der unmittelbare Besitzer muss zudem, „für einen anderen“ besitzen wollen (Fremdbesitzerwille). Er muss also unmittelbarer Fremdbesitzer sein.
Hinweis
Der Gegenbegriff zum Fremdbesitzer ist der des „Eigenbesitzers“. Dies ist nach § 872 derjenige, der eine Sache „als ihm gehörend“ besitzt. Dies ist einmal der Eigentümer, der weiß, dass er Eigentümer ist, aber auch der Nichteigentümer, der das fremde Eigentum negiert. So ist z.B. der Dieb zwar nicht Eigentümer, wohl aber Eigenbesitzer der von ihm gestohlenen Sache.
Dagegen besitzt der Fremdbesitzer die Sache als „einem anderen gehörend“, also in Anerkennung fremden Eigentums.
JURIQ-Klausurtipp
Hieran zeigt sich aber auch die Schwäche des mittelbaren Besitzes, da er vom Fremdbesitzerwillen des Besitzmittlers abhängt, den dieser einseitig ändern kann. Unterschlägt z.B. der Entleiher die geliehene Sache und macht sich dadurch zum Eigenbesitzer, so verliert der Verleiher damit seinen mittelbaren Besitz. Das Gleiche ist der Fall, wenn der Besitzmittler hinter dem Rücken des mittelbaren Besitzers ein neues Besitzmittlungsverhältnis mit einem anderen vereinbart und damit äußerlich erkennbar (nicht aber unbedingt für den bisherigen mittelbaren Besitzer erkennbar!) den Fremdbesitzerwillen für den bisherigen mittelbaren Besitzer aufgibt[2] (vgl. dazu aber auch die späteren Ausführungen zum Thema „Nebenbesitz“ Rn. 140).
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§ 868 bringt nur eine beispielhafte Aufzählung der Besitzmittlungsverhältnisse. Es sind daher auch weitere Besitzmittlungsverhältnisse denkbar, die nicht in § 868 aufgeführt sind.
Beispiel
So wird z.B. die eheliche Lebensgemeinschaft, §§ 1353 ff., als gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis angesehen.[3] Im Falle der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff.) erlangt der Geschäftsherr mittelbaren Besitz an den Sachen, die der Geschäftsführer ihm nach §§ 681 S. 2, 667 herausgeben muss.[4]
Nach § 871 gibt es auch einen mehrfach gestuften mittelbaren Besitz:
Beispiel
Der Mieter M nimmt mit Erlaubnis des Vermieters V den Untermieter U mit in seine Wohnung auf. Hier ist U unmittelbarer Besitzer, M mittelbarer Besitzer 1. Stufe und V mittelbarer Besitzer 2. Stufe.
Anmerkungen
BGH NJW 1983, 2501.
BGH NJW-RR 1999, 1239.
BGH NJW 1979, 976.
Palandt-Herrler § 868 Rn. 10.
2. Teil Erwerb des Besitzes › D. Übertragung des mittelbaren Besitzes
D. Übertragung des mittelbaren Besitzes
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Gem. § 870 kann die Übertragung des mittelbaren Besitzes durch Abtretung des Herausgabeanspruchs des mittelbaren Besitzers gegen seinen Besitzmittler an den Erwerber erfolgen. Da es sich hierbei um einen Abtretungsvertrag nach § 398 handelt, sind die §§ 104 ff. anwendbar. Der mittelbare Besitz kann aber auch durch Übergang des Besitzmittlungsverhältnisses erworben werden. Damit geht auch der mittelbare Besitz über.
Beispiel
A hat sein Haus an B vermietet. Er verkauft und übereignet es nun an C. C wird gem. § 566 Abs. 1 mittelbarer Besitzer.
2. Teil Erwerb des Besitzes › E. Verlust des mittelbaren Besitzes
E. Verlust des mittelbaren Besitzes
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Der mittelbare Besitz geht verloren, wenn ein Bestandteil seines Doppeltatbestands wegfällt. Dabei sind im Wesentlichen zwei Fallgestaltungen von Bedeutung:
Der unmittelbare Besitzer verliert den unmittelbaren Besitz. Gleichgültig ist hierbei, ob der unmittelbare Besitzer den Besitz freiwillig oder unfreiwillig aufgibt.
Der unmittelbare Besitzer lässt erkennen, dass er den Oberbesitzer nicht mehr als solchen anerkennt. Dieser Gesinnungswandel muss nach außen hin erkennbar sein. Auch in diesem Fall verliert der Oberbesitzer seinen mittelbaren Besitz.[1]
Beispiel
Der Entleiher schreibt seinen eigenen Namen in das entliehene Buch.
Hier wird also aus dem unmittelbaren Fremdbesitzer ein unmittelbarer Eigenbesitzer, wodurch