Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
denn mit dem einvernehmlichen Abschluss des Verwaltungsvertrags hat sich B mit E auf die Ebene der Gleichordnung begeben, so dass B sich zur Durchsetzung ihrer vertraglichen Ansprüche derselben Mittel bedienen muss, wie sie auch dem E zur Verfügung stehen (würde B den Dispens nicht erteilen, müsste E Klage gegen B erheben). B ist daher gehalten, gerichtlich gegen E vorzugehen. Hierzu steht es in Widerspruch, wenn B Rechte aus dem Verwaltungsvertrag mittels (einseitigen) Verwaltungsakts durchsetzen will. Dieser ist mangels VA-Befugnis rechtswidrig.
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Relevant wird der Streit um das Erfordernis einer VA-Befugnis damit vorwiegend in den Bereichen, in denen die Verwaltung ihre gesetzlichen Leistungsansprüche durch Verwaltungsakt feststellen und ggf. vollstrecken will. Anders als bei Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen geht es in diesem Zusammenhang weder um Rechtsverhältnisse auf Ebene der Gleichordnung noch um die Realisierung bereits konkretisierter Ansprüche. Typische Fälle sind insoweit vielmehr beispielsweise der Anspruch auf Rückerstattung von zu viel gezahlten Dienstbezügen oder der Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Dienstpflichtverletzung. Die Rechtsprechung[21] „gestattet“[22] der Verwaltung hier die Geltendmachung ihrer Ansprüche in Form des Verwaltungsakts auch ohne entsprechende gesetzliche VA-Befugnis. Denn im Rahmen des beamtenrechtlichen Über-/Unterordnungsverhältnisses, welches durchweg mittels Verwaltungsakt geregelt werde, sei die Behörde auch ohne besondere gesetzliche Grundlage kraft Gewohnheitsrechts zur Durchsetzung ihrer Ansprüche durch Verwaltungsakt befugt. Dies lehnt die h.L. (Rn. 126) unter Hinweis auf den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes dagegen ab. Hiernach bleibt dem Dienstherrn nur die Möglichkeit, nach erfolgloser Zahlungsaufforderung – einem Realakt – gegen den Beamten vor dem Verwaltungsgericht im Wege der Leistungsklage vorzugehen.
Beispiel[23]
Der T GmbH wurde die Genehmigung zur Durchführung von Krankentransporten mit Krankenkraftwagen für den Rettungsdienstbereich R erteilt. In der Nebenbestimmung zu dieser Genehmigung heißt es, dass alle Einsätze des Rettungsdienstes in R nur durchgeführt werden dürfen, wenn sie durch die örtliche Rettungsleitstelle vermittelt werden. Rettungsleitstelle für den Bereich R ist der KRD e.V., der diese Tätigkeit als Beliehener wahrnimmt. Im März 2017 vermittelte der KRD e.V. an die T GmbH 273 Krankentransporte. Daraufhin verpflichtet der KRD e.V. die T GmbH mit Bescheid vom 23.5.2018, als Entgelt für diese Vermittlung 2730 € zu zahlen. Zur Begründung beruft sich der KRD e.V. auf § 6 Abs. 3 S. 1 RDG BW, wonach die Rettungsleitstelle für die Vermittlung von Einsätzen in der Notfallrettung und im Krankentransport „Entgelte“ bei den Leistungserbringern im Rettungsdienst „erhebt“. Ist der gegen den Bescheid erhobene Widerspruch der T GmbH begründet, wenn dem KRD e.V. im Beleihungsakt nicht ausdrücklich die Kompetenz zur Geltendmachung des Entgelts nach § 6 Abs. 3 S. 1 RDG BW durch Verwaltungsakt zugewiesen worden ist?
Ja. Der Widerspruch ist begründet, da der Leistungsbescheid rechtswidrig und die T GmbH dadurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist, § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO. Dabei kann dahinstehen, ob dem KRD e.V. das in dem Bescheid geltend gemachte Leitstellenentgelt auf Grundlage des § 6 Abs. 3 S. 1 RDG BW der Sache nach zusteht. Denn der KRD e.V. darf das Leitstellenentgelt jedenfalls nicht durch einen Verwaltungsakt geltend machen. Im Hinblick auf den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts setzt der Erlass eines Verwaltungsakts nicht nur voraus, dass für die getroffene Regelung in materiell-rechtlicher Hinsicht eine gesetzliche Grundlage besteht, sondern auch, dass die Behörde in der Form eines Verwaltungsakts handeln darf. Die Geltendmachung einer Forderung durch Verwaltungsakt bedarf daher allein mit Blick auf diese Handlungsform, die durch behördliche Titelverschaffung, Vollstreckungsbefugnis und die mögliche Bestandskraft gekennzeichnet ist, regelmäßig einer Rechtsgrundlage. Zwar ist teilweise anerkannt, dass für den Erlass eines Leistungsbescheids nicht ausnahmslos eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist. Insbesondere wird es als zulässig angesehen, dass ein Forderungsrecht der öffentlichen Hand durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden kann, wenn der Hoheitsträger dem in Anspruch zu Nehmenden im Verhältnis hoheitlicher Überordnung gegenübersteht und noch hinzukommt, dass ein solches Über-/Unterordnungsverhältnis (Subordinationsverhältnis) gerade auch in Bezug auf den Anspruch besteht, der durch den Verwaltungsakt geregelt werden soll. Für einen Beliehenen gelten diese Grundsätze indes nicht. Denn die Reichweite einer Beleihung lässt sich nur anhand ausdrücklicher oder enumerativer gesetzlicher Kompetenzzuweisungen ermitteln, wobei die bloße Übertragung von hoheitlichen Befugnissen auf den privaten Rechtsträger nicht zugleich auch die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts beinhaltet. Wird der Beliehene in dem Beleihungsakt für ihm zustehende öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche hinsichtlich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht ausdrücklich zum Handeln durch Verwaltungsakt ermächtigt, ist er nicht befugt, diese Ansprüche durch einen Leistungsbescheid festzusetzen, sondern muss sie ggf. durch eine allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten geltend machen. Eine solche ausdrückliche Ermächtigung der mit hoheitlichen Befugnissen beliehenen Rettungsleitstelle zum Erlass eines Verwaltungsakts zur Geltendmachung des Leitstellenentgelts enthält der konkrete Beleihungsakt jedoch nicht. Abweichendes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass die Rettungsleitstelle nach § 6 Abs. 3 S. 1 RDG BW das Entgelt „erhebt“. Diese Formulierung rechtfertigt nicht den Schluss, das Gesetz gewähre ihr damit die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts. Denn der Begriff „erheben“ umfasst – ebenso wie der Begriff „einziehen“ – auch das Einfordern von Zahlungsansprüchen auf andere Art und Weise als durch den Erlass eines Verwaltungsakts. Aus dem Begriff „Entgelt“ lässt sich bereits nicht eindeutig die Zuordnung zu einem öffentlich-rechtlichen Charakter der Anforderung des Leitstellenentgelts entnehmen.
4. Teil Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts › A. Ermächtigungsgrundlage › II. Wirksamkeit
1. Normenhierarchie
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Die nur bei entsprechendem Anlass vorzunehmende Prüfung der Wirksamkeit der Ermächtigungsgrundlage (Rn. 123) richtet sich danach, ob es sich bei dieser um eine in einem förmlichen Parlamentsgesetz enthaltene Norm oder aber um eine Rechtsverordnung bzw. Satzung handelt. Denn gemäß der Rangordnung der Rechtsquellen (Normenhierarchie) müssen die niederrangigeren mit den höherrangigeren Rechtssätzen vereinbar sein, d.h. die vom Parlament erlassenen Gesetze müssen in Einklang mit der Verfassung (die ihrerseits wiederum namentlich sowohl dem primären[24] als auch dem sekundären[25] EU-Recht im Rang nachsteht)[26] und Rechtsverordnungen sowie Satzungen müssen in Einklang mit den einfachen Parlamentsgesetzen und der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie dem EU-Recht stehen. Das gilt sowohl auf Ebene des Bundes- als auch des diesem gegenüber nachrangigen (Art. 31 GG) Landesrechts.[27]
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Steht eine rangniedere Norm im Widerspruch zu einer ranghöheren Norm des nationalen Rechts, so ist die rangniedere Norm aufgrund des Geltungsvorrangs der ranghöheren Norm grundsätzlich nichtig (lex superior derogat legi inferiori) bzw. ist eine dem EU-Recht widersprechende deutsche Rechtsvorschrift nicht anwendbar (Anwendungsvorrang des EU-Rechts; Rn. 137). Bevor allerdings in der Fallbearbeitung von der Unwirksam- bzw. Unanwendbarkeit einer niederrangigeren Norm aufgrund eines scheinbaren Verstoßes gegen höherrangiges Recht ausgegangen wird, ist die betreffende Vorschrift in einem vorausgehenden Schritt daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht