Europarecht. Christiane Eichholz
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4. Teil Quellen des Unionsrechts › A. Das Primärrecht › II. Die Protokolle, Anhänge und Erklärungen
II. Die Protokolle, Anhänge und Erklärungen
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In Art. 51 EUV werden die Protokolle und Anhänge der Verträge zu Bestandteilen der Verträge erklärt. In diesen Protokollen werden Ausnahmen von vertraglichen Regelungen für einzelne Mitgliedstaaten erfasst und Konkretisierungen des Vertragstextes vorgenommen. Die rechtlich verbindlichen Protokolle binden grundsätzlich nur die EU-Organe und die mit dem Vollzug des Unionsrechts betrauten staatlichen Organe. Sie gelten aber auch im Verhältnis zwischen dem Bürger und dem jeweiligen Mitgliedstaat, wenn sie die Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit erfüllen.[5]
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Erklärungen können ebenfalls den Verträgen beigefügt werden. Sie sind rechtlich nicht bindende Auslegungshilfen für die Vertragstexte.
4. Teil Quellen des Unionsrechts › A. Das Primärrecht › III. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze
III. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze
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Auf allgemeine Rechtsgrundsätze bezieht sich Art. 340 Abs. 2 AEUV. Danach haftet die Union für durch ihre Organe oder Bedienstete verursachte Schäden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Mitgliedstaaten gemeinsam sind.
Zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören
• | die Grundrechte des Unionsrechts,[6] |
• | die allgemeinen Prinzipien wie das Rechtsstaatsprinzip und |
• | elementare Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit, denen sich jede Rechtsordnung verpflichtet fühlt.[7] |
Der EuGH ermittelt diese Rechtsgrundsätze vorrangig durch Rechtsvergleichung der Verfassungsprinzipien der Mitgliedstaaten und aus der EMRK.
Diese allgemeinen Rechtsgrundsätze binden grundsätzlich nur die Unionsorgane und die mit dem Vollzug des Unionsrechts betrauten staatlichen Organe. Sie gelten aber auch im Verhältnis zwischen dem Bürger und dem jeweiligen Mitgliedstaat, wenn sie die Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit erfüllen.[8]
4. Teil Quellen des Unionsrechts › A. Das Primärrecht › IV. Das Gewohnheitsrecht
IV. Das Gewohnheitsrecht[9]
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Hierbei handelt es sich um eine durch lang dauernde Übung und Rechtsüberzeugung entstandene Rechtsregel. In der Praxis hat das Gewohnheitsrecht eine untergeordnete Bedeutung. Gewohnheitsrechtliche Regelungen binden grundsätzlich nur die Unionsorgane und die mit dem Vollzug des Unionsrechts betrauten staatlichen Organe. Sie gelten aber auch im Verhältnis zwischen dem Bürger und dem jeweiligen Mitgliedstaat, wenn sie die Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit erfüllen.[10]
Anmerkungen
Thiele Europarecht S. 103; Arndt/Fischer/Fetzer Europarecht S. 43–45.
Der EGKSV war auf fünfzig Jahre abgeschlossen und ist zwischenzeitlich ausgelaufen.
Streinz Europarecht Rn. 450–455.
Thiele S. 104; Karpenstein Rn. 48–50.
Prüfungsschema Rn. 73.
Die Gründungsverträge enthalten keine ausdrückliche Kompetenzzuweisung zugunsten des EuGH bzgl. der Entwicklung von Unionsgrundrechten; EuGH Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft/Einfuhr- und Vorratsstelle, Slg 1970, 1125 Rn. 3.
Arndt/Fischer/Fetzer Europarecht S. 44.
Prüfungsschema in Rn. 73.
Gewohnheitsrecht kann auf der Ebene des Primär- als auch des Sekundärrechts entstehen; Arndt/Fischer/Fetzer Europarecht S. 44.
Prüfungsschema in Rn. 73.
4. Teil Quellen des Unionsrechts › B. Die völkerrechtlichen Verträge
B. Die völkerrechtlichen Verträge
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Die Union kann mit anderen Völkerrechtssubjekten wie z.B. mit assoziierten Staaten oder mit internationalen Organisationen völkerrechtliche Verträge gem. Art. 218 AEUV schließen. Gem. Art. 216 Abs. 2 AEUV sind die von der Union geschlossenen Übereinkünfte für die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten bindend. Völkerrechtsverträge werden mit ihrem Inkrafttreten integraler Bestandteil des Unionsrechts.
Völkerrechtliche Verträge