Der geschäftliche Betrieb als "Dritter" im Sinne des § 299 StGB. Maximilian Menn
stellt er ein natürliches Phänomen dar und ist in vielen Bereichen menschlichen Lebens anzutreffen.[3] Der Wettbewerbsbegriff hat seinen Ursprung in dem Wort „Konkurrenz“, welches seinerseits auf das französische „concurrence“ und das lateinische „concurrere“ zurückzuführen ist.[4] Wettbewerb gibt es beispielsweise in der Kunst um gesellschaftliche Anerkennung, im Sport um den Sieg, im Beruf um die Besetzung einer höheren Position, in der Politik um die Macht sowie in dem hier interessierenden Bereich der Wirtschaft um den Absatz auf Anbieter- oder die Abnahme von Produkten auf Nachfragerseite.[5] Als natürliches Phänomen kann man den Wettbewerb allerdings eher beschreiben als verbindlich definieren. Ganz allgemein geht es im Wettbewerb stets um die Rivalität mindestens zweier Personen um die Erreichung eines gleichen Ziels, welches jedoch nicht von beiden gleichzeitig oder zumindest nicht in gleichem Maße erreicht werden kann.[6] Auf den wirtschaftlichen Bereich bezogen bedeutet Wettbewerb damit Konkurrenz der Teilnehmer auf einem Markt um die Verwertung von Waren und Dienstleistungen auf Anbieterseite bzw. um die Beschaffung derselben auf Seiten der Nachfrager. Diese allgemeine Feststellung kann als eine erste Umschreibung des Wettbewerbsbegriffs dienen, stellt allerdings keinesfalls eine verbindliche und vollständige Definition dar.
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Trotz seines Bezugs zu den unterschiedlichsten Bereichen menschlichen Lebens und des hohen Abstraktionsgrades gab es im Schrifttum zahlreiche Versuche, den wirtschaftlichen Wettbewerb verbindlich zu definieren.[7] Doch herrscht sowohl unter Juristen als auch unter Wirtschaftswissenschaftlern eine große Divergenz und Unsicherheit im Gebrauch des Begriffs „Wettbewerb“.[8] Ein Konsens hinsichtlich einer allgemein gültigen Wettbewerbsdefinition konnte bislang nicht erzielt werden. Die Komplexität des Sachgebiets sowie die Tatsache, dass es sich beim wirtschaftlichen Wettbewerb um ein Entdeckungsverfahren[9] handelt, welches als solches für neue Ergebnisse, Strukturen und Verhaltensweisen offen sein muss, standen den Definitionsversuchen stets im Weg. Mittlerweile geht deshalb die überwiegende Auffassung in der juristischen und auch wirtschaftswissenschaftlichen Literatur davon aus, dass eine einheitliche Definition des Wettbewerbs schlichtweg nicht möglich ist.[10] In der Folge ist es auch nicht verwunderlich, dass sich der Gesetzgeber einer Legaldefinition des Wettbewerbs enthalten hat. In keiner wettbewerbsrechtlichen Vorschrift wird der Begriff allgemein verbindlich definiert. Dieses für komplexe Begriffe aus interdisziplinäreren Bereichen nicht ungewöhnliche Vorgehen des Gesetzgebers erschwert allerdings im Allgemeinen die praktische Anwendung wettbewerbsrechtlicher Normen.
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Für den im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden Bereich des § 299 StGB kann das Fehlen einer präzisen und verbindlichen Wettbewerbsdefinition aber zunächst hingenommen werden.[11] So kann wie gezeigt keine Definition lückenlos alle Aspekte des Wettbewerbsbegriffs erfassen. Die Mängel bei der Begriffsbestimmung gilt es aber durch eine genaue Beschreibung der Voraussetzungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs sowie der wesentlichen Wettbewerbsfunktionen auszugleichen, um so ein besseres Verständnis hinsichtlich der verschiedenen Auswirkungen von Bestechungszahlungen zu erhalten.
Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › B › II. Voraussetzungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs und Aufgabe des Wettbewerbsrechts
II. Voraussetzungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs und Aufgabe des Wettbewerbsrechts
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Wichtigste Grundvoraussetzung für das Entstehen von Konkurrenz und damit Wettbewerb auf dem Markt ist die Gewährleistung unternehmerischer Betätigungsfreiheit.[12] Dazu ist eine Rechtsordnung erforderlich, die den Marktteilnehmern Eigentums- und Verfügungsrechte zuspricht, ihnen durch die Gewerbefreiheit die Marktteilnahme ermöglicht, durch die Vertragsfreiheit die Wahl der Vertragspartner überlässt, die ein funktionsfähiges Währungs- und Bankensystem etabliert und schließlich den Wettbewerb vor Beschränkungen schützt.[13] Die dafür notwendigen Regeln gilt es durch Gesetz und Gewohnheit zu bestimmen.[14]
Die Gewährleistung dieser Voraussetzungen allein genügt jedoch nicht. Wettbewerber müssen nicht nur fähig sein, am Wirtschaftsprozess teilzunehmen, sondern auch gewillt sein, sich wettbewerbsmäßig zu verhalten und die Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmern zu suchen.[15] Dazu muss sowohl auf Anbieter- als auch auf Nachfragerseite ein Maximum von Transparenz auf den Märkten bestehen, damit eine freie Entscheidungsfindung ermöglicht wird. Des Weiteren müssen die Teilnehmer über die notwendigen technischen und finanziellen Ressourcen verfügen, um neue Produkte am Markt zu etablieren oder auch um die vorhandenen entsprechend verwerten zu können.[16] Auch dürfen für Wettbewerber keine zu hohen Markteintritts- oder auch Austrittschranken bestehen. Schließlich müssen die Freiheit und Neutralität eines sich rechtstreu verhaltenden Mitbewerbers gewährleistet werden.[17]
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Aufgabe des Wettbewerbsrechts ist es also, das Funktionieren des Wettbewerbs in seiner Gesamtheit durch Regeln sicher zu stellen. Dahinter steht der Gedanke, dass für die marktwirtschaftliche Gesellschaftsordnung das Funktionieren eines auf dem Leistungsprinzip[18] beruhenden Wettbewerbs sowie das Bewusstsein in der Bevölkerung von der Rationalität und Offenheit des Marktes schlichtweg konstituierend sind.[19] Sind die Grundvoraussetzungen für das Entstehen des wirtschaftlichen Wettbewerbs vorhanden, kann dieser seine wettbewerbspolitischen und ökonomischen Funktionen entfalten.
Teil 2 Grundsätzliche Erwägungen › B › III. Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs
III. Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs
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Unabhängig von den Problemen bei der exakten Bestimmung des Wettbewerbsbegriffs herrscht Einigkeit darüber, dass der Wettbewerb sowohl gesellschafts- als auch wirtschaftspolitisch gewünschte Funktionen[20] erfüllt.[21] Die Darstellung dieser Funktionen kann an späterer Stelle möglicherweise wichtige Aufschlüsse darüber geben, inwieweit sie genau durch Bestechungszahlungen vereitelt oder zumindest erschwert werden und folglich auch durch § 299 StGB strafrechtlich zu schützen sind. Da die exakte Bestimmung der Wettbewerbsfunktionen einen klaren gesellschaftswissenschaftlichen bzw. wirtschaftswissenschaftlichen Kontext aufweist, soll nachfolgend ein zusammenfassender Überblick über die wichtigsten Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs gegeben werden. Eine umfangreiche Auseinandersetzung ist nicht geboten, da trotz zum Teil erheblich auseinandergehender Detailaussagen über die erwarteten Wettbewerbswirkungen ein Grundkonsens über die Hauptfunktionen besteht.[22] Dabei ist zu beachten, dass die angestrebten Wettbewerbsfunktionen eine Art Wunschzustand darstellen und keinesfalls allesamt in der Realität erfüllt werden können.
1. Ökonomische Funktionen des wirtschaftlichen Wettbewerbs
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Eine elementare Aufgabe einer modernen Volkswirtschaft ist die Verminderung der bestehenden Güterknappheit.[23] Natürliche Ressourcen sowie produzierte Waren und Dienstleistungen sind nur begrenzt vorhanden oder können nur in begrenzter Form sinnvoll produziert oder angeboten werden. Der Einsatz von Produktionsfaktoren muss so erfolgen, dass die privaten und öffentlichen Bedürfnisse erfüllt werden und so der Wohlstand der Gesellschaft anwächst.[24] In der freien Marktwirtschaft erfolgen Produktion und Vermarktung von Gütern dezentral und nach egoistischen Motiven. Damit dennoch eine möglichst breite Versorgung mit den benötigten Gütern erreicht werden kann, ist ein System erforderlich, welches der Güterknappheit entgegenwirkt. Dieses System ist der marktwirtschaftliche Preismechanismus.[25] Die Preise entscheiden über Produktion, Verkauf und Abnahme der Produkte. Da der einzelne Marktteilnehmer im Wirtschaftsverkehr in der Regel vorrangig an einem möglichst großen Gewinn interessiert ist, ist der Wettbewerb wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren des Preismechanismus. Zudem ist er ein entscheidender Faktor bei der Reduzierung der Güterknappheit.[26] Durch einen funktionierenden