Die Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts. Markus Wagner
Anspruch auf soziale Verhaltenssteuerung vereinbar, bewusst widersprüchliche Anordnungen zu treffen.[206] Da Höpfner jedoch von einer „Vielzahl von Normsetzern“ ausgeht, also die verschiedenen Repräsentanten (die vom jeweils vorherrschenden Zeitgeist geprägt sind) logisch voneinander trennt,[207] schließt er nicht aus, dass es zu unbewussten Widersprüchen kommen kann.[208] Es sei Aufgabe der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung, diese im Wege des „denkenden Gehorsam[s]“ aufzulösen.[209]
(d) Herleitung aus Verfassungsprinzipien
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Vielfach wird die Einheit der Rechtsordnung aus dem Verfassungsrecht abgeleitet. Teilweise wird sogar behauptet, nur dann könnte der Rechtsfigur überhaupt eine ernsthafte Bedeutung zukommen.[210] Dass das Grundgesetz den Begriff der „Einheit der Rechtsordnung“ nicht kennt,[211] hat hierfür keine Relevanz.[212]
(aa) Demokratieprinzip
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Den ersten denkbaren Anknüpfungspunkt bildet das Demokratieprinzip. Gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt von Volke aus. Dieses Volk ist ausweislich der Präambel sowie Art. 1 Abs. 2 GG, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 146 GG nur ein Volk, das dementsprechend auch nur einen Willen bilden kann.[213] Aus diesem einheitlichen Willen folge die Einheit der Rechtsordnung.[214]
(bb) Rechtsstaatsprinzip
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Als weitere Quelle wird das Rechtsstaatsprinzip genannt. Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung diene der Rechtssicherheit, die wiederum Teil des Rechtsstaatsprinzips sei, insbesondere in ihrer Ausprägungsform des Gebots der Normenklarheit.[215] Zudem würde die Begründung einer Einheit der Rechtsordnung aus dem Demokratieprinzip durch den ebenfalls dem Rechtsstaatsprinzip entspringenden Grundsatz der Gewaltenteilung untermauert, denn einerseits würde der einheitliche Wille des Volkes durch die Verfassungs- und Gesetzesbindung der Rechtsprechung und der Exekutive im Rahmen der horizontalen Gewaltenteilung weitergetragen, zum anderen in vertikaler Hinsicht durch die hierarchische Struktur der Rechtssetzung gewährleistet.[216] Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass „[d]as Rechtsstaatsprinzip und die bundesstaatliche Kompetenzordnung […] alle rechtsetzenden Organe [verpflichten], ihre Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also nicht aufgrund unterschiedlicher Anordnungen widersprüchlich wird […].“[217]
(cc) Bundesstaatsprinzip
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Wie bereits die soeben zitierte Äußerung des Bundesverfassungsberichts deutlich macht, werden auch das Bundesstaatsprinzip und die föderale Kompetenzverteilung zur Begründung der Einheit der Rechtsordnung herangezogen. Einen Hinweis hierauf gibt Art. 72 Abs. 2 GG, der die Zuständigkeitszuweisung an den Bund in bestimmten Bereichen davon abhängig macht, ob eine bundeseinheitliche Regelung zur „Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit“ notwendig ist.[218] Zudem werden die harmonisierenden Vorschriften gem. Art. 28 Abs. 1, 31 und 142 GG angeführt, die für ein einheitliches Recht im Bundesgebiet sprechen sollen.[219]
(dd) Gleichheitssatz
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Ebenfalls mehrfach als Geltungsgrund der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung wird der Gleichheitssatz genannt,[220] der seinen positiv-rechtlichen Niederschlag in Art. 3 Abs. 1 GG findet. Ihn beschreibt etwa Canaris als eines der Grundprinzipien, die aus der Rechtsidee folgen und unmittelbar die Einheit der Rechtsordnung zur Folge haben.[221] Dagegen wird eingewandt, „daß das System zur Rechtsquelle erhoben, die Rechtswissenschaft dem politischen Gesetzgeber übergeordnet würde.“[222] Das Bundesverfassungsgericht hat den Systemgedanken mehrfach mit dem Gleichheitssatz in Verbindung gebracht, einer Systemwidrigkeit allerdings nur indizielle Wirkung für die Annahme eines Verfassungsverbots beigemessen;[223] darüber hinaus stelle „[d]er Gedanke der „Systemgerechtigkeit“ und organisatorischen Reinheit […] keinen selbständigen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab“ dar.[224]
(3) Adressierung
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Soweit die Einheit der Rechtsordnung als Postulat verstanden wird, wird nur selten hinreichend bezeichnet, wer Adressat dieses Postulats sein soll. Dabei sind denklogisch drei Modelle möglich: die Adressierung (nur) des Rechtssetzers, (nur) des Rechtsanwenders sowie die Adressierung beider.
(a) Adressierung (nur) des Rechtssetzers
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Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen beiden Entscheidungen vom 7.5.1998[225] unter Berufung auf das Rechtsstaatsprinzip ein Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung an die rechtssetzenden Instanzen formuliert: „Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen.“[226]
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Dass hieraus allerdings eine allgemeine Forderung zur Abstimmung von Rechtsnormen auch innerhalb einer Rechtssetzungsinstanz abgeleitet werden kann, scheint mehr als zweifelhaft: Zwar hatte das Gericht bereits einmal die Rechtsstaatswidrigkeit eines Gesetzes (unter anderem) aufgrund von die Normklarheit beseitigenden Normwidersprüchen innerhalb dieses Gesetzes angenommen,[227] diese Entscheidung aber in den genannten Urteilen offenbar bewusst nicht rezipiert. Zudem machen die Entscheidungen deutlich, dass das Widerspruchsfreiheitspostulat sich gerade nur auf den Bereich der föderalen Mehrebenenproblematik beziehen soll.[228] Doch selbst in diesem Bereich hat der entscheidende Senat es vermieden, seine eigene Rechtsprechung zu rezipieren.[229] Nicht zuletzt entstünde durch ein solches Verständnis der Entscheidungen eine mit demokratischen Grundsätzen nicht zu vereinbarende Selbstbindung des Gesetzgebers,[230] die das Bundesverfassungsgericht wohl kaum etablieren wollte.
Auch im Übrigen wurde eine genellere Adressierung der rechtssetzenden Instanzen durch eine als Postulat verstandene Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung bislang – soweit ersichtlich – nicht vertreten.
(b) Adressierung (nur) des Rechtsanwenders
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Vielmehr wird die Forderung nach einer Harmonisierung der Rechtssätze innerhalb einer Normordnung von den Vertretern der Postulatsthese oder eines kombinierenden Ansatzes an den Rechtsanwender adressiert.
(c) Adressierung sowohl des Rechtssetzers wie auch des Rechtsanwenders
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Entsprechend dem oben Gesagten wurde bislang auch noch nicht die These vertreten, die als Postulat verstandene Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung richte sich sowohl an den Rechtssetzer wie auch an den Rechtsanwender. Ein solcher Ansatz müsste sich zudem einen inneren Widerspruch vorwerfen lassen: Hat bereits der Rechtssetzer für die Widerspruchslosigkeit der Normen zu sorgen, dürfte für dieselbe Aufgabe auf der Ebene der Rechtsanwendung kein Raum mehr verbleiben. Falls doch, so ließe es sich vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes nur schwer und nur in extremen Ausnahmefällen rechtfertigen, dem Rechtsanwender die Aufgabe der ihm vorgelagerten Instanz zu übertragen.
(4) Zusammenfassung
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Ein einheitliches Verständnis einer „Einheit der Rechtsordnung“ im Sinne ihrer Widerspruchsfreiheit existiert innerhalb von Rechtsprechung und Literatur nicht; nur schwer lassen sich gewisse Strömungen ausmachen. Teilweise wird der Grundsatz vollständig abgelehnt, teilweise als vorfindlicher Zustand der Rechtsordnung und teilweise