Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz - Eva-Maria Kremer


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die Behörde ist mit einschneidender Rechtsmacht ausgestattet. Sie bescheinigt sich – richterähnlich – selbst die Vollstreckbarkeit ihrer Forderung. Hier gilt also der Grundsatz der Selbstvollstreckung (BVerwG U 14.3.2006 – 1 C 11/05, juris = BVerwGE 125, 110). Der Leistungsbescheid ist der Vollstreckungstitel. Das verpflichtet die Behörde naturgemäß zu besonderer Sorgfalt (vgl. BGH U 25.1.1980 – V ZR 161/76, juris = NJW 1980, 1754).

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      Anders ist es, wenn gemäß § 169 VwGO zugunsten der öffentlichen Hand vollstreckt werden soll. Hier ist ein Titel nach § 168 VwGO erforderlich. Denn der Vorsitzende des Verwaltungsgerichts des ersten Rechtszuges schafft nicht in eigener Machtvollkommenheit selbst einen Titel. Er vollstreckt vielmehr aus einem bereits vorhandenen (Rn. 76; § 4 Rn. 9). Im Übrigen müssen auch hier die sonstigen Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung gemäß § 3 Abs. 2 vorliegen. Ferner muss der Schuldner nach § 3 Abs. 3 besonders gemahnt worden sein. Gemäß § 171 VwGO ist eine Vollstreckungsklausel nicht erforderlich.

      Der Gerichtsvorsitzende vollstreckt nur aus den gerichtlichen Titeln des § 168 VwGO. Das ergibt sich aus den §§ 169, 170, 172 VwGO. Er vollstreckt also weder einen Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) noch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 54, 61 VwVfG). Die Vollstreckung richtet sich allein gegen Private. Der Titel muss gemäß § 56 VwGO zugestellt sein.

II. Zu Absatz 2

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      Die Einleitung der Vollstreckung ist nur dann zulässig und rechtmäßig, wenn alle drei im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen vorliegen. Diese stimmen mit den Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung nach § 254 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 VwVG überein.

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      Durch den Leistungsbescheid wird der Schuldner mit genauer Angabe der Höhe und des Grundes der geschuldeten Leistung unmissverständlich zur Zahlung aufgefordert. Bei ihm handelt es sich regelmäßig um die hoheitliche Entscheidung einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen, mithin um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG. Selbstverständlich ist materielle Vorbedingung für den Erlass eines Leistungsbescheides, dass die Verwaltungsbehörden auf Grund obrigkeitlicher Gewalt entscheiden darf. Denn die Vollstreckungsgewalt der Behörde entspricht ihrer Verfügungsgewalt (BVerwG U 21.9.1966 – 5 C 155/65, juris Rn. 25 = BVerwGE 25, 72 (77 f.)). Maßgebend ist also, dass die Behörde einen Verwaltungsakt erlassen darf.

      Diese zuständige Behörde darf aber eine juristische Person des Privatrechts nicht ohne gesetzliche Grundlage ermächtigen, an ihrer Stelle den Leistungsbescheid zu erlassen. Er wäre nichtig (VGH Kassel B 17.3.2010 – 5 A 3242/09.Z, juris = NVwZ 2010, 1254).

      Steht der Gläubigerbehörde außer einer Hauptforderung auch eine Nebenforderung zu, kann sie einen gemeinsamen Leistungsbescheid erlassen. Will sie aber wegen der beiden Forderungen getrennt vollstrecken, dann muss sie für ihre Forderungen getrennte Leistungsbescheide erlassen (vgl. VG Lüneburg U 14.4.2010 – 3 A 91/08 –, juris = NVwZ-RR 2010, 590).

      Nach § 254 Abs. 1 S. 1 AO gehört zu den Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung ein Leistungsgebot. Dessen Legaldefinition besagt, dass der „Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden“ sein muss. Leistungsgebot ist eine andere Bezeichnung für den Leistungsbescheid. Auch das Leistungsgebot ist ein Verwaltungsakt (BFH U 22.10.2002 – VII R 56/00, juris = NJW 2003, 1070; OVG Münster B 6.10.1993 – 3 A 2828/88, juris = NVwZ-RR 1994, 414).

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      Ein Festsetzungsbescheid, der lediglich feststellt, dass eine Zahlungsverpflichtung in bestimmter Höhe besteht, ist kein Leistungsbescheid. Denn er ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt im Sinne von § 80 Abs. 1 S. 2 VwGO, der noch keine Zahlungsforderung enthält (vgl. VG Gera B 6.5.2004 – 5 E 71/04, juris = NVwZ-RR 2005, 5; Bader/Funke-Kaiser, § 80 Rn. 32).

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      Hat ein Vorverfahren stattgefunden, ist Voraussetzung für die Einleitung der Vollstreckung entsprechend § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Leistungsbescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. So kann der Widerspruchsbescheid die Aufforderung an den Schuldner enthalten, die Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Zahlstelle zu erbringen (OVG Lüneburg B 13.9.1994 – 9 M 4213/94, juris = KKZ 1996, 12).

      Die Widerspruchsbehörde muss beachten, dass der Widerspruchsbescheid gegenüber dem Leistungsbescheid grundsätzlich keine Verschlechterung enthalten darf. Denn hier gilt das überlieferte Verbot der reformatio in pejus (vgl. OVG Weimar U 21.7.2010 – 4 KO 173/08, juris = LKV 2011, 92).

      Im Klageverfahren kann das Gericht Bestimmungen über den Inhalt eines Leistungsbescheides treffen. Das ergibt sich aus § 113 Abs. 2 VwGO (BVerwG U 3.6.2010 – 9 C 4/09, juris = BVerwGE 137, 105).

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      Der Leistungsbescheid muss den tatsächlichen Vollstreckungsschuldner benennen. Denn ein irrtümlich an einen Nichtschuldner gerichteter Bescheid kann nach Erlöschen der Forderung nicht mehr durch Auswechslung der Schuldnerbezeichnung berichtigt werden (VGH München U 15.12.1989 – 23 B 87.03459, juris = NVwZ-RR 1990, 393).

      Man beachte die Handlungsunfähigkeit von Minderjährigen. So kann zum Beispiel ein Zwölfjähriger nicht Gebührenschuldner eines von ihm veranlassten Polizeieinsatzes sein (VGH Kassel B 23.3.2011 – 5 A 2224/10.Z, juris = NVwZ 2011, 893).

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      Die zuständige Verwaltungsbehörde erlässt Leistungsbescheide nicht nur in eigener Sache als Gläubiger, sondern auch als Aufsichtsbehörde für beliehene Unternehmer. Das ist zum Beispiel bei dem Bezirksschornsteinfegermeister der Fall. Dieser nimmt zwar Aufgaben der öffentlichen Gewalt wahr und ist deshalb Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG. Er ist jedoch gesetzlich nicht dazu ermächtigt, die Gebühren selbst durch Leistungsbescheid festzusetzen und beitreiben zu lassen. Insoweit wird auf seinen Antrag die Aufsichtsbehörde für ihn tätig (BVerwG B 18.12.1989 – 8 B 141/89, juris = BVerwGE 84, 244; VGH Mannheim U 29.7.1993 – 2 S. 246/93, juris = NVwZ 1994, 1135).

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      Jedoch kann der beliehene Unternehmer nach Landesrecht auch ermächtigt sein, einen Leistungsbescheid zu erlassen. Das ist zum Beispiel im Berliner Bauordnungsrecht der Fall: Der Prüfingenieur für Baustatik hat die Kosten gegenüber dem Bauherrn, der zur Zahlung verpflichtet ist, selbst geltend zu machen. Die Kosten werden auf Antrag des Prüfingenieurs im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben. Die Vollstreckungsanordnung erlässt die zuständige Baubehörde. Das gilt u.a. gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 4 VwVGBbg auch im Land Brandenburg (VG Potsdam B 20.2.2002 – 5 L 1142/01, juris, NVwZ-RR 2002, 624 L). Die Behörde ist weisungsbefugt (vgl. VGH Mannheim B 30.1.2003 – 5 S 492/01, juris = BauR 2003, 1368). Vergleichbares gilt für einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur (OVG Magdeburg U 14.5.2009 – 2 L 78/08, juris = LKV 2009, 329).


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