Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz - Eva-Maria Kremer


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die Außenhandelskontrolle v. 8.4.1920 (RGBl. S. 500).

      An dieser Rechtslage hatte sich bis zum Inkrafttreten des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes nichts geändert. Es gab keine allgemeine bundesrechtlichen Kodifikation des Verwaltungszwangsverfahrens. Die Bundesbehörden hatten sich angesichts dieser Gesetzeslücke dadurch zu helfen gesucht, dass sie die geschuldeten Leistungen von den Vollstreckungsbehörden der Länder im Wege der Amtshilfe beitreiben ließen.

      Dieses Verfahren hatte wegen der Unübersichtlichkeit und Verschiedenartigkeit der in Frage kommenden landesrechtlichen Bestimmungen zu Schwierigkeiten geführt. Daher waren manche Bundesbehörden dazu übergegangen, ihre öffentlich-rechtlichen Geldforderungen vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen und die auf diese Weise erlangten Titel nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung zu vollstrecken. Dieser Weg bedeutete eine Erschwerung der Beitreibung. Er führte auch zu einer Belastung der Gerichte und Verwaltungsbehörden.

      Für die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen gab es früher gleichfalls keine allgemeine bundesgesetzliche Regelung. Nach herrschender Auffassung war die Vollstreckungsbefugnis ein der Verwaltung zustehendes Recht, dessen Ausübung unabhängig von einer gesetzlichen Grundlage zulässig sei. Es galt: Was eine Behörde kraft ihrer gesetzlichen Vollmacht anordnen könne, müsse sie auch erzwingen dürfen, notfalls mit physischer Gewalt. Indessen bestanden Unklarheiten über den Umfang des Zwanges. Darum hielten es Landesgesetzgeber für notwendig, den Verwaltungszwang zu ordnen. Zur Geschichte siehe Malmendier, Bertrand: Die Zwangsmittelfestsetzung in der Verwaltungsvollstreckung des Bundes und der Länder, VerwArch Band 94 (2003), 25.

      Beispiele:

Thüringen: Landesverwaltungsordnung vom 10.6.1926 (Ges.-S. S. 177), §§ 147–168.
Preußen: Polizeiverwaltungsgesetz vom 1.6.1931 (GS. S. 77), §§ 55–57 sowie § 79 Abs. 2 Buchst. m i. V. m. §§ 132–135 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30.7.1883 (GS. S. 195). Diese beiden Gesetze sind die Rechtsvorgänger des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes.
Bremen: Gesetz über das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungszwang vom 11.4.1934 (GBl. S. 132), §§ 19–22.
Niedersachsen: Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 21.3.1951 (GVBl. S. 79), §§ 35–39.

      Schließlich war es auch im Bereich der Bundesverwaltung geboten, dieses Rechtsgebiet zu kodifizieren. Damit entsprach der Bundesgesetzgeber dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG.

      Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zielt auf die Bindung der Verwaltung an das geltende Recht (Vorrang des Gesetzes), die Legitimierung von Eingriffen durch formelles Gesetz (Vorbehalt des Gesetzes) und die ausreichende Bestimmtheit der gesetzlichen Ermächtigung. Nach dem Vorbehalt des Gesetzes darf ein Hoheitsträger gegenüber einem Bürger nur dann einen belastenden Eingriff vornehmen, wenn es dafür eine formell-gesetzliche Grundlage gibt (BVerfG B 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56; 1, 7/57, BVerfGE 8, 274, 276, 325 = NJW 1959, 475 = DVBl. 1959, 171 = JZ 1959, 355 = BB 1959, 133 = DWW 1959, 164 = VersR 1959, 181 = VerwRspr. 11, 769).

      Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Leitsatz 7) fordern die Grundsätze des Rechtsstaates, „dass auch Ermächtigungen der Exekutive zur Vornahme belastender Verwaltungsakte durch das ermächtigende Gesetz nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, so dass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden. Das folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dem Prinzip der Gewaltenteilung und aus der rechtsstaatlichen Forderung nach möglichst lückenlosem gerichtlichem Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt“. Mit gleichem Inhalt und Ziel entschied bereits das Bundesverwaltungsgericht (U 20.5.1955 – 5 C 14/55, BVerwGE 2, 114 = DÖV 1955, 635 = NJW 1955, 1693 = DVBl. 1955, 770 = VerwRspr. 8, 157).

      2

      Die Verwaltungsvollstreckung ist die Fortsetzung des Verwaltungsverfahrens. Das Verwaltungsvollstreckungsverfahren gehört daher zum allgemeinen Verwaltungsrecht. Dieses hat drei Träger:

das grundlegende Verwaltungsverfahren,
das Verwaltungszustellungsverfahren und
das Verwaltungsvollstreckungsverfahren.

      Zwar ist die Zuständigkeit für die Gesetzgebung über das allgemeine Verwaltungsrecht im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Sie ist aber gleichwohl eine notwendige und verfassungsrechtlich zulässige Annexkompetenz der dem Bund und den Ländern in Art. 70 ff. GG verliehenen sachlichen Zuständigkeit. Denn das Recht zur Gesetzgebung auf einem bestimmten Sachgebiet schließt die Befugnis ein, die dieses Gebiet betreffenden Verfahrensgesetze zu schaffen (BVerfG B 29.4.1958 – 2 BvO 3/56, BVerfGE 8, 143, 149, 150 = NJW 1959, 29 = GewArch 1959, 21 = DÖV 1959, 66 = DVBl. 1959, 393 = BayVBl. 1959, 151 = VerwRspr. 11, 513). Hier wird also keine neue Kompetenz eigenmächtig geschaffen, sondern eine bereits vorhandene mit dem erforderlichen Inhalt ausgefüllt (vgl. Jarras/Pieroth, Art. 70 Rn. 7). Auf dieser Rechtslage beruht das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz.

      Im Übrigen ist der Bund nicht befugt, das Vollstreckungsverfahren in der Verwaltung allgemein auch für die Bundesländer vorzuschreiben. Die (konkurrierende) Gesetzgebung des Bundes erstreckt sich nämlich auf das „gerichtliche“ Verfahren. Das ergibt sich aus Art. 30, 70, 72, 74 Nr. 1 GG. Also muss das Gesetz auf die Bundesverwaltung beschränkt sein.

      Hiervon gibt es gemäß Art. 83, 84 Abs. 1 GG eine Ausnahme: Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze etwas anderes bestimmen (Beispiele: § 1 Rn. 2). Insoweit sind die Vollstreckungsvorschriften, die der Bund den Ländern vorgibt, ebenfalls ein Annex des Sachgebiets, das der Bund jedoch kraft seiner besonderen Gesetzgebungskompetenz geregelt hat (BVerfG B 29.4.1958, vorstehend). – Ergänzend sei auf die Sonderregelung für das Verfahren der Finanzbehörden nach Art. 108 Abs. 5 GG hingewiesen. Die Regelung dieses Verfahrens liegt demnach in der ausschließlichen Kompetenz des Bundesgesetzgebers. Er hat dabei nicht nur die Befugnis, sondern die Pflicht zur Regelung (Maunz, Art. 108 Rn. 56; Umbach/Clemens, Art. 70 Rn. 34–38).

      Die Berechtigung des Bundes zu Sonderregelungen ergibt sich aus Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG; dort heißt es: „In Ausnahmefällen kann der Bund wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln.“ Dazu Mammen, Der neue Typus der konkurrierenden Gesetzgebung mit Abweichungsrecht, DÖV 2007, S. 376–380. Abweichungen von den Regelungen des Verwaltungsverfahrens sind zum Beispiel ausgeschlossen durch Art. 3 und 4 des Gesetzes zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV) vom 23.5.2005, erlassen am 20.7.2007 (BGBl. II S. 930); dazu Gesetz zur Durchführung der IGV vom 21.3.2013 (BGBl. I S. 566). Ausgeschlossen sind Abweichungen auch in § 14 des Freizügigkeitsgesetzes/EU, in § 105a des Aufenthaltsgesetzes, in § 16 des Visa-Warndateigesetzes, in § 71 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, in § 41 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, in § 16 des Öko-Landbaugesetzes und in § 115a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.


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