Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand

Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen - Christoph Hillebrand


Скачать книгу
Linie als Leistungsansprüche auf Herausgabe des Erlangten in Höhe der noch vorhandenen Bereicherung (vgl. §§ 818 Abs. 3 und 4, 819) gerichtet. Das Risiko inzwischen eintretender Entreicherung des Herausgabeschuldners trägt damit der Gläubiger. Soweit Leistungen noch nicht erbracht worden sind, braucht der (ehemals) Verpflichtete in Folge des Wegfalls des Rechtsgrundes seinerseits keine Leistungsklage zu befürchten.

      Anders nur, wenn das unwirksam gewordene Schuldverhältnis zuvor durch eine abstrakte Verpflichtungserklärung bestätigt worden war, also insb. ein abstraktes Schuldanerkenntnis (§ 781) oder eine Stipulation (§ 780) erteilt worden war, könnte der Gläubiger trotz Nichtigkeit des Schuldverhältnisses aus diesem (hiervon „abstrakten“) Schuldgrund dennoch die Leistung fordern, welche er allerdings sodann in Folge umgekehrter Bereicherungsklage zurückgeben müsste. Dadurch würde dem Kondiktionsgläubiger aufgrund nur formaler Leistungspflicht ohne Not das Entreicherungs- wie das Insolvenzrisiko aufgebürdet. Dies zu vermeiden ist er berechtigt, die Kondiktionsklage bereits zur Verteidigung gegen das Leistungsverlangen, nämlich als Einrede, zu erheben (vgl. § 821).

      Beispiel solcher abstrakten Verpflichtung ist die Gutschrift eines Zahlungseingangs auf dem Tagesauszug eines Bankkontos; diese hat zwar nach der Kontokorrentabrede keine Novationswirkung, gestattet aber dem Kunden die Verfügung über die Valuta. Handelt es sich nun um eine Fehlbuchung, darf die Bank zwar eine Korrekturbuchung vornehmen, welcher der Kunde aber u.U. widersprechen kann (vgl. dazu Nr. 8.1 AGB Banken), so dass die Bank die Bereicherungsklage erheben muss.

      Durch § 821 wird nun vermieden, dass der Kunde solche Verzögerung nutzen könnte, um mit der ihm nicht zustehenden Valuta „zu verschwinden“. In der Praxis schreiben Banken typischerweise unsichere Zahlungseingänge aber von vornherein nur „Eingang vorbehalten“ (E.v.), also unter auflösender Bedingung gut. Sie greifen damit zeitlich dem § 821 nochmals vor.

      668

      Die Bereicherungseinrede kann aus diesem Rechtsgedanken in allen Fällen erhoben werden, in denen das zu Leistende umgehend zurückgefordert werden könnte (Grundsatz des dolo agit, qui petit, quod restituere oportet eundem) und hindert dann die Durchsetzbarkeit des Leistungsanspruchs.

      § 3 Ausgleichsordnung › C. Bereicherungsausgleich › V. Nichtleistungskondiktionen, allgemeine Eingriffskondiktion

      669

      Vermögensmehrungen können außer auf Leistungen auch „in sonstiger Weise“ entstehen, z.B. als Folge normalen Wirtschaftens, durch allgemeine wirtschaftliche, politische etc. Umstände, durch Naturereignisse etc. Solche Bereicherungen können in der Schaffung neuer Güter liegen oder ebenso in einer Umverteilung („auf Kosten“ eines Anderen), ohne dass diese Unterscheidung notwendigerweise etwas über die Rechtfertigung der Bereicherung aussagte (etwa Vorteile aufgrund besonderen Verhandlungsgeschicks). Erst wenn Vorteile unbefugt erlangt werden, soll der dadurch Benachteiligte Ausgleichsansprüche erhalten.

      „Auf Kosten“ eines anderen ist danach nur erlangt, was dessen absolut geschützte Rechtssphäre beeinträchtigt. Maßgeblich ist nicht die tatsächliche Vermögensminderung, sondern das Betroffensein eines zu definierenden Schutzbereichs.

      Rechtsgrundlosigkeit meint sodann die Verletzung dieses spezifischen Schutzbereichs und wird zumeist definiert als Widerspruch zum Zuweisungsgehalt eines Rechts. Damit ist klargestellt, dass die verletzte Rechtsposition gerade vor solchen Eingriffen muss schützen wollen.

      670

      

      Keinen Zuweisungsgehalt hat etwa ein Rechtsreflex; solche Schutznormen mögen dem allgemeinen Interesse dienen (Verschwiegenheitspflichten von Ärzten, Rechtsanwälten etc., auch Verkehrssicherungspflichten), wovon der Einzelne durchaus profitieren soll (was sich in einer deliktischen Haftung für Verstöße auswirkt), nicht jedoch schützen diese Pflichten ein besonders anerkanntes Interesse des Verletzten, der etwa dann den Erlös oder Gewinn aus der Rechtsverletzung vom Täter heraus verlangen könnte. Auch sog. absolute Rechte enthalten nicht stets einen umfassenden Zuweisungsgehalt, sondern nur, wo sie hinreichend konkret sind (z.B. das Recht am eigenen Bild als konkrete Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts); nur in Fällen der Verletzung konkreter Schutzbereiche gibt die Eingriffskondiktion die Möglichkeit zur Gewinnabschöpfung im Falle unbefugter Nutzung.

      Beispiele:

      Konkret genug sind auch Immaterialgüterrechte, nicht aber das Recht am „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ und auch nicht schlichte Wettbewerbsverstöße nach UWG.

      Die Verletzung eines Alleinvertriebsrechts führt ebenfalls nicht zu Kondiktionsansprüchen des Vertrieblers (Handelsvertreter oder Franchisenehmer), weil es kein absolutes Recht ist, sondern ein schuldrechtliches aus dem Lizenzvertrag (Rechtspacht), es muss daher über den Lizenzgeber ausgeglichen werden, dessen Stammrecht zumeist die Eingriffskondiktion gegen Eingriffe eröffnet.

      Eine Haftung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 für Eigentumsverletzungen greift etwa bei der gegenüber Gesetz oder Vereinbarung höheren als erlaubten Benutzung fremder Grundstücke, z.B. dem unberechtigten Parken oder dem über die vereinbarten Maße hinausgehenden Abbau von Bodenschätzen (z.B. Auskiesung) oder dem Abgraben von Grundwasser. Auch wer es duldet, dass seine Gäste oder Bauhandwerker ein Nachbargrundstück mitbenutzen oder beschädigen, haftet auf die Herausgabe des unmittelbar daraus gezogenen Vorteils bzw. dadurch anderweitig ersparter Mehraufwendungen (etwa weil hohe Kosten für einen Schwerlastkran erspart werden, indem Maschinen über das Nachbargrundstück bewegt werden).

      Eine parallele Deliktshaftung auf Ersatz des angerichteten Schadens (vgl. §§ 823 ff.) ist hiervon unberührt, als der gezogene Vorteil über den angerichteten Schaden hinausgehen kann.

      Schuldrechtliche Forderungen sind relative Rechte ohne Zuweisungsgehalt, für die allenfalls die Bereicherungshaftung aus § 816 Abs. 2 (unberechtigter Forderungseinzug durch Dritten) maßgebend ist.

      671

      Während das Tatbestandsmerkmal „auf Kosten“ auf die Notwendigkeit des Bestehens eines individualisierten Schutzbereichs hinweist, meint „ohne Rechtsgrund“ im Zusammenhang der Nichtleistungskondiktionen dessen Verletzung, also den Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des Rechts. Die Verletzung des Rechts als Merkmal der Rechtsgrundlosigkeit also bestimmt damit die Parteien des Eingriffsverhältnisses, zwischen denen der Bereicherungsausgleich (nur) erfolgen kann.

      Das Bereicherungsrecht gleicht Vermögensverschiebungen aus, soweit das Behalten der Vermögensmehrung beim Empfänger unrechtmäßig und deshalb nicht gerechtfertigt wäre. Rechtlicher Grund für das Behaltendürfen von etwas Erlangtem meint deshalb nicht die Art des Erwerbs an sich (Rechtsgüterschutz vor Verlust oder Diebstahl ist Aufgabe des Deliktsrechts der §§ 823 ff.). Der Rechtsgrund fehlt nur, wenn die Verletzung des Rechts gerade darin besteht, dass dieser konkrete Vermögensvorteil nicht diesem Empfänger, der ihn nun innehat, gebührt, sondern dem Entreicherten.

      Beispiele:

      Die Verletzung des Rechts am eigenen Bild für Zwecke einer Produktreklame ermöglicht dem Verletzten daher keine Gewinnabschöpfung eines noch so nachgewiesenen Werbeerfolgs, sondern nur einen Ausgleich im Umfang des üblicherweise aufzuwendenden Entgelts für eine vergleichbare Nutzungslizenz.


Скачать книгу