Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
Beispiel:
Die Herausgabepflicht besteht danach etwa beim Eintritt einer auflösenden Bedingung (vgl. § 158 Abs. 2) oder bei einverständlicher Vertragsaufhebung (i.e. Änderungsvertrag nach § 311 Abs. 1) und zwar hinsichtlich der bereits erbrachten Vorleistungen für Zeiträume nach dem dadurch bestimmten Beendigungstermin des Rechtsgeschäfts (regelmäßig Beendigung ex nunc). Ob auch der Fall der (rückwirkenden) Anfechtung (vgl. § 142 Abs. 1) nach der condictio ob causam finitam (also als nachträglicher Wegfall des Rechtsgrundes) oder nach der condictio indebiti (wegen der Wirkung ex tunc) behandelt wird, kann dahinstehen.
Zu beachten sind vorrangige Sonderregelungen etwa für die Herausgabepflicht des Beschenkten nach Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks (§§ 530, 531 Abs. 2). Ebenso die wenig relevanten Fälle der §§ 337 Abs. 2, 371 und parallel 1144.
4. Condictio ob rem
661
Es handelt sich um eine Leistungskondiktion wegen Zweckverfehlung, die nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 gegeben ist, wenn „der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt“. Dieser „Erfolg“ ist nicht etwa die verfehlte Erfüllungswirkung einer Leistung an sich, weil für diesen Fall bereits der Rechtsgrund der Leistung fehlte und die condictio indebiti gegeben wäre. Auch kann kein irgendwie gearteter, über den Anspruch auf die Gegenleistung hinausgehender Erfolg Vertragsinhalt sein, bei dem die Leistung zwar dem Rechtsgrund entsprechen würde, aber dennoch zurückgefordert werden könnte; entsprechende Vorstellungen müssten, um justitiabel zu sein, als Bedingung formuliert oder zumindest interpretiert werden können (dann aber vielmehr die Condictio ob causam finitam). Im Übrigen ist die Tauglichkeit einer Leistung eine Frage der Leistungsbeschreibung und damit des Gewährleistungsrechts. Soweit dem Geschäftsinhalt vorausliegende Vorstellungen über Wertverhältnisse von Leistung und Gegenleistung sich durch nachfolgende Umstände nicht mehr aufrechterhalten lassen, greift im Übrigen die Lehre von der Geschäftsgrundlage (vgl. § 313 Abs. 1, 2).
662
Die Zweckverfehlungskondiktion hat damit nur zum Gegenstand, dass eine Leistung einverständlich zum Zweck der Herbeiführung eines bestimmten in einem Verhalten des Empfängers liegenden Erfolgs bewirkt wird, dieses Verhalten dann aber ausbleibt. Aber auch insoweit ist für die Anwendbarkeit der condictio ob rem entscheidend, dass der Leistende trotz einvernehmlicher Annahme seiner Leistung keinen Anspruch auf das erwartete Verhalten erworben hätte, den er anderenfalls durchsetzen müsste und seine Leistung jedenfalls nicht nach Bereicherungsrecht zurückverlangen könnte.
Beispiele:
Anwendungsfälle der condictio ob rem[55] sind etwa die absichtsvolle Leistung eines anderen als des geschuldeten Gegenstands in der Erwartung ihrer Annahme erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt (vgl. §§ 363 ff.). Ebenso Vorleistungen auf einen noch nicht geschlossenen Vertrag in der Erwartung, dadurch den Vertragsabschluss selbst befördern zu können. Schließlich sollen auch sog. Zweckschenkungen hierunter fallen.
663
Parallel zum Ausschluss der condictio indebiti durch § 814 schließt § 815 die condictio ob rem ebenfalls unter dem Blickwinkel der Schutzunwürdigkeit des Leistenden aus, wenn dieser bei seiner Leistung positiv gewusst hatte, dass der spezielle Zuwendungszweck objektiv nicht erreichbar war oder, wenn er die Zweckerreichung später selbst treuwidrig verhindert.
5. Condictio ob turpem vel iniustam causam
664
Diese Sonderform einer Leistungskondiktion greift nach § 817 S. 1, wenn der Zweck einer Leistung so bestimmt war, dass (nur) der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat. Ihr Anwendungsbereich ist gering, weil in solchen Fällen zumeist auch Nichtigkeit des Grundgeschäfts nach §§ 134 oder 138 eingetreten ist und daher bereits die condictio indebiti greift. § 817 S. 1 ergänzt insoweit die condictio indebiti, als im Einzelfall ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten nicht zur Nichtigkeit des Grundgeschäfts führen, und ergänzt insofern die condictio ob rem, als einer entsprechenden Zweckerreichung die rechtfertigende Bedeutung für das Behaltendürfen der Leistung genommen wird.
Beispiele:
Diese Auffangwirkung kommt insb. dort zum Tragen, wo die Rückforderung nach der condictio indebiti wegen positiver Kenntnis der Nichtschuld (vgl. § 814) ausgeschlossen ist, also etwa hinsichtlich von mittels Erpressung o.Ä. erreichten Leistungen (als solche erkannte, aber dennoch bezahlte Wucherzinsen für in einer Notlage benötigte Darlehen). Genannt wird verschiedentlich auch die Zahlung von Lehrgeld entgegen § 12 Abs. 2 BBiG oder die Zahlung von Erpressungsgeldern zur Abwendung anderenfalls angedrohter Strafanzeigen.
a) Ausschlusstatbestand des § 817 S. 2
665
Nach § 817 S. 2 ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn (neben dem Empfänger) dem Leistenden „gleichfalls“ ein Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt. Stellen sich beide Parteien derart außerhalb des Gesetzes, soll ihnen jedenfalls der Rechtschutz insoweit verweigert werden.
Beispiele für § 817 S. 2 sind etwa verbotene Schmiergeldzahlungen, Ämterkauf oder Darlehen für verbotene Glückspiele.[56] Bei solchen oder etwa wucherischen Darlehen soll allerdings die Darlehensvaluta selbst dennoch nicht beim Empfänger verbleiben,[57] was angesichts des beiderseitigen Sittenverstoßes eine einseitige Übervorteilung bedeutete, sondern nur die vorzeitige Rückforderung soll ausgeschlossen werden (da selbstverständlich auch die Vereinbarung der Laufzeit eines sittenwidrigen Darlehens unwirksam ist, handelt es sich um einen zugrunde gelegten unverbindlichen Fälligkeitstermin). Überdies soll das Darlehen nach der Rechtsprechung bis zu diesem unverbindlichen Fälligkeitstermin zinslos sein (umstritten), so dass ein zuerst überhöhter Zins in sein Gegenteil umschlägt.[58] Für dennoch gezahlte Zinsen gilt dann die condictio indebiti, ggf. mit dem Ausschlussgrund des § 814, oder wiederum § 817 S. 1 für die Rückforderungsklage.
b) Weitergehender Anwendungsbereich des § 817 S. 2
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Nach seinem Wortlaut bezieht sich § 817 S. 2 lediglich auf die Kondiktion nach S. 1.[59] Darüber hinaus soll der Ausschlussgrund auch auf die condictio ob rem (Zweckverfehlungskondiktion) anzuwenden sein, wenn also das erstrebte Verhalten ein sittenwidriges sein würde. Dabei genügt es, dass allein dem Leistenden der Sittenverstoß zur Last fällt. Der Sittenverstoß allein durch den Leistenden genügt im Übrigen stets zur Anwendung von § 817 S. 2 (so fällt bei Bewucherung oder Monopolmissbrauch der Sittenverstoß zumeist nur dem Leistenden zur Last).
§ 817 S. 2 enthält zudem die Einschränkung, „dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand“. Dadurch bleibt die Leistungskondiktion also unberührt, wenn der sittenwidrig Leistende noch gar keine Güter zuwendet, sondern eine solche Zuwendung (als Vorstufe) lediglich verspricht (vgl. § 780). Im Ergebnis verbleiben also sittenwidrig zugewendete Güter beim ebenfalls kriminellen Empfänger (Kondiktionsausschluss), ein ihm gegebenes sittenwidriges Versprechen kann aber kondiziert werden. Hier soll der Sittenverstoß nicht mit Hilfe des Bereicherungsrechts vertieft werden, in dem dieses Leistungsversprechen dann durchsetzbar wäre.
6. Bereicherungseinrede
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