Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
nichtig und das Rechtsgeschäft verliert entsprechend seine Eigenschaft als Rechtsgrund für die darauf bezogenen Erfüllungshandlungen (Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht). Auch die Anfechtung selbst ist wiederum eine (einseitige empfangsbedürftige) Willenserklärung.
Die sog. ergänzende Vertragsauslegung hilft, während der Vertragsabwicklung auftauchende Lücken in der Vereinbarung zu füllen, soweit nicht bereits das dispositive Gesetzesrecht Streitfragen klärt. Maßgeblich ist dann, worauf sich die Partner redlicherweise hätten einlassen müssen, wenn der Regelungsbedarf bereits bei den Vertragsverhandlungen erkannt worden wäre.[10]
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › A. Grundsätze › II. Abschlusstechnik („Der Vertragsschluss“)
II. Abschlusstechnik („Der Vertragsschluss“)
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Das Schuldgeschäft ist bestimmt durch die Wechselseitigkeit (mindestens) zweier zugangsbedürftiger Willenserklärungen der Parteien, §§ 241, 145 ff., 130: Angebot (§ 145) und Annahme müssen zugehen (§ 130). Erst mit dem letzten Akt ist der Vertrag geschlossen, soweit die Willenserklärungen jeweils selbst wirksam sind (§ 105 ff., 116 ff.) und sich inhaltlich decken (§ 155). Die inhaltliche Übereinstimmung muss sich dabei jedenfalls auf die vertragswesentlichen Gegenstände (essentialia negotii; mindestens also Beteiligte, Leistung und Gegenleistung) beziehen. Beim offenen (§ 154) und versteckten Dissens (§ 155) fehlt es deshalb am Vertragsschluss.
Leitbild ist der inhaltlich vollständige, auf einen konkreten Vertragsschluss zielende Antrag, der mit bloßem „Ja“ angenommen werden kann. Dagegen entwickeln sich Schuldgeschäfte vielfach erst aus fortschreitenden Verhandlungen mit Verständigungen nur über Zwischenergebnisse. Besonders im Massengeschäft, in Prospekten, Supermärkten etc. steht chronologisch zu Beginn meist nur eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum, Warenanpreisung) an die Allgemeinheit, welche selbst kein bindendes Angebot ist (es fehlt der sog. Rechtsbindungswille), sondern worauf der (Kauf-)Interessent seinerseits mittels bindenden Angebots reagieren mag. § 150 Abs. 2 trägt dann dem Prozess des Aushandelns Rechnung. Und bevor keine vollständige Einigung über alle von den Beteiligten für relevant gehaltenen Punkte erzielt wurde, bleiben auch die vorläufigen Verhandlungsergebnisse unverbindlich (lies § 154 Abs. 1); eine verabredete Schriftformklausel („dieser Vertrag bedarf der Schriftform“) hindert eine Wirksamkeit bis zur originalen Unterschrift durch alle Parteien (§§ 154 Abs. 2, 126 Abs. 1, 2).
Möglich sind auch aufschiebend (§ 166 Abs. 1) und auflösend (§ 166 Abs. 2) bedingte Willenserklärungen, also Angebote bzw. Annahmeerklärungen, deren Wirksamkeit vom Eintritt oder Ausbleiben bestimmter Umstände abhängig gemacht wird (z.B. einer positiven Bauvoranfrage für das zu erwerbende Grundstück als Kaufbedingung; ebenso die beim dinglichen Vertrag des § 929 S. 1 die aufschiebend bedingt erklärte Einigung, die einen Eigentumsvorbehalt bewirken kann, bis der Kaufpreis gezahlt wird). Andererseits kann durch Bestimmung einer beliebigen Annahmefrist (§ 148) dem möglichen Vertragspartner eine Überlegungsfrist eingeräumt werden (so bei der Kauf-/Verkaufs-Option).
Als Gestaltungselemente funktionieren Bedingungen nur nach dem Alles oder Nichts-Prinzip. Flexible Reaktionsmöglichkeit, z.B. geringfügige Abweichungen doch zu akzeptieren, wären nur als neuer (Änderungs-) Vertrag möglich und daher z.B. bei Grundstückskaufverträgen wiederum formbedürftig (§§ 311b Abs. 1, 128); zeitlich auf ein Ereignis abgestimmte befristete[11] Rücktrittsrechte oder die Gewährung von Optionsrechten sind daher vertragsgestalterisch zumeist vorteilhafter. In bestimmten Fällen sind Bedingungen auch unzulässig, vgl. §§ 925 Abs. 2; 1311 S. 2.
1. Besonderheiten beim Vertragsschluss
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Ein Großteil von Vertragsschlüssen vollzieht sich auf Seiten des Annehmenden oder auch auf beiden Seiten mittels konkludenten Handelns. Solches Handeln hat ohne Weiteres Erklärungswert (stummes Nehmen einer Zeitung am Kiosk oder das Auflegen der Ware an der Supermarktkasse, ebenso das Betanken des Fahrzeugs an der Tankstelle mit Selbstbedienung; die funktionierende Zapfsäule ist das Angebot[12]). Diese Erklärung geht dabei auch ohne Weiteres zu. Von der Notwendigkeit des Zugangs der Annahmeerklärung trifft § 151 die Ausnahme, dass die Annahmeerklärung, nicht aber die Annahme selbst, entbehrlich sein kann (stillschweigende Annahme, etwa durch Eintragung im Bestellbuch des Hotels).
Davon zu unterscheiden sind die wenigen Fälle des gesetzlich zugelassenen Vertragsschlusses, bei denen es an jeglicher Erklärungshandlung fehlt (Schweigen als Zustimmung); so gem. § 613a Abs. 4 beim Betriebsübergang und nach § 1943 HS. 2 die Erbschaftsannahme durch Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist; ebenso die seltenen Fälle von §§ 416 Abs. 1 S. 2, 455 S. 2, 516 Abs. 2 S. 2. Darüber hinaus ist es eine restriktiv zu handhabende Frage des Einzelfalls, ob ein Vertragsschluss durch bloßes Schweigen als angenommen gelten muss, wenn z.B. eine Seite, das Ergebnis von Vorverhandlungen zusammenfassend, dieses der anderen in der erkennbaren Erwartung der Zustimmung anträgt.[13]
a) Handelsverkehr
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Weitergehend fingiert § 362 Abs. 1 HGB (nur!) die Annahme eines Geschäftsbesorgungsvertrages durch einen Kaufmann (§ 1 HGB) im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung oder eines vorherigen Anerbietens.[14] Dies gilt damit nicht für den Handelskauf, sondern z.B. für Kommissionsverträge (§ 383 HGB), wobei gerade nur deren Treuhandcharakter die Vorschrift rechtfertigt. Ähnlich gilt nach §§ 75h, 91a HGB das Schweigen des unberechtigt Vertretenen als Genehmigung (anders nach BGB: § 177 Abs. 2 S. 2).
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Kaufmann i.S.d. § 1 HGB ist („Ist-Kaufmann“), wer ein Handelsgewerbe betreibt. Als Handelsgewerbe gilt grundsätzlich jeder Gewerbebetrieb, also nicht nur der Handelssektor (Definition entsprechend § 15 Abs. 2 S. 1 EStG). Wer allerdings für seinen Gewerbebetrieb keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb benötigt, gilt nicht als Kaufmann, sondern als Kleingewerbetreibender (§ 1 Abs. 2 HGB), so wohl meist der Einzelunternehmer.
Er kann die Kaufmannseigenschaft jedoch gem. § 2 HGB durch freiwillige Eintragung seiner Firma (vgl. § 17 HGB) in das Handelsregister erwerben (Kaufmann kraft Eintragung im Handelsregister, e.K.; „Kann-Kaufmann“). Die Eintragung im Handelsregister hat dabei – im Gegensatz zur Eintragung eines Ist-Kaufmanns, zu der auch dieser gem. § 29 HGB verpflichtet ist – konstitutive, d.h. rechtsbegründende Wirkung. Besonderheiten gelten für Land- und Forstwirte (§ 3 HGB).
Schließlich sind nach § 6 Abs. 1 HGB Handelsgesellschaften bereits kraft Rechtsform Kaufleute („Form-Kaufmann“) und zwar unabhängig davon, ob sie ein Handelsgewerbe betreiben. Als Handelsgesellschaften werden bestimmt: die Aktiengesellschaft (in § 3 Abs. 1 AktG), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (in § 13 Abs. 3 GmbHG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (in §§ 278 Abs. 3, 3 Abs. 1 AktG), die eingetragene Genossenschaft (in § 17 Abs. 2 GenG), die Europäische Genossenschaft (in § 3 SCEAG), die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (in § 1 HS. 2 EWIVAG). Personenhandelsgesellschaften wie die offene Handelsgesellschaft oder die Kommanditgesellschaft besitzen Kaufmannseigenschaft, da sie nach §§ 105 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB ein Handelsgewerbe betreiben (als Ist-Kaufmann also) oder sonst gem. § 105 Abs. 2 HGB im Handelsregister eingetragen sein müssen (kleingewerbliche und vermögensverwaltende OHG/KG als Kann-Kaufmann also; anderenfalls Gesellschaft bürgerlichen Rechts)[15]. Komplementäre (Vollhafter) von OHG/KG werden ebenfalls als Kaufleute behandelt, weil sie quasi das Geschäft betreiben, nicht aber Geschäftsführer