Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
inexistent gilt (Abs. 1). Eine zu Unrecht eingetragene Vertretungsmacht gilt damit genauso als wirksam erteilt, wie ein nicht eingetragener Entzug einer Vertretungsmacht als nicht erfolgt gilt.
Einem redlichen Dritten entgegengehalten werden kann ebenfalls nur eine Registereintragung (Abs. 2).
Beispiel:
Das Auftreten eines falschen Prokuristen mag also trotz Widerspruchs zur Registerlage dennoch nicht unter § 15 Abs. 2 HGB fallen, wenn nämlich Prokura wirksam erteilt gewesen war (jedoch ohne die – bloß deklaratorische, vgl. § 53 HGB – Eintragung im Handelsregister), späterhin dann widerrufen und der Widerruf (an sich verständlich aber rechtsirrig, ebenfalls) nicht eingetragen wurde; der Widerruf ist selbstständig eintragungspflichtig und gilt also über § 15 Abs. 1 HGB als nicht erfolgt. Die fehlende Voreintragung spielt keine Rolle, insb. nicht über § 15 Abs. 2 HGB; auf die wahre Rechtslage (hier die zwischenzeitlich erteilte Prokura) kann sich selbstverständlich jeder Dritte jederzeit berufen.[28]
3. Prüfungsschema zum Vertragsschluss
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Zustandekommen des Vertrags durch Angebot und Annahme (§§ 145 ff.)
I. | Angebot (alle essentialia negotii; Antwort könnte schlichtes „Ja“ sein) 1. Tatbestand einer Willenserklärung a) Abgrenzung zur invitatio ad offerendum b) Geschäftsfähigkeit des Erklärenden, § 105; §§ 106 ff. c) Ggf. wirksame Stellvertretung, § 164 Abs. 1 2. Wirksamwerden durch Zugang (§ 130 Abs. 1 S. 1); ggf. wirksame Empfangsvertretung 3. Kein Erlöschen des Angebots gem. §§ 145 a.E., 146 ff., 153 a.E. 4. Kein vorheriger oder gleichzeitiger Zugang eines Widerrufs (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB) |
II. | Annahme 1. Tatbestand einer Willenserklärung a) Geschäftsfähigkeit des Erklärenden b) Ggf. wirksame Stellvertretung, § 164 Abs. 1 c) Ausnahmen z.B. § 362 HGB 2. Wirksamwerden durch Zugang (Ausnahme § 151); ggf. wirksame Empfangsvertretung 3. Inhaltliche Übereinstimmung ggf. Auslegung, §§ 133, 157 a) Übereinstimmung im Willen („falsa demonstratio non nocet“) oder b) Übereinstimmung in den Erklärungen (Auslegung nach §§ 133, 157) c) Bei Änderungswünschen § 150 Abs. 2 |
III. | Rechtsfolge, § 311 Abs. 1 1. Vertragliches Schuldverhältnis 2. Ggf. Anfechtbarkeit |
4. Geschäftsfähigkeit
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Die Geschäftsfähigkeit ist die Befähigung, selbstständig wirksam Rechtsgeschäfte vornehmen zu können (§§ 104, 105). Abzugrenzen ist die Geschäftsfähigkeit von der Rechtsfähigkeit, Deliktsfähigkeit, und Verschuldensfähigkeit.
Die Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Sie beginnt gem. § 1 mit der Vollendung der Geburt und endet gem. § 1922 Abs. 1 mit dem Tod.
Die Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, eine zum Schadenersatz verpflichtende unerlaubte Handlung zu begehen. Minderjährige sind nach § 828 Abs. 1 bis zur Vollendung des siebten Lebensjahrs nicht deliktisch verantwortlich. Bei nicht vorsätzlich herbeigeführten Unfällen mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn, beginnt die Deliktsfähigkeit erst mit Vollendung des zehnten Lebensjahrs. Im Übrigen sind Personen zwischen sieben und achtzehn Jahren gem. § 828 Abs. 3 beschränkt deliktsfähig. Eine Haftung tritt nur dann ein, wenn bei der Begehung der Pflichtverletzung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit notwendige Einsicht vorgelegen hat.
Verschuldensfähigkeit ist die Fähigkeit, die zivilrechtlichen Konsequenzen eines Verhaltens zu tragen. Das BGB definiert den Begriff des Verschuldens nicht. Nach der Verweisung in § 276 Abs. 1 S. 2 finden die §§ 827, 828 Anwendung.
a) Geschäftsunfähigkeit
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Geschäftsunfähig ist, wer noch nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, § 104 Nr. 1, oder nicht nur vorübergehend, also dauerhaft bzw. längerfristig in seiner Geistestätigkeit gestört ist (Nr. 2). Gem. § 105 Abs. 1 ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. Diese Rechtsfolge bleibt auch bestehen, wenn die rechtlichen Auswirkungen lediglich vorteilhaft sind (§ 107 bezieht sich nur auf beschränkt geschäftsfähige Minderjährige). Für einen Geschäftsunfähigen hat regelmäßig ein gesetzlicher Vertreter (die Eltern gem. §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 oder ein Betreuer, § 1902) zu handeln.
Nur vorübergehend Geistesgestörte (z.B. im Alkoholrausch) sind nicht geschäftsunfähig. Gem. § 105 Abs. 2 ist für die Dauer der Störung die Vornahme wirksamer Rechtsgeschäfte aber ebenso ausgeschlossen.
Sind die Voraussetzungen des § 105a zur Integration geistig Behinderter gegeben, können die Geschäfte des täglichen Lebens (Lebensmitteleinkauf; Friseurbesuch; Straßenbahnfahrt), die ein volljähriger Geschäftsunfähiger (nur § 104 Nr. 2, nicht auch § 105 Abs. 2) vornimmt, wirksam sein. Der Alkoholkauf eines krankhaft Abhängigen oder der Erwerb von fünf Wintermänteln auch bei unterschiedlichen Verkäufern bleiben aber unwirksam („Gefahr für Person oder Vermögen“) und es ist irrelevant, ob der Geschäftspartner dies erkennen konnte.
b) Beschränkte Geschäftsfähigkeit
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Gem. § 106 sind Minderjährige vom vollendeten siebten bis zum vollendeten 18. Lebensjahr beschränkt geschäftsfähig. Beschränkt geschäftsfähige Minderjährige können im Einverständnis mit den gesetzlichen Vertretern (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1) selbstständig rechtsgeschäftlich handeln. Ihre Geschäftsfähigkeit bestimmt sich nach §§ 107–113.
aa) Insb. lediglich rechtlich vorteilhafte Rechtsgeschäfte
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Nach § 107 kann ein Minderjähriger ein Rechtsgeschäft auch ohne die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters wirksam abschließen, wenn es ihm lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Darunter sind nur solche Rechtsgeschäfte zu fassen, die für den Minderjährigen keine unmittelbaren Pflichten begründen. Eine bloß wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit, etwa aufgrund eines verhandelten geringen Einkaufspreises, genügt nicht, § 107.
Zu differenzieren sind in diesem Zusammenhang Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte. Synallagmatische Verträge wie Kauf, Tausch, Miete, verzinsliches Darlehen können nie lediglich rechtlich vorteilhaft sein, da sie stets die Pflicht zur Gegenleistung beinhalten. Für die meisten nicht synallagmatischen Schuldverhältnisse gilt grundsätzlich dasselbe. Ferner begründen auch bloße Nebenpflichten wie z.B. die Rückgabe bei der Leihe, §§ 598, 604 Abs. 1, eine Verpflichtung. Im Schuldrecht gilt die Schenkung an den Minderjährigen (auch soweit Gegenleistungen nur aus dem Geschenk zu erbringen sind, vgl. § 525 – Schenkung unter Auflage), § 516, sowie der Bürgschaftsvertrag zugunsten des minderjährigen Gläubigers, §§ 765 ff., als rechtlich vorteilhaft.
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