Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
(Darlehen, Bürgschaft und das Wertpapierrecht). Erwähnenswert sind schließlich noch klarstellende Verträge (Schuldanerkenntnis und Kontokorrentverhältnis). Schließlich regelt das BGB bei den Verträgen auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Nochmals zu erwähnen ist, dass diese Verträge im Wesentlichen nur Planungscharakter haben, also Umsatz, Werkerstellung oder z.B. die Inanspruchnahme einer Kreditsicherheit stets davon abhängen, dass zu der vertraglich geschaffenen Verpflichtung auch die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Verpflichteten hinzutreten müssen. Der Güterumsatz selbst ist erst die (sachenrechtliche, manchmal nur tatsächliche) Erfüllung des Schuldgeschäfts und von diesem strikt zu trennen.
Nicht jedes gesellschaftliche, persönliche Versprechen begründet notwendigerweise ein vertragliches Schuldverhältnis.[38] Außerrechtliche Gefälligkeitsverhältnisse (z.B. auf etwas oder jemanden aufzupassen, ihn im Auto mitzunehmen, etwas nutzen zu dürfen etc.) entstehen, wenn mind. einem der Partner der sog. Rechtsbindungswille fehlt und dies dem anderen erkennbar ist (etwa aufgrund der Lebensumstände unter Freunden, geringer wirtschaftlicher Bedeutung, offenzuhaltender privater Planung). Hier entsteht dann kein Erfüllungsanspruch (wie sonst etwa aus Verwahrung, Dienstleistung, Leihe etc. als rechtsverbindlichen Schuldverhältnissen). Allenfalls ist an vertragsähnliche Schutzpflichten (vgl. §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1) zu denken,[39] etwa dass der Versprechende ggf. zu angemessener Zeit vorher absagen und ansonsten den anderen stellen muss, als hätte er rechtzeitig umplanen können (Ersatz des sog. negativen Interesses: nur vermeidbare Mehrkosten, nicht der Kosten der anderweitigen Erfüllung an sich); indes können Aufklärungspflichten über gefahrträchtige Besonderheiten der „geliehenen“ Sache (korrekt: gefälligkeitshalber überlassenen Sache; denn Leihe ist ein Schuldverhältnis, § 598) haftbar machen.
Wird ein Gefälligkeitsverhältnis durchgeführt, greifen auch keine vertraglichen Haftungsmilderungen (vgl. §§ 521, 599, 690). Es bleibt beim Maßstab objektiver Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1) der deliktischen (ggf. auch der vorvertraglichen, § 280 Abs. 1) Schadensersatzpflicht (§§ 823 ff.; wenn nicht sogar Gefährdungstatbestände greifen wie z.B. § 833 S. 1 beim Überlassen eines Reitpferdes). Das bloße Gefälligkeitsverhältnis begründet also einerseits keine Leistungspflichten, kann aber andererseits zu einer strengeren Deliktshaftung führen als ein vergleichbares Schuldverhältnis.[40]
Umgekehrt kann im Gefälligkeitsverhältnis z.B. mangels rechtsverbindlicher Leihe auch nicht gegen das Verbot der Weitergabe einer Leihsache (§ 603 S. 2) verstoßen werden. Wird eine geliehene Sache unerlaubt vom Entleiher weitergegeben, haftet der Entleiher verschuldensunabhängig für Schäden durch den Dritten. Für die Schadenszurechnung genügt nämlich schon der haftungsbegründende Vertragsverstoß nach § 603 S. 2 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 276 Abs. 1. Der „Gefälligkeitsentleiher“ hat dagegen nur Verschulden zu vertreten (für ihn ist eben nicht „eine strengere Haftung bestimmt“ i.S.v. § 276 Abs. 1).
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › B. Austauschschuldverhältnisse › I. Kauf
I. Kauf
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Der Kauf dient dem Umsatz von handelbaren Vermögensgegenständen. Es sind reine Liefergeschäfte, ohne spezifisch persönliche Leistungspflichten. Der Kauf unterscheidet sich von insb. Überlassungs- sowie Dienst- und Werkverträgen deshalb darin, dass es auf die Person des Vertragspartners – abgesehen von seiner Kreditwürdigkeit – weniger ankommt, als auf die Qualität der Ware.
Kaufgeschäfte reichen von privaten Kleinstumsätzen, bei denen sich etwa Nachbarn etwas „abkaufen“,[41] bis zum Großumsatz. Sein wirtschaftlicher Schwerpunkt liegt als Warenumschlagsgeschäft im Handelsrecht. Für alle Formen gelten die §§ 433 ff. gleichermaßen, allerdings als dispositives Recht, also durch gemeinsame Abrede der Parteien jederzeit änderbar und anders gestaltbar. Ergänzende Vorschriften gelten für den Handelskauf, §§ 373–382 HGB. Im BGB werden alle Erscheinungsformen des Kaufs und alle Kaufobjekte weitgehend einheitlich behandelt, mit nur geringfügigen Unterschieden in einzelnen Beziehungen. Auch hierbei erschwert die stark systematisierende und schulmäßige Darstellung des BGB Verständnis und Anwendung der Regelungen auf konkrete Erscheinungsformen der Kaufgeschäfte.
1. Kaufobjekte
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Das Umsatzgeschäft des Kaufs besteht im Austausch von Gütern und Geld,[42] meist zur Befriedung wirtschaftlicher Bedürfnisse. Der Grundtyp ist der Warenaustausch, auf den der Kauf von Rechten, insb. also von Wertpapieren, verweist (§ 453 Abs. 1). Nicht dazu gehört also der „Kauf“ von Fahrkarten und Eintrittskarten, welche vielmehr sog. Inhaberzeichen für die Rechte aus einem Werkvertrag sind. Software kann Kaufgegenstand sein (meist bei Standardsoftware),[43] je nach Inhalt der Pflichten aber auch Gegenstand eines Werkvertrags (individuelle Programmierung) oder der Pacht (als Lizenzvertrag).
Kauf ist z.B. auch der Grundstückskauf (§ 311b Abs. 1), Erbschaftskauf (§ 2371), Pfandverkauf (§§ 1233 ff., 1273) und der Verkauf eines GmbH-Anteils (§ 15 GmbHG). Auch Sach- und Rechtsgesamtheiten wie z.B. ein Unternehmen, eine Arztpraxis oder die angefallene Erbschaft (§ 2371) sind mögliche Kaufobjekte. Stets umfasst der Vertrag die Gesamtheit der organisierten Vermögenswerte einschließlich immaterieller Güter wie Firma, Kundenbeziehungen oder Goodwill.[44] Erst bei der Erfüllung des Schuldgeschäfts, also im Hinblick auf die Verfügungsgeschäfte, müssen die Einzelteile solcher Entitäten jedes für sich und entsprechend seiner Rechtsnatur unterschiedlich übertragen werden.
Verkäuflich sind nicht nur vorhandene Objekte, sondern auch erst zu beschaffende, wie fremde Sachen oder Rechte oder die künftige Produktion. Bei nicht vorrätiger Ware ist sodann der Kaufvertrag insb. vom Werklieferungsvertrag (§ 651) zu unterscheiden, wobei sich die daran anschließenden Problemstellungen weithin gleichen. Ist dagegen die künftige Sache erst durch Ausbeutung zu schaffen, die der Erwerber selbst übernehmen soll (Auskiesung, Ernte), handelt es sich dagegen um Pacht, nicht um Kauf.
Das Kaufrecht als Umsatzgeschäft muss sich insoweit mit vier Problemkreisen befassen: 1. Inhalt und Umfang der Primärpflichten (insb. der primären Hauptpflichten); 2. Gewährleistungspflichten des Verkäufers bei Mängeln; 3. Gefahrtragung in der Zeit zwischen Abschluss und Erfüllung des Kaufvertrags; 4. Erwerbsnebenkosten.
2. Hauptpflichten
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Der Kaufvertrag entsteht durch übereinstimmende Willenserklärungen und begründet Hauptpflichten in Form der primären Pflichten auf Erfüllung des Versprochenen (einschließlich ggf. der Nacherfüllung), aber auch in Gestalt der sekundären gesetzlich festgelegten Pflichten im Falle seiner mangelhaften Erfüllung: auf Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz, vgl. § 437. Die Sekundärpflichten folgen aus der Störung von Primärpflichten und treten dann an deren Stelle (z.B. Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 280 Abs. 3, 281) oder auch neben sie (z.B. als Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens nach §§ 280 Abs. 2, 286). Beide Arten von Pflichten sind streng zu trennen, weil das Versprochene ohne Weiteres, Sekundärpflichten jedoch erst auf Nachfristsetzung oder bei Vertretenmüssen zu erfüllen sind.
Primärpflichten sind zuerst die für den Vertragstyp charakteristischen Hauptpflichten, aber genauso Nebenleistungspflichten und Schutzpflichten. Die Hauptpflichten des Verkäufers ergeben sich daraus, dass das Kaufobjekt dem Käufer nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer und zu vollem Recht verschafft werden soll. Bei körperlichen Kaufobjekten sind daher der Besitz und das Eigentumsrecht zu verschaffen. Nebenleistungspflichten dienen begleitend dazu der Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Hauptleistung. Schutzpflichten verlangen dagegen eine Rücksichtnahme außerhalb des eigentlichen Vertragszwecks