Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
dadurch eine „zweite Chance“, die Vertragsdurchführung zu „retten“.[51] Erst wenn diese ohne zureichenden Grund verweigert wurde oder (nach regelmäßig zu duldenden zwei Versuchen, § 440 S. 2) als fehlgeschlagen gilt, oder aber wenn die Nacherfüllung unmöglich ist, stehen die eigentlichen Gewährleistungsrechte dem Käufer zur Verfügung.[52]
a) Wahlrecht des Käufers
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Der Käufer hat nach §§ 437 Nr. 1, 439 die freie Wahl zwischen Reparatur und Ersatzlieferung, kann aber aus v.a. ökonomischen Gründen auch auf eine Nacherfüllungsart verwiesen sein (§ 439 Abs. 4). Bei Ersatzlieferung ist die mangelhafte Sache zurück zu übereignen (§§ 439 Abs. 5, 346 ff.); Nutzungsersatz ist nicht geschuldet, der Käufer hatte ja von Anfang an ein Nutzungsrecht (str., vgl. auch § 475 Abs. 3). Verbleibt nach Reparatur ein von vornherein erkennbar nicht zu beseitigender Mangel (etwa ein sog. merkantiler Minderwert einer „nur“ reparierten Sache), ist dieser zusätzlich über die Minderung auszugleichen; erweist sich die Reparatur lediglich als ungenügend, ist sie zu wiederholen bis sie als fehlgeschlagen (vgl. § 440 S. 2) oder undurchführbar gelten kann.
Der Verkäufer darf einen Mangel nicht (unbemerkt) einfach beseitigen und den Käufer damit auf diese Art der Nachbesserung festlegen (Aufspielen neuer Software in einem Pkw[53].
Ein Recht des Käufers zur Selbstvornahme und Aufwendungsersatz (wie etwa nach §§ 536a Abs. 2 Nr. 1, 637) existiert nicht. Lässt der Käufer die Sache vielmehr vorschnell selbst anderweitig reparieren, verliert er alle Gewährleistungsrechte gegen den Verkäufer, dem er dadurch dessen Nacherfüllung unmöglich macht (vgl. § 275 Abs. 1); entsprechende Kosten könnten erst als Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 440 liquidiert werden (vgl. § 249 Abs. 2 S. 1; Voraussetzung dafür wäre aber ein vom Verkäufer verschuldeter Mangel, § 280 Abs. 1 S. 2).[54]
Zwecks allfälliger Reparatur muss der Käufer die Sache jedenfalls dann zum Verkäufer verbringen und anschließend wieder abholen, wenn dafür ein Werkstattaufenthalt erforderlich ist;[55] anfallende Transport- und Reparaturkosten hat stets der Verkäufer zu tragen (§§ 439 Abs. 2, 269 Abs. 3).
Problematisch sind sog. Einbaufälle, wenn also die mangelhafte Kaufsache vor Entdeckung des Mangels bereits verbaut wurde (z.B. Dachziegel eingedeckt, Parkettstäbchen verlegt). Es geht dann um Kosten für Ausbau, Abtransport der mangelhaften und Wiedereinbau der mangelfreien Sache. Seit 2018 bestimmt hierfür § 439 Abs. 3 einen – verschuldensunabhängigen – Aufwendungsersatzanspruch des Käufers. Hat der Käufer
– | eine neu hergestellte mangelhafte Kaufsache |
– | gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck |
– | in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht,[56] |
ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung (d.h. der Nachbesserung oder der Ersatzlieferung) verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften Sache und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. Dieser Anspruch ist insofern bemerkenswert, als er einen Schaden ersetzt, ohne dafür die Voraussetzungen nach §§ 437 Nr. 3, 280 ff., insb. also §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276, zu verlangen. Der „normale“ Verkäufer ist nämlich bloß Lieferant; ihn trifft für den Mangel meist gar kein Sorgfaltspflichtverstoß, also keine Schadensersatzpflicht; Schuld ist meist allein der Hersteller, der aber nicht der Verkäufer ist und deshalb selbst keine Gewährleistung schuldet. Auch ist das Herstellerverschulden dem Verkäufer nicht gem. § 278 zurechenbar, weil er sich des Herstellers eben nicht „zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient“; der Verkäufer schuldet die Herstellung nicht.
In einem zweiten Schritt wälzt § 445a das wirtschaftliche Risiko entlang der Lieferkette zurück auf den/die Vor-Lieferanten (als Regresskette letztlich auf den unternehmerisch tätigen Hersteller, vgl. § 445a Abs. 3). Es handelt sich um einen selbstständigen Regressanspruch des Verkäufers.
b) Weiterveräußerte Sache
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Ist eine mangelhafte Sache vom Käufer bereits weiterveräußert worden, so ist dadurch im Verhältnis zwischen Erstverkäufer und -käufer Nacherfüllung unmöglich gemacht und deshalb Rücktritt ausgeschlossen (vgl. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6), solange nicht korrespondierend das zweite Kaufverhältnis abgewickelt wird. Möglich bleiben nur die Abtretung der Gewährleistungsansprüche aus dem ersten Kaufverhältnis an den Zweiterwerber oder Drittschadensliquidation.[57]
Eine Regresskette („Durchreichen“ des Gewährleistungsverlangens des Letzterwerbers an den ersten Verkäufer) wird nur im Rahmen von § 445a sichergestellt. Beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474) sind dafür dann noch Modifikationen gem. § 478 zu beachten.
11. Sachmangel
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Die Verletzung des Äquivalenzinteresses bezeichnet § 434 als Sachmangel (IST-Beschaffenheit SOLL-Beschaffenheit). Idealtypisch hierfür ist das Fehlen einer ausdrücklich vereinbarten Beschaffenheit (vgl. § 434 Abs. 1 S. 1; nach S. 2 rechnen etwa auch Werbeaussagen dazu). Dem steht die fehlende Eignung für die Erreichung des mit dem Vertrag beiderseits angestrebten ferneren Leistungserfolgs gleich (vgl. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1). Erst zuletzt und nur hilfsweise ist die gewöhnliche Eignung und Beschaffenheit maßgeblich (vgl. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2).
Nur insoweit sind Kategorien wie diejenige der „mittleren Art und Güte“ bei der Konkretisierung von Gattungsschulden (vgl. § 243 Abs. 1) maßgeblich. Ein abstrakter Durchschnittsmaßstab gilt, wo der Vertrag keine konkreten individuellen Hinweise zu Verwendungszweck, Beschaffenheit etc. gibt. Beschaffenheitsvereinbarungen können ausdrücklich formuliert sein, aber sich auch konkludent im Preis ausdrücken.
Mängel sind außerdem Fehler in einer beim Kauf als Nebenleistung vereinbarten Montage (§ 434 Abs. 2 S. 1) oder die fehlerhafte Montageanleitung (§ 434 Abs. 2 S. 2) sowie Falschlieferungen und Mengenabweichungen (§ 434 Abs. 3: Zuweniglieferung; zur Zuviellieferung vgl. dagegen Rn. 653).
12. Gefahrübergang
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Der Sachmangel ist demnach also kein Wesensmerkmal der Sache, sondern er verweist auf die Nichterfüllung eines ganz bestimmten Versprechens einer konkreten oder abstrakten Eigenschaft, welche der Sache anhaften soll. Da jedes Gut aber für den Inhaber das Risiko seines Fortbestands und seiner gleichbleibenden Güte trägt, bedarf es für die Gewährleistungshaftung eines zeitlichen Moments, auf den sich das Versprechen des Verkäufers bezieht. Mängel, die erst später entstehen, etwa nach der Ingebrauchnahme durch den Käufer, können ihm nicht mehr angelastet werden, es sei denn, dass deren Ursache zu einer Zeit gesetzt worden war, während welcher der Verkäufer dieses Risiko noch zu tragen hatte.
Die zeitliche Abgrenzung des Risikos ist insb. deshalb notwendig, weil in Folge des Trennungsprinzips, dem das BGB folgt, schuldrechtlicher Kaufabschluss, Besitzübergang und Eigentumserwerb regelmäßig auseinanderfallen. § 446 S. 1 wählt hier eine Art Mittelweg und lässt die Übergabe der verkauften Sache maßgebend sein (geschuldet ist gem. § 433 Abs. 1 S. 1 Übergabe und Übereignung). Der Übergabe gleichgestellt wird insoweit der Annahmeverzug des Käufers (§§ 446 S. 3, 300 Abs. 2). Soweit die Vertragsparteien keine abweichende Risikoverteilung getroffen haben, ist der Käufer in seinem garantierten Interesse an vertragsgemäßer Sachqualität so lange schutzwürdig, bis die Ware in tatsächlicher Hinsicht aus dem Vermögen