Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
ist außer im Fall der Unmöglichkeit der Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5), ihrem Fehlschlagen, ihrer ernsthaften und endgültigen Verweigerung oder ihrer Unzumutbarkeit (§§ 437 Nr. 2, 440) eine vergebliche (Nach-)Fristsetzung zur Nacherfüllung. Gleiches gilt nach §§ 437 Nr. 2, 441 („statt zurückzutreten“) für die Minderung.
Die Voraussetzungen für Minderung/Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung unterscheiden sich nur durch das Verschuldenserfordernis beim Schadensersatz (alle Verweise enden bei § 280 Abs. 1 S. 2). Seit 2014 unterscheiden sich zudem hinsichtlich einer Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung § 323 Abs. 2 und § 281 Abs. 2 darin, dass zum sofortigen Rücktritt nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 bei Schlechterfüllung eine Interessenabwägung ermächtigen kann, während bei Ausbleiben der Leistung allein die strengere Bestimmung zum relativen Fixgeschäft (Nr. 2) gilt; hingegen ist sofortiger Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 Abs. 2) weiterhin immer nur eine Frage der Interessenabwägung, gleichwie bei Nicht- oder Schlechtlieferung. D.h. bei ausbleibender Lieferung mag also nun Schadensersatz in bestimmten Fällen schneller erreichbar sein als Rücktritt, was wenig sinnvoll ist, weil Schadensersatz statt der Leistung ja auch auf die Rücktrittsfolgen hinausläuft.
Steht danach fest, dass der Kaufvertrag nicht mehr ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, wird der im Äquivalenzinteresse ausgedrückte Ausgleich von Leistung und Preis nach Wahl des Käufers entweder dadurch hergestellt, dass er die mangelhafte Kaufsache behält, dafür jedoch nur einen entsprechend herabgesetzten Preis bezahlen muss, oder dass er von der Durchführung des Kaufvertrages gänzlich absieht und den Kaufgegenstand gegen Erstattung des Preises zurückgibt. Geringfügige Mängel (Reparaturkosten von 5–10 % des Kaufpreises) haben in Konsequenz des Äquivalenzprinzips nur eingeschränkte Rechtsfolgen: Minderung (§ 441 Abs. 1 S. 2) und Schadensersatz neben der Leistung (§§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3, ebenso § 311a Abs. 2 S. 3, schließen den großen Schadensersatz aus; §§ 326 Abs. 5 HS. 2, 323 Abs. 5 S. 2 den Rücktritt).
16. Minderung
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Minderung heißt nach § 441 Abs. 3 verhältnismäßige Herabsetzung des Kaufpreises entsprechend dem geringeren Wert der mangelhaften Kaufsache. Nicht der objektive Minderwert wird vom bezahlten Preis abgezogen, sondern die prozentuale Wertdifferenz zwischen mangelfreier und mangelhafter Ware wird auf den vereinbarten Preis übertragen, so dass ein vom entdeckten Fehler unabhängig zu hoch oder zu niedrig bezahlter Preis in demselben Verhältnis bestehenbleibt. Ein in Ansehung des Preises vom Käufer geschlossenes „gutes Geschäft“ kann dieser sich trotz des Mangels erhalten, allerdings reduziert sich der absolute Betrag der Unterbezahlung (und umgekehrt bei Überbezahlung der Ware). Die Herabsetzung erfolgt nach der Formel: alter Preis zu neuem Preis wie Wert der mangelfreien Sache zum Wert der mangelhaften Ware. Der neue Preis ermittelt sich durch entsprechende Auflösung der Formel.
Insb. für den Fall der Unterbezahlung der Ware („Schnäppchen“) sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass der den Sachmangel erst bestimmende, vertraglich vorausgesetzte Verwendungszweck (vgl. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1) durchaus auch im Preis seinen Ausdruck gefunden haben kann („B-Ware“). Es läge dann bereits kein Mangel vor und wäre kein Raum für Gewährleistungsrechte. Ein günstiger Preis allein lässt jedoch keinesfalls auf die Vereinbarung minderer Qualität schließen, unter Umständen jedoch schon darauf, ob etwa ein Kunstgegenstand eben nicht als echt oder ein Tier nur als Liebhabertier und nicht zu Zuchtzwecken veräußert wurde.
17. Rücktritt
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Das andere aus dem Äquivalenzinteresse folgende Recht des Käufers ist der bei allen Leistungsstörungen gesetzlich gewährte Rücktritt, neben § 437 Nr. 2 vgl. auch §§ 323, 324 i.V.m. 346 ff. Mit dem Rücktritt wird der Kaufvertrag so beseitigt, dass anstelle der synallagmatischen Leistungspflichten (vgl. §§ 320 ff.) ein nicht-synallagmatisches gesetzliches Schuldverhältnis auf Rückgabe besteht. Die bereits erfolgten Übertragungsakte und Übereignungen sind dadurch also nicht automatisch hinfällig, sondern sie müssen durch Rückgabe und Rückübereignung erst noch rückgängig gemacht werden. Sachenrechtlich muss somit ein erneuter derivativer Rechtserwerb, diesmal des Verkäufers vom Käufer, stattfinden. Der Rückgabeanspruch ist dort zu erfüllen, wo sich die Ware bei Erklärung des Rücktritts vertragsgemäß befindet. Neben der Rückgewähr der empfangenen Leistungen (zumeist Rückgabe und Rückübereignung, vgl. § 346 Abs. 1) hat der Käufer auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Ist die Rückgewähr nicht oder (jedenfalls im ursprünglichen Zustand) nicht mehr möglich, hat der Schuldner statt dessen Wertersatz zu leisten (vgl. § 346 Abs. 2). Die Pflicht zum Wertersatz entfällt jedoch gem. § 346 Abs. 3 in den meisten Fällen eines adäquaten Umgangs des Käufers mit der Sache während der Zeit seines Besitzes. Auch soweit danach kein Wertersatz geschuldet wird, ist eine verbleibende Bereicherung (Nutzungsvorteile) und damit insb. die Ersparnis anderweitiger Aufwendungen, nach Bereicherungsrecht zu ersetzen (vgl. § 346 Abs. 4 mit Verweis vor allem auf die Leistungskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1).
Beispiel:
Solche Nutzungsvorteile sind etwa die Wegstreckenentschädigung eines zwischenzeitlich gefahrenen Pkw, zwischenzeitliche Mieteinnahmen aus der Sache oder sonstige Erträge (vgl. § 99); beim Verbrauchsgüterkauf ist Nutzungsersatz durch § 475 Abs. 3 ausgeschlossen.
Aufgrund des nicht einzuhalten vermochten Versprechens des Verkäufers auf Lieferung des Kaufgegenstands bietet das Rücktrittsrecht dem Käufer die Möglichkeit, den beiderseitigen Leistungsaustausch rückabzuwickeln und schützt ihn davor, aus seinem übrigen Vermögen etwas hinzusetzen zu müssen, was nicht an Vorteil ihm zugeflossen ist. Umgekehrt wird auch der Verkäufer geschützt, in dem er allenfalls damit rechnen muss, nicht den vollen ursprünglichen Wert zurückerstattet zu bekommen, aber gleichfalls nichts aus seinem übrigen Vermögen hinzusetzen muss; dies müsste er nur bei Verschulden in Bezug auf den Mangel im Wege des Schadensersatzes.
Rücktritt und Minderung beseitigen das Missverhältnis zwischen Sachwert und Preis. Der Käufer kann jedoch – schon wegen des Sachmangels allein – noch weiteren Schaden haben (Verdienstausfall, Klagen seiner eigenen Kunden). Der Schadensersatz orientiert sich deshalb am Erfüllungsinteresse.
18. Prüfungsschema zu Forderungsrechten nach Rücktritt
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I. | Anwendbarkeit des Rücktrittsrechts 1. Ausübung eines gesetzlichen oder vertraglichen Rücktrittsrechts 2. Rechtsfolgenverweis, z.B. bei Minderung in §§ 441 Abs. 4 (Kauf), § 638 Abs. 4 (Werkvertrag), §§ 651d, e (Reisevertrag); bei Mietminderung dagegen Bereicherungsrecht |
II. | Rückgewähr, §§ 346 Abs. 1, 348 1. Rückgewähr der empfangenen Leistungen 2. Herausgabe der gezogenen Nutzungen a) Früchte (§ 99), Gebrauchsvorteile (§ 100) b) Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen, § 347 Abs. 1 |
III. | Nachrangig Wertersatz 1. Herausgabe nach Natur des Erlangten nicht möglich (z.B. Gebrauchsvorteile/erbrachte Dienstleistung) 2. Verbrauch, Veräußerung, Belastung, Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes 3. § 346 Abs. 2 S. 2: Berechnung des Wertersatzes nach vereinbarter Gegenleistung 4. Ausschluss der Wertersatzpflicht, § 346 Abs. 2 |