Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
Unmöglichkeit, Fehlschlagen etc. der Nacherfüllung)
21. Arten des Schadensersatzes
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Je nach Art des beim Käufer eingetretenen Schadens stehen ihm drei Berechnungsweisen zur Verfügung. Es sind dies der Schadensersatz statt der Leistung, der Schadensersatz neben der Leistung und der Aufwendungsersatz.
Mit dem Schadensersatz statt der Leistung kann der Käufer solche Schäden liquidieren, die entfallen wären, wenn der Verkäufer im Zeitpunkt des Schadensersatzverlangens noch ordnungsgemäß erfüllt hätte. Schadensersatz neben der Leistung betrifft hingegen Schadenspositionen, die bei entsprechender Nacherfüllung bereits nicht mehr entfallen wären und die deshalb nicht alternativ zur Leistung (nicht „statt“), sondern („neben“) kumulativ zur Leistung, also zur Vertragserfüllung beansprucht werden können.
Entgangener Gewinn (vgl. § 252) kann Schadensersatz statt der Leistung sein, wenn die Weiterveräußerungsmöglichkeit nach Ablauf der Nachfrist zur ordnungsgemäßen Erfüllung noch fortbesteht, und Schadensersatz neben der Leistung, wenn sie bereits vorher weggefallen war.[66] Die Kosten eines Deckungskaufs sind, soweit dieser nur zur vorübergehenden Überbrückung dient, Schadensersatz neben der Leistung, beim dauerhaften Deckungskauf Schadensersatz statt der Leistung.
Schadensersatz statt der Leistung setzt deshalb regelmäßig eine Nachfristsetzung voraus (vgl. § 281 Abs. 1), die nur ausnahmsweise (vgl. § 281 Abs. 2) und v.a. bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung (vgl. § 283) entbehrlich ist. Schadensersatz neben der Leistung (vgl. § 280 Abs. 1) bedarf zu seiner Geltendmachung keiner Nachfristsetzung, weil diese Schadenspositionen gerade unabhängig von einer Nacherfüllung entstehen.
Diese Unterscheidung ist im Hinblick auf den Ersatz vergeblicher Aufwendungen (vgl. § 284) relevant. Das sog. Frustrationsinteresse („frustrierte Aufwendungen“) kann der Käufer nur alternativ zum Schadensersatz statt der Leistung, ohne Weiteres jedoch ergänzend zum Schadensersatz neben der Leistung geltend machen (anders z.T. nach der Rentabilitätsvermutung[67]).
Beispiel nach BGHZ 163, 381 ff.: Der Käufer eines Fahrzeugs tritt nach fehlgeschlagener Mangelbeseitigung vom Kaufvertrag zurück. Er verlangt nun Ersatz seiner Gutachterkosten zur Mangelfeststellung, der Zulassungs- und Überführungskosten sowie von Kosten für von ihm nachträglich eingebauter Zusatzausstattung.
Nach § 325 kann der Käufer stets neben dem Rücktritt (hier gem. §§ 440, 323 Abs. 1, 346 ff.) zusätzlich Schadensersatz verlangen. Für Letzteren muss er sich je nach Art seiner Schadenspositionen für die lukrativste Berechnungsweise entscheiden. Die Gutachterkosten zur Mängelfeststellung sind als Schadensersatz neben der Leistung zu qualifizieren, weil sie auch bei erfolgreicher Nacherfüllung entstanden wären. Daneben ist nach § 284 Aufwendungsersatz möglich. Aufwendungen sind freiwillig erbrachte Vermögensopfer, worunter die geltend gemachten Kosten gefasst werden können. Das Schadensersatzverlangen ist deshalb insges. berechtigt. Weiterhin könnte der Käufer einen Nutzungsausfallschaden für die Zeit bis zur Rücktrittserklärung geltend machen (nach dem Kommerzialisierungsgedanken stellt die bloße Nutzungsmöglichkeit eines PKW einen Vermögenswert dar, der hier infolge des Mangels wegfällt). Auch dieser Schaden wäre nicht rückwirkend durch Nacherfüllung weggefallen und somit neben der Leistung geltend zu machen.
Nutzungsausfallschaden für Zeiten nach der Rücktrittserklärung, etwa bis ein adäquater Ersatzwagen gefunden werden konnte (aber Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 zu beachten) und ein allfälliger Mehrpreis für den Ersatzwagen fielen zwar ebenfalls unter die Schadensersatzpflicht des Verkäufers, wären jedoch als Schadensersatz statt der Leistung (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1) nicht mit den zuvor benannten Schadensersatzansprüchen kombinierbar. Der Käufer müsste sich also entscheiden (vertretbar erscheint nach der sog. Rentabilitätsvermutung, die Zulassungskosten alternativ auch als Schadensersatz statt der Leistung zu qualifizieren). Die Berechnungsweisen stehen also nebeneinander und schließen sich (nur) teilweise aus.
22. Besonderheiten des Gewährleistungsrechts
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Mit Ausnahme des zusätzlichen Minderungsrechts greifen die Gewährleistungsrechte auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht zurück. Die Besonderheiten im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 437 liegen deshalb nur in der konditionalen Anbindung an die fortbestehende Erfüllungsklage (Nacherfüllung), ausgedrückt durch § 440, wodurch eine evtl. sonst erforderliche Nachfristsetzung modifiziert wird. Außerdem wird das Kapitalrisiko für den Wert der Kaufsache zwischen Verkäufer und Käufer durch die Festlegung auf den Gefahrübergang (§§ 434 Abs. 1 S. 1, 446 f.) in zeitlicher Hinsicht abgegrenzt.
„Nachträgliche“ Mängel unterfallen deshalb nicht dem Gewährleistungsrecht – unabhängig, ob der Käufer sie verursacht hat (anders nur, wenn sie auf einen Instruktionsfehler oder einer fehlerhaften Montageanleitung beruhen, vgl. § 434 Abs. 2 S. 2) oder ob sie bei der Nacherfüllung vom Verkäufer zugefügt werden. Im letzten Fall haftet der Verkäufer wegen Schutzpflichtverletzung gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 zwar durchaus auch auf Schadensersatz neben der Leistung; ein Rücktrittsrecht hat der Käufer jedoch nur unter der engeren Vorschrift des § 324 und er kann deshalb auch nur unter dieser Voraussetzung, nämlich der Unzumutbarkeit der erneuten Annahme der „verschlimmbesserten“ Sache, auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282, übergehen.[68]
23. Ausschlussgründe der Mängelansprüche
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Alle Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind ausgeschlossen, wenn er bereits bei Vertragsschluss[69] den Mangel kennt, dann bedarf der Käufer keines Schutzes (§ 442 Abs. 1). Vielmehr ist der Verkäufer vor Übervorteilung zu schützen. Kannte der Käufer den Mangel bei Vertragsschluss zwar nicht, hätte ihn aber bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt erkennen müssen, so gilt dasselbe, außer der Verkäufer hätte den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen (§ 442 Abs. 1 S. 2). Dieser Ausschlusstatbestand setzt aber eine Obliegenheit des Käufers zur Ankaufsuntersuchung bei Vertragsschluss voraus (wie z.B. beim Unternehmenskauf eine Due Diligence durchzuführen und wenn dann dabei leicht erkennbare Probleme übersehen würden), deren gröbliche Verletzung erst zum Rechtsverlust führt. Das bewusste Annehmen einer gelieferten mangelhaften Kaufsache bedeutet keine Genehmigung (anders ist das beim Werkvertrag, vgl. § 640 Abs. 2; beachte weiterhin die Rügeobliegenheit des § 377 Abs. 2 beim Handelskauf).
Auf einen Mangel kann sich der Käufer schließlich dann nicht berufen, wenn er durch einen vereinbarten Haftungsausschluss auf entsprechende Rechte verzichtet hat und der Verkäufer seinerseits den Mangel nicht arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat (§ 444).[70] Die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses ist allerdings beim