Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
mit seiner Erfüllungsklage durchdringen können, insb. also seine Folgerung vollgültig entstanden, fällig und frei von Einreden sein. Denn solange der Leistungsschuldner ein Leistungsverweigerungsrecht hat und davon berechtigt Gebrauch macht, ist er nicht säumig (z.B. Zurückbehaltungsrechte gem. §§ 320, 273). § 286 Abs. 1 verlangt zudem, dass der Gläubiger die Leistungsklage auch erhebt oder dem Schuldner jedenfalls die Möglichkeit dazu androht (sog. Mahnung), zumindest in dem er auf die Fälligkeit der Leistung gesondert hinweist.
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Der Schuldner gerät also nicht ohne Weiteres in Verzug und der Gläubiger kann aus der bloßen Fälligkeit der Leistung eben gerade nur diese und nichts darüber hinaus verlangen; weitergehende Rechtsbehelfe setzen Überfälligkeit voraus (arg. e § 286 Abs. 2).
Verzug (wie Unmöglichkeit) betrifft nur die einzelne Leistungspflicht. Bei gegenseitigen Verträgen mit Vorleistungspflicht einer Partei kann die andere mit ihrer Leistung einstweilen nicht in Verzug geraten, sondern hat die Einrede des § 320 Abs. 1 S. 1. Regelfall ist dagegen heute die (freiwillige, durch bargeldlosen Zahlungsverkehr technisch bedingte) Vorleistung einer Partei und der erst durch Mahnung (oder nach § 286 Abs. 2) begründete Schuldnerverzug der anderen.
Für die praktische Relevanz einer Vorleistungspflicht sei an das kleine Beispiel in der juristischen Arbeitstechnik in der Einleitung erinnert, Rn. 71, 73. Was materiell-rechtlich eher farblos als Einrede der Zug-um-Zug-Leistung (§§ 320, 322) dasteht, die durch Feststellung von Annahmeverzug (§ 298) überwindbar ist, muss prozessual von vornherein als negatives Tatbestandsmerkmal mitbedacht und klageweise mit geltend gemacht werden, anderenfalls ist der Anspruch nicht durchsetzbar, also der vor Gericht erstrittene Titel so nicht vollstreckbar und damit erstmal wertlos.
a) Besondere Tatbestände
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Wie die Mahnung des Schuldners durch den Gläubiger jenen darauf hinweisen soll, dass seine Leistung nunmehr ernsthaft erwartet wird und widrigenfalls weitergehende Rechtsbehelfe drohen, so können besondere Abreden im Kaufvertrag oder andere Umstände diese Funktion gleichfalls erfüllen. Dies sind insb. die in § 286 Abs. 2 benannten Fälle der Entbehrlichkeit einer Mahnung, v.a. die nach kalendermäßigem Datum bestimmte Leistungszeit. Dazu gehört auch der Fall, dass der Schuldner bereits von sich aus seine Leistung auf einen späteren Termin nach Fälligkeit ankündigt (sog. Selbstmahnung).
Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt nach § 286 Abs. 3 überdies nach Ablauf von dreißig Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung automatisch in Verzug. Gegenüber einem Verbraucher gilt dies allerdings nur, wenn in der Rechnung hierauf hingewiesen wurde (§ 286 Abs. 3 S. 2). Kann der Zugang der Rechnung überdies nicht bewiesen werden und bestreitet der (juristisch versierte) Schuldner ihren Erhalt, so tritt der Empfang der Gegenleistung für den Beginn der Dreißigtagefrist an ihre Stelle; dies gilt allerdings wiederum nicht gegenüber Verbrauchern (vgl. § 286 Abs. 3 S. 2). Da der Zugang einer Rechnung normalerweise praktisch kaum je beweisbar sein wird, hat diese Form der Verzugsbegründung gegenüber Verbrauchern wenig Bedeutung.
b) Verschulden
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§ 286 Abs. 4 macht den Verzugseintritt überdies von einem Vertretenmüssen des Schuldners (vgl. §§ 276, 278) abhängig, wobei es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal und einen möglichen Entlastungsbeweis handelt. Solche Fälle sind denkbar selten und mögen in der unverschuldeten Unkenntnis der Gläubigeradresse liegen, also etwa bei fehlerhaften Angaben durch den Gläubiger zu seiner Kontoverbindung oder bei unvorhersehbarer Materialverknappung auf den zumutbar erreichbaren Märkten oder bei nicht kalkulierbaren und vom Schuldner nicht verursachten Transportproblemen (unverschuldeter Unfall, gänzlich unerwartete Verkehrsbehinderungen oder behördliche Maßnahmen). Lediglich individuelle finanzielle Liquiditätsschwierigkeiten, gleich aus welchen Gründen, gehören jedenfalls nicht dazu (als Gattungsschuld gilt nach h.M. ganz liberalistisch: Geld hat man zu haben).
31. Verzugsfolgen
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Sind die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs gegeben, so kann der Gläubiger den Verzögerungsschaden als Schadensersatz neben der Leistung (vgl. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286) ersetzt verlangen. Daneben, aber erst nach einer (etwa bereits im Mahnschreiben) gesetzten angemessenen Nachfrist zur Leistungserbringung, kann der Gläubiger auch vom Vertrag zurücktreten (vgl. § 323). Den sodann in Folge des Rücktritts und des daraus folgenden endgültigen Ausbleibens der Leistung entstehenden Schaden kann der Gläubiger als Schadensersatz statt der Leistung (vgl. §§ 325, 281, 280 Abs. 1) ergänzend liquidieren.
Die Unterscheidung von Schadensersatz neben bzw. statt der Leistung ist identisch zu der beim Gewährleistungsrecht des Käufers dargestellten. Kosten, die auch bei überfälliger Leistungserbringung im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht entfallen wären (z.B. für vorübergehende Ersatzbeschaffungen, Zinsverlust) sind Schadensersatz neben der Leistung; Kosten eines endgültigen Deckungsgeschäfts Schadensersatz statt der Leistung. Der einmal entstandene Anspruch auf Verzögerungsschaden neben der Leistung wird durch den nachfolgenden Rücktritt und das Verlangen auf Schadensersatz statt der Leistung nicht ausgeschlossen oder konsumiert, sondern bleibt daneben bestehen.
Dies gilt auch für den Verzugsschaden als spezielle Form des Schadensersatzes neben der Leistung im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsrecht. Zwar kann der Käufer wegen des Sachmangels nur entweder Schadensersatz statt Leistung (vgl. §§ 437 Nr. 3, 440, 281 bzw. 283 oder 311a) oder solchen neben der Leistung (vgl. §§ 437 Nr. 3, 440, 280, ggf. kombiniert mit dem Ersatz vergeblicher Aufwendungen nach § 284) verlangen. Dies schließt jedoch nicht aus, außerhalb von § 437 Nr. 3, nämlich den Verzögerungsschaden für die Zeit während des Fortbestehens der Leistungspflicht, also während des Laufs der Nacherfüllungspflicht, zu beanspruchen. Der Verzögerungsschaden beruht nicht auf der Schlechterfüllung, sondern auf dem Verzug mit der Erfüllung, welche spätestens mit Ablieferung der mangelhaften Sache fällig geworden und durch das ausdrückliche Nacherfüllungsverlangen (vgl. §§ 437 Nr. 1, 439) in diesem Sinne angemahnt worden war. Solches gilt z.B. für den Betriebsausfallschaden ab diesem Zeitpunkt (vgl. zum Betriebsausfallschaden bereits oben Rn. 100 a.E.).
Kein Verzugsschaden sind damit die Kosten der Erstmahnung des Schuldners. Sie begründet erst den Verzug und entsteht nicht in seiner Folge. Erst Inkasso- und Anwaltskosten nach Zugang der Mahnung und damit Verzugsbegründung können als Schadenspositionen abgerechnet werden. Mindestschaden im Verzug mit Geldschulden sind gesetzliche Verzugszinsen gem. § 288 mit unterschiedlicher Höhe gegenüber Verbrauchern (Abs. 1) und Unternehmern (Abs. 2). Beim beiderseitigen Handelskauf können bereits Fälligkeitszinsen nach §§ 353, 352 Abs. 2 HGB beansprucht werden.
32. Besondere Rechtsfolgen, Fixgeschäfte
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Für das Rücktrittsrecht des Gläubigers der fälligen und nicht notwendig überfälligen Leistung ist eine Fristsetzung ausnahmsweise beim sog. relativen Fixgeschäft entbehrlich (vgl. § 323 Abs. 2 Nr. 2; „relativ“, weil eine verspätete Erfüllung nicht absolut ausgeschlossen wird). Ein solches liegt vor, wenn die Parteien nicht nur den Leistungszeitpunkt vertraglich vereinbart haben, sondern es muss hinzukommen, dass der Liefertermin „nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist“, der Vertrag also erkennbar mit der Einhaltung