Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
den Schuldner oder für jedermann“ ist grammatikalisch zweifelhaft und ein Pleonasmus) nicht gefordert werden kann. Der Kaufvertrag als Schuldverhältnis bleibt bestehen, nur die einzelne Leistungspflicht entfällt. Solche Unmöglichkeit kann physikalischer (Kauf eines perpetuum mobile) oder rechtlicher (Verkauf eines Mondgrundstücks) Art sein. Unmöglichkeit liegt wertungsmäßig auch vor, wenn der Verkäufer einen Aufwand tragen müsste, der ohne Verhältnis zum Sachinteresse des Erwerbers stünde (vgl. § 275 Abs. 2, etwa wenn ein verkaufter Ring noch dem Verkäufer im Meer untergeht; die Bergung stünde meist in keinem Verhältnis zum Wert des Ringes). Gleiches gilt für Fälle persönlicher Unmöglichkeit, welche jedoch nur im Arbeits- und Dienstvertrag bedeutsam sind, weil der Kauf als Liefergeschäft gerade keine persönliche Leistungserbringung voraussetzt.
Ist ein Schuldverhältnis auf eine Beschaffungspflicht des Verkäufers gerichtet, so kann dieser sich gerade nicht etwa auf rechtliche Unmöglichkeit mangels seines Eigentums am Kaufgegenstand berufen: Die Unmöglichkeit muss gerade die konkrete geschuldete Leistung betreffen. Diese beschränkt sich bei der Stückschuld von Anfang an auf einen konkreten Gegenstand, dessen Zerstörung oder Verlust zur Unmöglichkeit führt. Bei der Gattungsschuld (§ 243 Abs. 1) liegt Unmöglichkeit hingegen nur vor, wenn entweder die Gattung untergeht (bestimmte Waren unterliegen plötzlich insges. einer Zwangsbewirtschaftung) oder sich die Leistungspflicht durch Konkretisierung (§ 243 Abs. 2) auf ein bestimmtes Stück beschränkt hat und dieses nicht mehr geliefert werden kann. Neben qualitativen Aspekten (mittlere Art und Güte) setzt Konkretisierung unterschiedliche weitere Leistungshandlungen je nach Art der Schuld voraus, so das Bereitstellen eines individuellen Stücks bei der Holschuld, die Übergabe an die Transportperson bei der Schickschuld oder, im Falle einer Bringschuld, die tatsächliche Anlieferung am Ort des Käufers. Je danach, zu welchem Zeitpunkt die Störung eintritt, kann und muss der Verkäufer noch aus der Gattung leisten.[73]
a) Abgrenzung zur Geschäftsgrundlage[74]
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Keine Unmöglichkeit liegt bei Leistungserschwernissen vor, wenn eine Partei gerade dieses Risiko (z.B. Beschaffungsrisiko, Risiko der Geldwertstabilität etc.) ganz konkret übernommen hatte; sie muss dann den „Verlustauftrag“ durchführen. Ohne solche Gewährsübernahme und betrifft eine schwerwiegende Störung die beiderseitig vorgestellte Kalkulationsgrundlage, gehen die Grundsätze der Geschäftsgrundlage ebenfalls der Unmöglichkeit vor und es findet eine (Preis-)Anpassung, vgl. § 313 Abs. 1, statt oder es besteht ein Rücktrittsrecht, vgl. § 313 Abs. 2 (z.B. geschuldetes Freischleppen eines Schiffes, wenn dieses zuvor aus eigener Kraft freikommt; Fenstermiete für die Dauer eines vor dem Gebäude angekündigten Konzerts, wenn dieses abgesagt wird). Für Unmöglichkeit bleibt in solchen Fällen nur Raum, wenn der über die bloße Leistungshandlung hinausgehende Erfolg (ausnahmsweise) Vertragsinhalt geworden ist. Oftmals wird jedoch trotz Störung im Ablauf weder Wegfall der Geschäftsgrundlage noch Unmöglichkeit vorliegen, nämlich wenn und weil der Zweck bloßes Motiv war (so die ausfallende Hochzeit hinsichtlich des bestellten Kleids oder Essens; die abgesagte Gewerbemesse für das gebuchte Hotelzimmer).
b) Gegenleistungsgefahr
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Unmöglichkeit verändert den Inhalt des Schuldverhältnisses und lässt die betroffene Leistungspflicht entfallen. Dies spiegelt sich aufgrund des Synallagma beim gegenseitigen Vertrag in der Gegenleistungspflicht (§§ 275 Abs. 4, 326 Abs. 1). Auch diese entfällt entweder ganz oder jedenfalls teilweise. Es gilt der Grundsatz: Ohne Leistung keine Gegenleistung.
Eine Ausnahme hiervon macht § 326 Abs. 2 für den Fall, dass gerade der Käufer als Gläubiger der Leistung des Verkäufers für deren Unmöglichkeit verantwortlich ist. Solche Verantwortlichkeit des Käufers kann sich aus seinem direkten schädigenden Einwirken auf den Kaufgegenstand noch beim Verkäufer ergeben, aber auch aus der Verletzung von Neben- bzw. Treupflichten, etwa wenn der Käufer den Verkäufer vor besonderen Risiken bei der Anlieferung zu warnen versäumt. Die Pflicht zur Gegenleistung bleibt außerdem erhalten, wenn die Unmöglichkeit während des Gläubigerverzugs (§§ 293 ff.) eintritt (z.B. der Käufer beim verabredeten Liefertermin nicht angetroffen wird und der Verkäufer bei der Rückfahrt einen Unfall erleidet, wobei der Kaufgegenstand zerstört wird) und der Verkäufer als Schuldner den zur Unmöglichkeit führenden Umstand nicht zu vertreten hat. Ob insoweit der Verkäufer als Schuldner etwa die Zerstörung durch den Unfall zu vertreten hat, richtet sich gem. § 300 Abs. 1: grob fahrlässige Verursachung.
Soweit die Gegenleistung nach § 326 entfällt, hat der Käufer dennoch die Möglichkeit, diese zu erbringen und dafür nach §§ 326 Abs. 3, 285 allfällige Ersatzansprüche oder sonstige Ersatzleistungen, die der Verkäufer aus der Unmöglichkeit zieht (etwa Ansprüche gegen den Dieb oder Versicherungsleistungen) zu beanspruchen; ggf. wird dies ergänzt um die Möglichkeit zur Minderung (vgl. § 326 Abs. 3). Hatte der Käufer die Gegenleistung bereits erbracht und ist die Pflicht zur Gegenleistung wegen der Unmöglichkeit entfallen, so kann diese auch gem. §§ 326 Abs. 4, 346 ff. zurückgefordert werden.
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§ 275 betrifft die Leistungsgefahr, nämlich eine Leistung – ggf. nochmals – erbringen zu müssen; § 326 knüpft daran an, regelt aber die Preisgefahr (Gegenleistungsgefahr) und zwar in sächlicher Hinsicht, also die Gegenleistung mit oder ohne Leistungserbringung fordern zu können.
Ähnlich, aber in zeitlicher Hinsicht, grenzen in diesem Zusammenhang auch §§ 446, 447 die Preisgefahr ab: Bloß liegt im Fall des § 447 gar keine Unmöglichkeit vor, sondern die Leistung ist bereits erbracht und lediglich tritt der Erfolg nicht ein (deshalb verweist § 326 Abs. 2 nicht auf § 447: § 447 ist keine Ausnahme zu § 326 Abs. 1, sondern lässt parallel zur Unmöglichkeit oder zum Rücktritt die Gegenleistung entfallen).[75]
c) Ergänzend: Rücktritt bei Unmöglichkeit
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Für das Verständnis hilfreich ist § 326 Abs. 5. Da ein Schuldverhältnis wie der Kauf zumeist nicht nur aus einer Leistungspflicht besteht, sondern Nebenleistungspflichten hinzutreten und es ohne Weiteres möglich ist, dass nur eine der mehreren Leistungen unmöglich wird, würde der Verkäufer nur von dieser gem. § 275 Abs. 1 bis 3 befreit, müsste die anderen also weiterhin erbringen. Dies hätte aber v.a. zur Folge, dass auch die Gegenleistung noch teilweise geschuldet würde (vgl. § 326 Abs. 1 S. 1 HS. 2). Hier hat nun der Käufer ein Rücktrittsrecht in entsprechender Anwendung des § 323, sofern diese Restleistungen – wie wohl zumeist – für ihn ohne Interesse sind (vgl. § 323 Abs. 5). Erst der Rücktritt wandelt dann das ganze Schuldverhältnis; die Unmöglichkeit betrifft nur einen einzelnen Leistungsaspekt, der Verkäufer als Schuldner der Sachleistung soll aber die gesamte Preisgefahr tragen.
29. Verzug des Schuldners
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Die dritte Möglichkeit der Leistungsstörung ist die Säumnis des Schuldners mit seiner Leistung. Dies mag die verspätete Lieferung durch den Verkäufer betreffen,[76] genauso wie die verspätete Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer. Ausgeschlossen ist Verzug lediglich bei Fällen der Unmöglichkeit, welche die jeweilige Leistungspflicht entfallen lassen. Charakteristikum des Verzugs ist, dass dem Gläubiger die Leistungsklage unverändert zu Gebote steht, insb. Fälligkeit der Leistung (§ 271) eingetreten ist. Hierbei stellen sich für den Gläubiger Fragen nach dem Ersatz eventueller Schäden aus der Überfälligkeit (bei einer Geldschuld jedenfalls aus der Verzinsung) und der Notwendigkeit, auf die Erbringung weiter zuwarten zu müssen, um dann auf die Gegenleistung verpflichtet zu sein – oder sich vom Vertrag lösen und anderweitig eindecken zu können.
30. Voraussetzungen des Verzugs
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