Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph Hillebrand
Erwerber wird allerdings im Rahmen von § 986 Abs. 2 von den schuldrechtlichen Ansprüchen des Gebrauchsberechtigten (Mieter) belastet (beachte: § 986 Abs. 2 beschränkt sich auf Veräußerungen nach § 931, folglich auf Fahrnis; insoweit ist dann auch kein gutgläubiger lastenfreier Erwerb möglich, vgl. §§ 936 Abs. 3, 931, 934).
Für Liegenschaften gilt die fortwirkende Bindung eines Erwerbers nur im Rahmen von §§ 566 Abs. 1 i.V.m. 578 bzw. 581 Abs. 2 „Kauf bricht nicht Miete und Pacht“; ergänzt um §§ 567–567b).
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Die schuldrechtliche Natur von Miete, Pacht und Leihe schafft vier typische Problemkreise.
Zuerst die Erfüllungsproblematik: Der versprochene Gegenstand muss dem Berechtigten im vertraglichen Umfang verschafft und zum vertragsgemäßen Gebrauch überlassen werden (vgl. §§ 535, 581, 598). Das setzt i.d.R. die Besitzübertragung und die Schaffung der tatsächlichen Verhältnisse für die Gebrauchstauglichkeit voraus. Beides sind die charakteristischen Hauptpflichten, deren zu vertretende Verletzung Leistungsstörung (Schlechtleistung, Verzug oder Unmöglichkeit) ist.
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Im Unterschied zu den Umsatzverträgen bringt die Zeitdauer, für welche der vertragsmäßige Gebrauch fortgesetzt überlassen bleiben muss, zusätzliche Probleme der Gefahrtragung und Gewährleistung über diejenigen bei Beginn der Überlassung hinaus. Die Primärpflicht des Vermieters hinsichtlich der Gebrauchstauglichkeit ist eine fortgesetzte, auf Erhaltung derselben und auch künftige Beseitigung allfälliger Beeinträchtigungen gerichtete, woran sich die Tragung der Preisgefahr während der Unbrauchbarkeit (vgl. § 536 ebenso wie § 555a) und die Mängelhaftung (vgl. §§ 536 ff.) ausrichten muss. Besitzübergang und nachfolgende Obhut des Berechtigten bedingen jedoch auch Obhuts- und Sorgfaltspflichten des Gebrauchsberechtigten (vgl. § 536c). Andererseits wird auch die Regelung seiner Aufwandspflichten und seines Verwendungsersatzes notwendig (vgl. §§ 539).
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Der Charakter von Überlassungsverträgen als Dauerschuldverhältnis wirkt sich auch auf die Gegenleistung aus, die regelmäßig in gleichen Zeitabschnitten fällig wird. Hieran knüpfen die Bestimmungen über Fälligkeit, Verzugsfolgen und Einwendungen an (vgl. §§ 556b Abs. 1, 537 Abs. 2), aber auch solche, welche die Möglichkeiten der Vorausverfügung und der Aufrechnung mit Rücksicht auf den Schutz der Gläubiger des Vermieters bzw. Verpächters begrenzen (vgl. §§ 566b–d) und zur schriftlichen Dokumentation zwingen (§§ 550, 126, was auch für jede spätere Änderung gilt[104]).
Insb. bei der Wohnraummiete treten sodann Schutzinteressen des Berechtigten hinzu, welche ein umfangreiches Mieterschutzrecht geschaffen haben, wodurch das schuldrechtliche Nutzungsrecht in den Anwendungsbereich des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 GG) einbezogen wurde.[105]
§ 2 Vertragsordnung des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts › C. Überlassungsschuldverhältnisse › I. Miete
I. Miete
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Miete ist wie Pacht ein gegenseitiger Vertrag mit synallagmatischen Hauptpflichten, die auf die zeitliche Gebrauchsüberlassung einer Sache nebst der Gewährung des ungestörten Mietgebrauchs gegen Zahlung des vereinbarten Mietzinses (vgl. § 535) gerichtet sind. Betreffend die Hauptpflichten ist die Miete analog zum Kaufrecht aufgebaut. Anders als dort sind jedoch umfangreiche Treu- und Fürsorgepflichten sowie ein durch die Obhut bedingter Gemeinschaftsgedanke weit charakteristischer. Gegenstand der Miete können nach BGB nur Sachen (vgl. §§ 90 ff.) sein, aber nur solche, die gebrauchsfähig sind. Dem Verbrauch unterliegende Sachen können weder vermietet noch verliehen werden. Auch Rechte können nicht „gebraucht“, sondern nur genutzt werden und deshalb nur Gegenstand eines Pachtvertrags sein (so z.B. Lizenzverträge über geistiges Eigentum).
Beispiel:
Die Überlassung einer Kiesgrube zur Auskiesung ist Pacht. Die Überlassung von Reklameflächen ist dann Miete, wenn dem Verpflichteten keine weiteren Dienste aufgebürdet werden: Die Reklame auf Taxis ist gemischter Vertrag mit Elementen des Dienstvertrags, nämlich der Pflicht, die Wagen auch fahren zu lassen. Ein Bankschließfach wird gemietet, soweit die Bank keine zusätzliche Verwahrungs- und Sorgfaltspflicht übernimmt. Gleiches gilt für die Benutzung einer Tiefgarage ebenso, wie für den privatrechtlich ausgestalteten Eintritt in eine öffentliche Badeanstalt.
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Nur die Pacht berechtigt zum Fruchtbezug (Rechts- bzw. Sachfrüchte). Nicht jedes Erschließen von Erwerbsquellen mit Hilfe vermieteter Sachen ist Pacht, vielmehr nur dann, wenn die Einnahmen durch die Einrichtungen und Konzessionen der Sache erzielt werden (die Überlassung einer Gaststätte mit entsprechender Einrichtung und Getränkebezugsverträgen ist Pacht, die Überlassung einer Eisfläche an den Eishockeyverein hingegen Miete, weil erst der Verein darauf eine gewinnbringende Tätigkeit entfaltet).
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Gelegentlich sind auch Miet- und Werkvertrag abzugrenzen. Ist ein Fahrzeug vermietet, trägt der Mieter alle Risiken außer der Fahrbereitschaft an sich. Bei Vermietung mit Fahrer ist dessen Verfügbarkeit Teil der Mietleistung, nicht eigenes werk- oder dienstvertragliches Element. Hingegen ist der Beförderungsvertrag insges. Werkvertrag.
Der Mietvertrag ist Schuldvertrag. Erst seine Erfüllung seitens des Vermieters schafft darüber hinaus noch ein Besitzverhältnis mit sachenrechtlicher Wirkung (vgl. §§ 858 ff.).
Beispiel:
Der stets als Miete ausgestaltete Schwimmbadbesuch[106] gibt hinsichtlich der rechtmäßig in Besitz genommenen Umkleidekabine und des Garderobenschranks Besitzabwehrklagen gegen jedermann.
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Auch ohne gültigen Mietvertrag kann ein tatsächlich erfolgtes Überlassungs- und Besitzverhältnis Anerkennung finden (z.B. bei fehlender Geschäftsfähigkeit etc.); ebenso nachdem die Mietzeit abgelaufen ist (sog. Lehre vom „fehlerhaften Vertrag“ sowie die Fiktion eines unbefristeten Fortsetzungsvertrags in § 545). Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung würde in solchen Fällen erhebliche Schwierigkeiten bereiten, weshalb die Fehlerhaftigkeit nur für die Zukunft durch (dann regelmäßige aber nicht rückwirkende) Anfechtung oder, sofern die Nichtigkeit auf einem entsprechenden wichtigen Grund beruht, durch außerordentliche Kündigung geltend gemacht werden kann. Für die vergangene Zeit des faktischen Vollzugs bleibt die Pflicht zur Gegenleistung bestehen (vgl. § 546a Abs. 1).
a) Hauptpflicht
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Hauptpflicht ist neben der Verschaffung der Mietsache, den vertragsgemäßen Gebrauch für die Dauer der Mietzeit zu ermöglichen. Hierzu kann je nach Umständen auch Zubehör gehören. Die Überlassung kann zum Alleingebrauch oder zum Mitgebrauch geschuldet werden. Auch die Erhaltung der Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand ist Hauptpflicht und die eigentliche Dauerleistung des Vermieters, für die er die Sachgefahr trägt.
Verlangt der Mieter von seinem Vermieter die Beseitigung permanenter Ruhestörung etwa in Folge eines Gaststättenbetriebs, so ist dies kein Gewährleistungsverlangen (so nur etwa eine Mietminderung, § 536) und keine Frage der Zurechenbarkeit wegen etwaigen Verschuldens des Vermieters, sondern der Anspruch auf Erfüllung der primären Hauptpflicht (vgl. § 535; anders als beim Gewährleistungsverlangen greift hiergegen nicht der Ausschlussgrund