Verkehrsunfallflucht. Carsten Krumm
(Rn. 224 f.) handelt; das Verfahren würde dann zügig mangels Verwirklichung des Tatbestands eingestellt. Über seine Zahlung an den Geschädigten sollte sich der Mandant eine Quittung von diesem unterschreiben lassen, die folgendermaßen aussehen könnte:
Quittung
Der Unterzeichner/die Unterzeichnerin hat heute, am (Datum) ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zwecks Regulierung des Schadens vom (Unfalldatum) an dem (Gegenstand: z.B. Pkw, Modell, amtliches Kennzeichen)... Euro … von Herrn/Frau … erhalten. Damit sind sämtlichen Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom … erledigt; weitere Ansprüche werden nicht mehr gestellt.
Ort, Datum, Unterschrift des/der Geschädigten
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Ein ähnliches Vorgehen empfiehlt sich auch bei höheren Schäden, ggf. mit Zustimmung bzw. zumindest mit Anzeige (vgl. Rn. 34 ff.) gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung. Zum einen gelingt es auf diese Weise oft – in zulässiger Weise (vgl. Rn. 19) – den tatsächlich nachgewiesenen Schaden zu reduzieren und damit unter die Grenze zu drücken, ab der die Rechtsprechung nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zur Zeit von einem „bedeutenden Schaden“ ausgeht und die Fahrerlaubnis entzieht (vgl. hierzu, insbes. zur Höhe des bedeutenden Sachschadens Rn. 429 ff., dort insbes. Rn. 439). Zum anderen wird bei erfolgter Selbstregulierung des fremden Schadens der Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag des/der Mandanten/in nicht belastet, der Schadenfreiheitsrabatt bleibt erhalten und Kfz-haftpflichtversicherungsvertragliche Probleme (Stichwort: Obliegenheitsverletzung) werden vermieden (vgl. Rn. 42). Nach erfolgreicher Beendigung des Strafverfahrens kann man dann immer noch versuchen, die Aufwendungen für die Schadensregulierung von seiner Kfz-Haftpflichtversicherung zurückzufordern. Zum Recht der Selbstregulierung von Kleinstschäden (z.B. bis zu 600,- €) vgl. Hinweis in Rn. 38.
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In seltenen Fällen wird die Verteidigung vom/von der Mandanten/in schon so frühzeitig nach dem Tatgeschehen aufgesucht, dass sofort überlegt werden muss, ob jetzt noch „nachträgliche Feststellungen“ im Sinne des § 142 Abs. 2 StGB (vgl. dazu näher unter Rn. 297 ff.) ermöglicht werden können, etwa in Form einer sog. „Selbstanzeige“ bei der Polizei. Hat der/die Mandant/in beispielsweise mitten in der Nacht bei einem Unfall eine Leitplanke, eine Straßenlaterne oder einige wenige Warnbaken beschädigt, so war er/sie eventuell bereits nach einer kurzen Wartezeit von etwa 20 Minuten schon berechtigt, sich von der Unfallstelle zu entfernen, um die „nachträglichen Feststellungen“ am nächsten Morgen zu ermöglichen, indem er bis 9.00 Uhr (zum Zeitpunkt vgl. näher unter Rn. 313 f.) den Geschädigten oder – wahlweise – die Polizei benachrichtigt.
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Bestehen allerdings Zweifel, ob der/die Mandant/in nicht doch bereits den Tatbestand des § 142 StGB vollendet hat, wird die Verteidigung regelmäßig nicht zu einer „Selbstanzeige“ bei der Polizei raten, sondern allenfalls zur vorsichtigen Kontaktaufnahme mit dem Geschädigten im Hinblick auf Maßnahmen der Schadenregulierung. Hierbei darf der/die Mandant/in allerdings nicht versuchen, Geschädigte – die im Strafverfahren als Zeugen zu wahrheitsgemäßer Aussage verpflichtetet sind – dahingehend zu beeinflussen, zu eigenen Gunsten den Schaden wahrheitswidrig etwa in geringerer Höhe anzugeben. Geschädigter, Mandant/in und Verteidigung könnten sich dadurch strafbar machen (Falschaussage bzw. Anstiftung hierzu, Begünstigung und/oder Strafvereitelung, Versicherungsbetrug usw.).
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Beispiel für „anwaltliche“ Soforthilfe:
Nachts um 2.00 Uhr läutete bei einem Rechtsanwalt das Telefon. Es meldete sich ein Mandant und erzählte folgendes: „Ich war heute Abend auf der Geburtstagsfeier eines Freundes. Vor etwa einer halben Stunde habe ich auf dem Nachhauseweg an der Autobahnabfahrt eine Warnbake umgefahren. Ich habe eine Zeitlang gewartet und bin dann nach Hause gefahren. Als ich von der Unfallstelle wegfuhr, sah ich im Rückspiegel einen anderen PKW, der an der nächsten roten Ampel hinter mir anhielt. Der Fahrer notierte dort offenbar mein Kennzeichen und bog dann in die Richtung ab, in der auch die nächste Polizeistation liegt. Ich habe mein Auto in die Garage gestellt und in meiner Wohnung die Rollläden heruntergelassen, so dass die Polizei, die vielleicht gleich kommt, nicht sehen kann, dass ich zu Hause bin. Was soll ich nun tun? Soll ich der Polizei aufmachen?“
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„Welchen Rat erteilte der Rechtsanwalt?“:
Da der Unfall sich gegen 1.30 Uhr nachts ereignet hat und der Schaden an der Warnbake nicht besonders hoch zu sein schien, riet der Rechtsanwalt dem Mandanten, wenn möglich sofort ein Fax mit etwa folgendem Inhalt an die zuständige Autobahnmeisterei zu versenden: „Ich, … (Name), … (Anschrift) habe heute Nacht um ca. 1.30 Uhr an der Autobahnabfahrt … mit meinem PKW, amtl. Kennzeichen … Warnbaken umgefahren. Ich werde heute Morgen gegen 9.00 Uhr bei Ihnen vorbeikommen, um den Schaden zu begleichen“. Der Rechtsanwalt riet Herrn Schmitz weiter, am nächsten Morgen die Autobahnmeisterei zwecks Schadenregulierung aufzusuchen. Er informierte ihn ferner darüber, dass er nicht verpflichtet sei, der Polizei seinen Unfall zu öffnen.
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Durch den Rat des Rechtsanwalts war sichergestellt, dass der Mandant, der sich nach Ablauf der Wartefrist von der Unfallstelle entfernt hat, seiner Verpflichtung, die Feststellungen „unverzüglich nachträglich“ zu ermöglichen, durch die Faxmitteilung an den Geschädigten Genüge getan hat. Der Polizei, die möglicherweise eine Trunkenheitsfahrt des Mandanten vermutete und im Hinblick hierauf tätig werden wollte, brauchte sich dieser nicht zu stellen, da § 142 StGB ausschließlich das zivilrechtliche Beweissicherungsinteresse des Geschädigten schützt, nicht jedoch der Verfolgung anderer Straftaten dienen soll (vgl. dazu näher unter Rn. 247, 263, 313).
3. Entscheidung über das Aussageverhalten des/der Mandanten/in
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Der wichtigste Rat, den die Verteidigung seinem/r Mandanten/in gibt, ist gegenüber den Ermittlungsbehörden zum Tatvorwurf zunächst immer zu schweigen,[3] was auch bedeutet, dass der/die Mandant/in Nichts zur Sache in den Anhörungsbogen der Polizei schreibt, sondern nur die Pflichtangaben zur Person macht. Das Prinzip Nichts zu sagen, ist zum Beginn eines Strafverfahrens immer richtig; denn wer Nichts sagt, sagt zumindest nichts Falsches und die Verteidigung vermeidet mögliche Fehler.
Hinweis
Ob eine Einlassung überhaupt abgegeben werden soll und in welcher Art und in welchem Umfang, kann von der Verteidigung erst dann taktisch sinnvoll entschieden werden, wenn die Ermittlungsakte eingesehen worden ist.
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Der/die Mandant/in, der/die in Verkehrsstrafsachen oftmals erstmalig mit der Strafjustiz zu tun hat und in strafprozessualen Fragestellungen regelmäßig unerfahren und unsicher ist, wird oftmals vorbringen, „es sei doch besser bei der Wahrheit zu bleiben„ oder „man habe doch Nichts zu verbergen“. Dem ist durch Überzeugungsarbeit aktiv entgegenzutreten. Schweigen ist etwas anderes, als die Tat zu leugnen (vgl. Rn. 25); das Schweigen ist ein Recht und wertungsfrei (vgl.