Verkehrsunfallflucht. Carsten Krumm
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Der/die Mandant/in sollte auch darauf hingewiesen werden, dass Ehegatten, Lebenspartnern nach § 1 Abs. 1 LPartG, Verwandten, Verschwägerten und ernsthaft[17] Verlobten des/der Mandanten/in nach § 52 StPO ein „Zeugnisverweigerungsrecht“ zusteht. Dieses Recht, jegliche Zeugenaussage zu verweigern, steht dem jeweiligen Berechtigten unbeschränkt zu.[18] Der Angehörige sollte sich darauf beschränken zu sagen: „Ich mache von meinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, da ich der (Angabe des Angehörigenverhältnisses) des/der Beschuldigten bin“. Auf das Zeugnisverweigerungsrecht muss zwar von Gesetzes wegen vor einer Vernehmung von der Polizei hingewiesen werden;[19] dieser Hinweis unterbleibt jedoch häufig bei einer lediglich zunächst „informatorischen Befragung“[20] durch die Polizei, wenn z.B. nach einem Unfall die Wohnung des/der Tatverdächtigen durch Polizeibeamte aufgesucht wird. Der/die Mandant/in sollte daher unverzüglich die jeweiligen Angehörigen auf dieses Recht und auf die Tatsache hinweisen, dass es regelmäßig nicht falsch ist, zunächst von diesem Recht Gebrauch zu machen.
Gewarnt werden muss die Mandantschaft davor, den Lebensgefährten oder die Lebensgefährtin dazu zu veranlassen, vor der Polizei zu seinen Gunsten falsche Angaben zu machen. Dadurch könnte sich der Lebensgefährte bzw. die Lebensgefährtin u.a. nach § 258 StGB (Strafvereitelung) strafbar machen.
Hinweis
Auch sollte der/die Mandant/in auf die Regelung des § 252 StPO hingewiesen werden. Sollten Verwandte, die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind, bei der Polizei schon Angaben gemacht haben, sich dann als Zeugen vor Gericht jedoch auf Ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen, so dürften die vorherigen Angaben – auch die bei der informatorischen Befragung – nicht verwertet werden, weder durch Verlesung der Aussagen noch durch Vernehmung der Polizeibeamten als Verhörsperson.[21] Ausnahme ist das richterliche Protokoll, was bei Verkehrsstraftaten sicherlich nicht vorliegen wird, allerdings auch z.B. die Vernehmung des Polizeibeamten über Spontanäußerungen des Zeugen.[22]
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Nicht vergessen sollte die Verteidigung auch den Lebensgefährten oder die Lebensgefährtin der Mandantschaft, mit dem/der diese nicht verwandt ist. Diesem/dieser steht das „Zeugnisverweigerungsrecht“ nicht zu, es sei denn, es handelt sich um einen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner i.S.d. § 1 Abs. 1 LPartG. Hier kann von der Verteidigung nur der Hinweis gegeben werden, dass Zeugen nur dann verpflichtet sind, vor der Polizei zu erscheinen, wenn sie nach den seit dem 18.8.2017 geltenden § 136 Abs. 3 – 7 StPO, unter Beachtung der dortigen Voraussetzungen, geladen sind. Angaben zur Sache müssen die Zeugen machen, denen kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, die denen ein solches zusteht müssen zwar erscheinen, können und sollten sich jedoch darauf berufen. Vor Gericht und vor der Staatsanwaltschaft waren Zeugen, denen kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, schon immer zur (wahrheitsgemäßen) Aussage verpflichtet und können hierzu notfalls gezwungen werden (§§ 161a, 51, 70 StPO). Allerdings ändert sich die Situation natürlich, wenn der Zeuge und der Beschuldiger sich während des laufenden Strafverfahrens entscheiden, ein ernsthaftes Verlöbnis einzugehen und damit für den Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin sich plötzlich ein echtes Zeugnisverweigerungsrecht ergibt.
5. Der Zeugenfragebogen bzw. die Aufforderung gegenüber dem/der Halter/in des Fahrzeugs bei der Polizei zu erscheinen und die Bedeutung des § 163 StPO
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Bei der Verteidigung von Verkehrsstrafverfahren ist es regelmäßig so, dass das Fahrzeug anhand des amtlichen Kennzeichens sehr gut identifiziert werden kann, jedoch der Fahrer/die Fahrerin nicht feststehen mit der Folge, dass der/die Halter/in zunächst einen relativ neutral gehaltenen Anhörungsbogen als Zeuge/in mit der Frage erhält, wer denn zu einem bestimmten Tatzeitpunkt an einem bestimmten Tatort das Fahrzeug führte. Oftmals wird der/die Halter/in auch als Zeuge/in zum Erscheinen auf einer Polizeiwache eingeladen, dabei sind die neuen Vorschriften des § 136 Abs. 3 – 7 StPO, die ein pflichtiges Erscheinen des/der Zeugen/in unter bestimmten Voraussetzungen anordnet, zu beachten.
Bis zum 17.8.2017 gab es keine Verpflichtung, als Halter/in bei der Polizei als Zeuge/in erscheinen zu müssen, das ergab sich als Rückschluss aus § 161a StPO.[23]
Nach dem neuen § 163 Abs. 3 – 7 StPO müssen Zeugen generell auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, das ist in § 152 Abs. 2 GVG geregelt, erscheinen und zur Sache aussagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt. Details und Ausgestaltung im Einzelnen sind noch nicht geklärt.[24]
Aber es verbleibt dabei; sollte der/die Mandant/in mit einem solchen Schreiben bei seinem Rechtsanwalt/seiner Rechtsanwältin erscheinen, ist die richtige Empfehlungen, sich gegenüber der Polizei auf Schweigerechte zu berufen, denn wenn der/die Halter/in gleichzeitig der/die Fahrer/in war, hat man als Zeuge/in gemäß § 55 StPO das Recht sich nicht selber belasten zu müssen und sollte das Fahrzeug einem Verwandten bis zum 3. Grad einschließlich überlassen worden sein, steht dem/der Halter/in das Schweigerecht des § 52 Abs. 1 StPO auch zu.
Hinweis
Insbesondere kann jede/r Halter/in, sich jederzeit als Zeuge in einem Strafverfahren eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin als Zeugenbeistand bedienen.[25] Damit kann ggf. im Sinne einer präventiven Verteidigung die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den/die Mantanden/in schon verhindert werden.
6. Verhalten gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung[26]
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Die Autoren empfehlen aus mehreren Gründen, mit § 28 VVG (Versicherungsvertragsgesetz), den AKB (Allgemeine Kraftfahrzeugbedingungen) in der jeweils für den/die Mandanten/in gültigen Fassung[27] und mit §§ 5 und 6 KfzPflVV (Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) sollte sich auch der/die Strafverteidiger/in befassen. Es besteht die Pflicht zur allgemeinen, umfassenden und erschöpfenden Beratung des/der Mandanten/in durch seine/n Rechtsanwalt/seine Rechtsanwältin. Insoweit droht dem/der Strafverteidiger/in möglicherweise sogar ein Regress. Denn das LG Düsseldorf[28] bejaht eine Pflichtverletzung des Anwaltsvertrags, wenn der/die Rechtsanwalt/in den/die Mandanten/in (allerdings bei einer Widerklage im Schadenersatzprozess) nicht auf die Schadenanzeigepflicht gegenüber der eigenen Haftpflichtversicherung hinweist, „ggf. sei der Versicherungsvertrag im konkreten Fall zu prüfen“. Dann kann in den Strafverfahren, in denen versicherungsvertragliche Fragen betroffen sind, nichts anderes gelten. Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Meldung eines Schadens bei der Vollkaskoversicherung erst knapp 6 Monate nach dem Verkehrsunfall bei der Vollkaskoversicherung eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung darstelle, die zum Leistungsausschluss führe[29], selbst wenn man erst auf den Ausgang des Strafverfahrens zuwarten wollte. Man stelle sich die Reaktion des/der Mandanten/in vor, wenn das der Rat des/der Strafverteidigers/in gewesen wäre.
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Damit ist nach Auffassung der Autoren der/die Strafverteidiger/in gezwungen, sich bei der Verteidigung von Verkehrsstrafsachen auch mit den versicherungsvertraglichen Folgen der anwaltlichen Beratung/Vertretung zu befassen mit der Folge, dass dann mit dem/der Mandanten/in natürlich über die Honorierung dieser zweiten (versicherungsvertraglichen) Tätigkeit[30] zu sprechen ist. Im freien Mandat wird das sicher gut darstellbar und vermittelbar sein. Schwieriger ist das dem/der rechtsschutzversicherten Mandaten/in zu vermitteln.
Denn die Kostenübernahme durch Rechtsschutzversicherungen, das zeigt die Praxis, ist – vorsichtig formuliert – als zurückhaltend zu bezeichnen. Denn einerseits wird dem/der Rechtsanwalt/Rechtsanwältin entgegengehalten, es handele sich um eine vorläufige Interessenwahrnehmung, es sei also noch gar keinen Rechtsschutzfall entstanden; oder es handele sich nur um die Meldung von Schadensersatzansprüchen