Verkehrsunfallflucht. Carsten Krumm
100 ff.
7. Fragen zur Vollkaskoversicherung
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Die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestandes des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort stellt nach der jeweils gültigen AKB eine Verletzung der Aufklärungspflicht dar, die nach § 28 Abs. 2 VVG wegen der Vorsätzlichkeit grundsätzlich in den Kraftfahrzeugversicherungen, also auch der Vollkaskoversicherung, zur Leistungsfreiheit führt.[41] Allerdings ist auch in der Vollkaskoversicherung nach § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG der Kausalitätsgegenbeweis zulässig, wenn der/die Mandant/in nicht arglistig i.S.d. § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG handelte (vgl. insoweit Rn. 42). Das wird insbesondere in Fällen, in denen die Haftungslage klar nachweisbar ist, häufig der Fall sein.[42] Es wird schließlich angenommen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 142 Abs. 4 StGB von geringer Schuld auszugehen sei und damit keine Leistungsfreiheit in der Vollkaskoversicherung bestehe.[43]
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Zur versicherungsvertraglichen Rechtsprechung zum Regress bzw. Versagung des Versicherungsschutzes bei Verkehrsunfallflucht siehe Rn. 129.
8. Fragen zur Rechtsschutzversicherung
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Viele Mandanten werden angeben, rechtsschutzversichert zu sein. Es empfiehlt sich für den Verteidiger, die Deckungsanfrage und sonstige Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung selbst zu führen, zumal fast alle Rechtsschutzversicherungen die Möglichkeit einer elektronischen Deckungsanfrage über Online-Portale anbieten. Dafür sind folgende Daten erforderlich:
• | Name der Rechtsschutzversicherung, |
• | Versicherungsscheinnummer, |
• | Name des Versicherungsnehmers falls personenverschieden mit dem/der Mandanten/in, |
• | Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und mitversichertem/r Mandanten/in, |
• | behaupteter Tatvorwurf, |
• | behaupteter Tatzeitpunkt, |
• | amtliches Kennzeichen des benutzen Pkw, |
• | Name des Halters, |
• | Name des Fahrers, |
• | Anlass der Fahrt geschäftlich oder privat. |
Es empfiehlt sich diese Daten mit dem Mandantenfragebogen, (vgl. insoweit Rn. 11), abzufragen.
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Der/die Mandant/in ist auf den ihm oftmals unbekannten Risikoausschluss in seinem Rechtsschutzversicherungsvertrag gem. jeweils gültiger Allgemeiner Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) hinzuweisen, dass „der Versicherungsschutz rückwirkend entfällt, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherte das Vergehen vorsätzlich begangen hat“.[44] Da der Tatbestand des § 142 StGB nur vorsätzlich begangen werden kann, besteht immer das Risiko, dass nach dieser Regelung der Versicherungsschutz entfallen kann, aber eben nur bei rechtskräftiger Verurteilung und nicht bei einer Einstellung des Strafverfahrens – egal zu welchem Zeitpunkt im Strafverfahren – nach §§ 153 ff. StPO. Praktisch bedeutet dieses, dass die Verteidigung natürlich immer eine schriftliche Rechtsschutzbewilligung einholen wird, der Rechtsschutzversicherer die Deckungszusage zunächst erteilten wird, jedoch mit Hinweis auf obige Einschränkung, und die Verteidigung dem/der Mandanten/in diese vorläufige Deckungszusage zur Kenntnisnahme zukommen lassen wird. Da Voraussetzung für den Wegfall des Versicherungsschutzes immer Rechtskraft einer Verurteilung ist, ist auch wenn in 1. Instanz eine Verurteilung erfolgte, von der Rechtschutzversicherung Deckungsschutz für die nächste Instanz (Berufung, Sprungrevision, Revision) zu erteilen, da die Verurteilung (noch) nicht rechtskräftig ist. Eine rechtskräftige Verurteilung bedeutet für den/die Mandanten/in einmal, dass die Rechtsschutzversicherung bereits gewährte Leistungen, beispielsweise Honorarvorschüsse an die Verteidigung, von dem/der Mandanten/in, zurückverlangen kann. Eine rechtskräftige Verurteilung bedeutet weiter, dass die Rechtsschutzversicherung nicht die Gerichtskosten, die nach § 465 Abs. 1 StPO[45] der Verurteilte zu tragen, übernehmen wird, was bei z.B. bei Sachverständigengutachten, z.B. zur Bemerkbarkeit, Schadenhöhe usw., teuer werden kann.
Hinweis
Die Verteidigung sollte für sich von der Rechtschutzversicherung jeweils entsprechend dem Verfahrensstand angemessene Vorschüsse nach § 9 RVG verlangen bzw. regelmäßig Zwischenabrechnungen z.B. nach Abschluss des Ermittlungsverfahren oder der Instanz erstellen. Wird dieses vergessen und erfolgt letztendlich eine rechtskräftige Verurteilung, so wird der Rechtsschutzversicherer Zahlungen auf eine Kostenrechnung der Verteidigung unter Hinweis auf die Leistungsfreiheit nach jeweils gültigen Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) verweigern. Ein Rückforderungsrecht der Rechtsschutzversicherung hinsichtlich der an die Verteidigung bereits gezahlten Vorschüsse besteht jedoch nicht gegenüber dem/der Rechtsanwalt/Rechtsanwältin, sondern nur gegenüber dem Versicherungsnehmer, also dem/der Mandanten/in.[46]
9. Fragen zur Vergütungsvereinbarung zwischen Verteidigung und Mandant/in
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Nach § 3a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ist es grundsätzlich zulässig, eine höhere Vergütung als die gesetzliche Vergütung zu verlangen, was auch standesrechtlich nicht zu beanstanden ist, denn das RVG geht grundsätzlich von einer Zulässigkeit aus[47] Die Vereinbarung eines die gesetzliche Vergütung übersteigenden Honorars ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut, ist in Strafsachen aber üblich und angebracht, weil die Höhe der gesetzlichen Vergütung oft unzureichend ist.[48] Dabei kann der Verteidiger die Vereinbarung eines Stundenhonorars, eines Pauschalhonorars oder eines Erfolgshonorars[49] nach § 4a RVG statt der gesetzlichen Gebühren nach dem RVG erwägen.
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Viele scheuen sich, das Thema Vergütungsvereinbarung bei der Verteidigung von Verkehrsstraftaten oder rechtsschutzversicherten Mandanten/innen überhaupt anzusprechen. Es gibt verschiedene Gründe, die es geboten erscheinen lassen, auch mit rechtsschutzversicherten Mandanten/innen Vergütungsvereinbarungen zu treffen.
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Hier ist insbesondere die sinnvolle Vereinbarung über die Höhe der zu zahlenden gesetzlichen Vergütung zu erwähnen. Eine derartige Vereinbarung hilft, späteren Streit mit dem/der Mandanten/in und/oder dessen Rechtsschutzversicherer über die Höhe der anfallenden Rahmengebühren zu vermeiden. Dem/der Mandanten/in ist dann von vornherein klar, welche Vergütung der Verteidiger ihm in Rechnung stellt, denn gegenüber der Rechtsschutzversicherung hat die Vergütungsvereinbarung keinerlei Wirkung. Eventuelle Differenzen hinsichtlich der Angemessenheit der Vergütung verlagern sich dann auf die Ebene zwischen der Rechtsschutzversicherung und deren Kunde (Mandant/in). Überlegenswert ist, Zahlungen der Staatskasse bei Freispruch bzw. des