Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Ärzte und Nichtärzte, Diss. 2010.
8. Kapitel Vertragsarztrecht › A. Einführung › I. Rahmenbedingungen
I. Rahmenbedingungen
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Die medizinische Versorgung ist Teil der staatlichen Daseinsvorsorge mit dem herausragendem Ziel der Förderung und Bewahrung der Gesundheit der Bevölkerung. Die staatliche Organisation dieses Ziels folgt den grundgesetzlichen Zuständigkeitsregelungen, die dem Bund die gesamte Zuständigkeit für die Sozialversicherung, insbesondere für die gesetzliche Krankenversicherung, zuweist (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG).
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Die gesetzliche Krankenversicherung beschränkt sich nicht auf die Versicherung der Kosten notwendiger Behandlungsleistungen in Form beitragsfinanzierter Kostenerstattungsleistungen ähnlich der privaten Krankenversicherung, sondern sie gewährt dem Versicherten auf solidarischer Basis einen Anspruch auf unmittelbaren Bezug der Krankenbehandlung in Form von Sach- und Dienstleistung, vgl. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB V. Zunehmend erfolgt eine Verzahnung mit anderen Bereichen der Sozialversicherung, vornehmlich dem im SGB IX geregelten Rehabilitations- und Behindertenrecht und der im SGB XI geregelten gesetzlichen Pflegeversicherung.[1]
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Infolgedessen organisiert die gesetzliche Krankenversicherung neben dem Bezug von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln auch die Erbringung der Leistungen durch qualifizierte Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und von Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen und deren Bezahlung aus den Beitragsmitteln. Das Vertragsarztrecht regelt innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung die Rechte und Pflichten der ärztlichen Leistungserbringer in der ambulanten Versorgung außerhalb von Krankenhäusern.
8. Kapitel Vertragsarztrecht › A. Einführung › II. Begriffsdefinition
II. Begriffsdefinition
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Das Vertragsarztrecht entspricht dem früher als Kassenarztrecht bezeichneten Rechtsgebiet.[2] Noch bis zum 31.12.1992 wurde in dem mit dem GRG[3] zum 1.1.1989 geschaffenen SGB V zwischen der kassenärztlichen Versorgung im Bereich der Regionalkassen und der vertragsärztlichen Versorgung im Ersatzkassenbereich unterschieden. Mit dem GSG[4] wurde zum 1.1.1993 der Begriff des Vertragsarztes im SGB V vereinheitlicht, wodurch sich das Kassenarztrecht zum Vertragsarztrecht wandelte. In gleicher Weise wurde aus dem Kassenzahnarztrecht das Vertragszahnarztrecht, das strukturell und in vielen Details mit dem Vertragsarztrecht identisch ist, aber eben auch in wesentlichen Punkten abweicht. Mit dem Psychotherapeutengesetz[5] wurde die Psychotherapie in das System der vertragsärztlichen Versorgung einbezogen und damit den Regelungen des Vertragsarztrechts unterworfen. Neben der vertragsärztlichen Versorgung gibt es noch das System der knappschaftlichen Versicherung, in dem nach § 75 Abs. 5 SGB V das Vertragsarztrecht analog gilt, soweit die ärztliche Versorgung nicht durch spezielle Knappschaftsärzte[6] erbracht wird.
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Nach der Legaldefinition des für die interne Spruchkammerzuweisung der Sozialgerichte maßgeblichen § 10 Abs. 2 S. 1 SGG gehören zum Vertragsarztrecht die Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragszahnärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände. Das Rechtsgebiet „Vertragsarztrecht“ befasst sich damit nicht nur mit den speziellen beruflichen Rechtsfragen der mehr als 230.000 Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die im System der gesetzlichen Krankenversicherung tätig sind, sondern auch mit deren Verhältnissen untereinander einschließlich deren Verbände und deren Verhältnis zu den Krankenkassen.[7]
Anmerkungen
Vgl. Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung v. 25.8.2008, BGBl. I, 874 und Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) v. 23.10.2012, BGBl. I, 2246.
Zum Begriff: Schneider Rn. 9; zur Historie: Liebold A1 ff.
Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen v. 20.12.1998, BGBl. I, 2477.
Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung v. 21.12.1992, BGBl. I, 2266.
Gesetz über die Berufe des psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten v. 16.6.1998, BGBl. I, 1311.
Zum Begriff und zur knappschaftsärztlichen Versorgung: HK-AKM/Dahm Knappschaftsarzt bzw. Bundesknappschaft.
Rechtsfragen, die die ambulanten Versorgung durch Krankenhäuser auf Grundlage der §§ 115a, 115b und 116b SGB V betreffen, gehören nicht zum Vertragsarztrecht: BSG Urt. v. 4.3.2014 – B 1 KR 16/13 R.
8. Kapitel Vertragsarztrecht › B. Historische Entwicklung
Hartmannsgruber
B. Historische Entwicklung
Literatur zur historischen Entwicklung:
Algermissen Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung – Bedeutung und Umsetzungsstand, NZS 2014, 921; Axer Finanzierung und Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, GesR 2007, 193; Bäune/Dahm/Flasbarth Vertragsärztliche Versorgung unter dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG, MedR 2012, 77; Becker Das Wettbewerbsstärkungsgesetz – Eine verfassungsrechtliche Bewertung, ZMGR 2007, 101; Bitter Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) im Überblick, GesR 2007, 152; Braun Die Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen nach den Regelungen des Digitale-Versorgung-Gesetzes, GesR 2019, 757; ders. Die Förderung der Entwicklung digitaler Innovationen durch Krankenkassen nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz, NZS 2019, 894; Butzer Verfassungsrechtliche Anmerkungen zum GKV-Modernisierungsgesetz 2004 (GMG), MedR 2004, 177; Filges Das Terminservice- und Versorgungsgesetz – besser, schneller, digitaler?, NZS 2020, 201; Halbe/Orlowski/Preusker/Schiller/Wasem Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) – Auswirkungen auf die Praxis; Hammes Das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, MedR 2017, 611; Hiddemann/Muckel Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, NJW 2004, 7; Höftmann Der Vergütungsanspruch des Kassenarztes unter Berücksichtigung der Rolle der Kassenärztlichen Vereinigungen in seiner rechtshistorischen Entwicklung und heutigen Problematik, 2013; Jörg Das neue Kassenarztrecht, 1993; Kühling/Schildbach Die Reform der Datentransparenzvorschriften im SGB V, NZS 2020, 41; Leber Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein Konzept zur