DS-GVO/BDSG. David Klein
rel="nofollow" href="#u453ef13e-9b37-4eac-9b72-b6d99160a41e">Art. 9 Abs. 1 fallenden Daten richtet sich entweder unmittelbar nach der DS-GVO (insbesondere Art. 6 Abs. 1) oder nach im Einklang mit der Verordnung erlassenen Rechtsgrundlagen des Unions- oder nationalen Gesetzgebers.[370]
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Für die Weiterverarbeitung von personenbezogenen Daten durch öffentliche und nichtöffentliche Stellen gilt insoweit: Nach Art. 5 Abs. 1 lit. b können personenbezogene Daten zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken wegen ihrer Kompatibilität weiterverarbeitet werden. Der Verantwortliche kann sich also erneut auf die Rechtsgrundlage stützen, die bereits für die Erstverarbeitung galt. Dies trifft auch auf die Weiterverarbeitung sensibler Daten zu, für die § 27 Abs. 1 BDSG n.F. als Ausnahmetatbestand von dem Verbotsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 gilt.[371] Die §§ 23, 24 BDSG n.F. finden insoweit keine Anwendung [372]
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§ 27 Abs. 1 BDSG n.F. trägt damit praktischen Bedürfnissen Rechnung: Ein Anwendungsfall kann bspw. in der Sozialforschung liegen, wenn sensible Daten von Behörden an Forschungseinrichtungen übermittelt werden. Diese Daten können dann bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 27 Abs. 1 BDSG n.F., ohne separate Einwilligungserklärung der betroffenen Personen, unmittelbar zu Forschungszwecken genutzt werden. Zu beachten ist stets, dass die Datenverarbeitung zu den in § 27 Abs. 1 BDSG genannten Zwecken erforderlich sein muss.[373] Ausreichend ist dafür, dass die Datenverarbeitung notwendig ist, um die Zweckerreichung zumindest zu fördern. Dass der Zweck auch erreicht wird oder dass das Forschungsvorhaben realisiert wird, ist demgegenüber nicht erforderlich.[374] Vor diesem Hintergrund ist eine Interessenabwägung erforderlich, die zeigt, dass die Interessen des Verantwortlichen an der Datenverarbeitung die Interessen der betroffenen Person am Ausschluss dieser erheblich überwiegen.[375] Für die Praxis dürfte es schwierig sein belastbare Parameter zu entwickeln, mittels derer sich ein erhebliches Überwiegen feststellen ließe.[376] Indizien können etwa das besondere Forschungsinteresse oder die herausragende Bedeutung des Forschungsvorhabens für eine Vielzahl von Menschen sein.[377] Jedenfalls trifft den Verantwortlichen nach Art. 5 Abs. 2 eine Pflicht zur Dokumentation der Abwägungsentscheidung.
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Ein weiteres Anwendungsfeld liegt zudem etwa in der biomedizinischen Forschung und zwar etwa dann, wenn aus technischen oder organisatorischen Gründen eine Einwilligung des Betroffenen nicht möglich ist. Dies ist etwa beim Umgang mit genetischen Daten und Biomaterialproben, die gerade nicht auf der Grundlage einer Einwilligungserklärung erhoben wurden, der Fall. Hier kann die Einholung einer nachträglichen Einwilligungserklärung ausgeschlossen sein, weil die Identität der betroffenen Person nicht mehr ermittelt werden kann.[378]
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Insofern ist für Fälle, bei denen eine Einwilligung als Erlaubnistatbestand ausscheidet, eine gesetzliche Grundlage für Tätigkeiten im o.g. Sinne unerlässlich, die dabei zugleich eine Abwägung aller relevanten Interessen ermöglicht. Dies bedeutet freilich nicht, dass es dem Verantwortlichen nicht freisteht für die Verarbeitung sensibler Daten eine entsprechend den Anforderungen nach Art. 9 Abs. 2 lit. a wirksame Einwilligung der betroffenen Person einzuholen, die ihm die Datenverarbeitung i.S.d. in § 27 Abs. 1 BDSG genannten Zwecke gestattet.[379] Hierbei sind entsprechend ErwG 33 und den Empfehlungen der DEK die Erleichterungen bei der Verarbeitung sensibler Daten zu Forschungszwecken zu beachten. Vgl. dazu Rn. 126 sowie die Kommentierung zu Art. 89 Rn. 21 ff.[380]
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Zur Umsetzung der Schutzmaßnahmen entsprechend § 27 Abs. 1 S. 2 wird wieder auf die konkretisierenden technisch organisatorischen Maßnahmen in § 22 BDSG verwiesen. § 22 Abs. 2 BDSG sieht dabei für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke die Anonymisierung und getrennte Datenspeicherung vor.
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§ 27 Abs. 2 S. 1 BDSG n.F. macht von der Öffnungsklausel des Art. 89 Abs. 2 Gebrauch und schränkt die Rechte nach den Art. 15, 16, 18 und 21 ein.[381] Insofern soll die Regelung die Durchführung von Forschungsvorhaben erleichtern und Forschungsprojekte ohne Einschränkungen ermöglichen.[382] Vgl. zu § 27 Abs. 2 BDSG auch die Kommentierung im Rahmen von Art. 89 Rn. 51 und 55 ff.
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So sollen etwa Fälle verhindert werden, in denen Datenverarbeitungen zu Forschungs- oder Statistikzwecken dadurch unmöglich werden, dass die zuständige Ethikkommission zum Schutz der betroffenen Person eine Durchführung des Projekts untersagt.[383] Insofern ist zu beachten, dass § 27 Abs. 2 S. 1 BDSG die Betroffenenrechte nicht ausschließt, sondern nur insoweit einschränkt, wie die Geltendmachung dieser Rechte die Verwirklichung der mit der Datenverarbeitung verfolgten Zwecke voraussichtlich unmöglich machen oder ernsthaft beeinträchtigen und die Einschränkungen für die Zweckerreichung notwendig sind.[384] Das „voraussichtlich“ zeigt, dass der Verantwortliche u.U. eine Prognoseentscheidung treffen muss. Dies macht eine Prüfung der Umstände im konkreten Einzelfall bzw. in Bezug auf das jeweilige Forschungsvorhaben notwendig.[385]
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Darüber hinaus schränkt § 27 Abs. 2 S. 2 BDSG n.F. in Anlehnung an § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 i.V.m. § 34 Abs. 7 sowie § 19a Abs. 2 Nr. 2 BDSG a.F. das Auskunftsrecht für die Fälle unverhältnismäßigen Aufwands unter Ausnutzung der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 lit. i ein. Das kann bspw. dann der Fall sein, wenn ein Forschungsvorhaben mit besonders großen Datenmengen arbeitet. Die Einschränkung der Betroffenenrechte in Abs. 2 gilt für alle Kategorien personenbezogener Daten.[386] Unklar bleibt für den Rechtsanwender allerdings, welche Kriterien zur Einschränkung der Betroffenenrechte heranzuziehen sind. Insofern ist auf § 630g Abs. 1 BGB hinzuweisen, der bereits heute die Einschränkung der Betroffenenrechte bei der Einsichtnahme in die Patientenakte vorsieht. Dies kann zumindest in der Praxis als Leitlinie dienen und Maßstäbe für einen Ausschluss der Betroffenenrechte setzen.[387] Vgl. zu § 27 Abs. 2 S. 2 BDSG auch die Kommentierung im Rahmen von Art. 89 Rn. 56.
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§ 27 Abs. 3 und 4 BDSG n.F. sind § 40 Abs. 2 und 3 BDSG a.F. entlehnt. Nach § 27 Abs. 3 sind ergänzend zu den Maßnahmen nach § 22 Abs. 2 die verarbeiteten sensiblen Daten zu anonymisieren, sobald dies nach dem Forschungs- oder Statistikzweck möglich ist, es sei denn, berechtigte Interessen der betroffenen Person stehen dem entgegen. Bis dahin sind nach § 27 Abs. 3 S. 2 die Einzelangaben, die die Herstellung eines Personenbezugs ermöglichen getrennt von den sonstigen Inhaltsdaten zu speichern. Die Formulierung erinnert an eine Pseudonymisierung entsprechend Art. 4 Nr. 5, Art. 25, 32, ausreichend ist aber wohl bereits die „logische Trennung“[388] der Informationen, so dass eine Zuordnung nicht unmittelbar möglich ist.
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