Lebendige Seelsorge 4/2021. Verlag Echter
kirchliche Beruf der Pastoralreferent*innen dar. Er erfüllt alle Kriterien eines kirchlichen Amtes gemäß c. 145f. CIC: Er ist in den Teilkirchen auf kirchliche Anordnung hin dauerhaft eingerichtet worden, dient dem geistlichen Zweck der Seelsorge und verlangt zur Ausübung eine kirchenamtliche Sendung des zuständigen Bischofs.
INKORREKTER SPRACHGEBRAUCH
Doch entgegen diesen theologischen und kirchenrechtlichen Tatsachen hält sich hartnäckig die Bezeichnung der pastoralen Tätigkeit von Pastoralreferent*innen als ‚Dienst‘. Das wird gelegentlich damit begründet, dass die Bezeichnung des Berufs der Pastoralreferent*innen als ‚Dienst‘ statt als ‚Amt‘ die Tatsache widerspiegle, dass die Dogmatik einen anderen Amtsbegriff habe als das Kirchenrecht und dass man den dogmatischen Amtsbegriff übernehme bzw. beibehalte. Doch kann diese Position schon aus zwei nahe liegenden Gründen nicht überzeugen: Erstens gibt es kein lehramtlich verbindliches Dokument, in dem dieser behauptete ‚dogmatische‘ Amtsbegriff (Amt = Weiheamt) festgeschrieben wäre. Zweitens wird eine problematische Kluft zwischen Dogmatik bzw. Theologie einerseits und Kirchenrecht andererseits konstruiert, die wissenschaftstheologisch nicht haltbar ist. Schließlich hat Papst Johannes Paul II. bei der Vorstellung des im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils überarbeiteten Gesetzbuches 1983 erklärt, dass der neue Codex „als ein großes Bemühen aufgefasst werden kann, die konziliare Ekklesiologie in die kanonistische Sprache zu übersetzen“ (CIC, XIX).
Ebenso wenig überzeugend ist es, zu behaupten, der Ausdruck ‚Dienst‘ sei als Synonym für das laikale Amt in Abhebung zum klerikalen Amt zu verstehen. Denn auch das klerikale Amt wird oft als ‚Dienst‘ bezeichnet, ja sogar mit Vorliebe als ‚Dienstamt‘ charakterisiert (vgl. z. B. c. 230 §1 CIC, der von den liturgischen „Diensten“ der Laien spricht, mit c. 278 §2 CIC, in dem vom „Dienst“ des Klerikers die Rede ist). Der Ausdruck ‚Dienstamt‘ ist aber ein Pleonasmus; schließlich ist definitionsgemäß jedes Amt ein Dienst.
AMT ALS RELATIONSBEGRIFF
Der Beruf der Pastoralreferent*innen ist als das zu betiteln, was er ist: ein kirchliches Amt. Hier weiterhin von einem ‚kirchlichen Dienst‘ zu sprechen, ist theologisch und kirchenrechtlich nicht korrekt! Das wiegt umso schwerer, als der kirchenrechtliche Amtsbegriff nicht in einem theologieleeren Raum entwickelt worden ist, sondern in der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Amt gründet, die wiederum in der Theologie des Konzils über die Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen und Volk Gottes fußt. Mit dieser auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil veränderten Amtstheologie und mit dem sich daraus ergebenden veränderten Amtsbegriff wird der Tatsache Rechnung getragen, dass das kirchliche Amt und seine Definition sich vom Kirchenbild ableiten und nicht umgekehrt. Der Amtsbegriff ist ein Relationsbegriff.
NEUE GESTALTUNGSSPIELRÄUME
Daher ist es theologisch und kirchenrechtlich untragbar, dass auch in den derzeit im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz geltenden Rahmenstatuten für Gemeindereferenten/-referentinnen und Pastoralreferenten/-referentinnen (= RSt) von 2011 die pastoralen Berufe der Gemeinde- und Pastoralreferent*innen wieder durchgängig als kirchlicher „Dienst“ bezeichnet und eingestuft sind (vgl. RSt 1.3 und passim) mit der rechtlichen Folge, dass sie in ihrem „jeweiligen Einsatzbereich […] dem für die Leitung verantwortlichen Priester zugeordnet [sind]“ (RSt 1.3.6) bzw. nur unter dessen Leitung „auch eigenständig Verantwortungsbereiche […] übernehmen“ (RSt 2.2.1) können. Weil an keiner Stelle ausgeführt wird, was „Zuordnung“ und „Leitung“ beinhaltet, spricht die bisherige Erfahrung in der Praxis dafür, dass „Zuordnung“ von den zuständigen Priestern ohne negative Konsequenzen als ‚Unterordnung‘ gedeutet werden kann.
Spätestens an diesem Punkt drängt sich der Appell an die Diözesanbischöfe als die zuständige Kirchenleitung auf, endlich das Potential der Dienst- und Amtskonzeption seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und das Potential, das in der Berufsgruppe der Pastoralreferent*innen liegt, miteinander zu verbinden und zum Wohle der Kirche fruchtbar zu machen. Wenn Sprache Wirklichkeit abbildet und zugleich Wirklichkeit schafft, dann eröffnet die Bezeichnung der Pastoralreferent*innen als das, was sie theologisch und kirchenrechtlich sind, nämlich kirchliche Amtsträger*innen, in mehrfacher Hinsicht Gestaltungsspielräume für eine zukunftsfähige Kirche. Als Amtsträger*innen kommen den Pastoralreferent*innen deutlich mehr rechtliche Kompetenzen und damit eine größere Unabhängigkeit von einem Pfarrer bzw. von einem für die Leitung bestellten Priester zu, eine klarer konzipierbare Brückenfunktion in ihrem Verantwortungsbereich zwischen allen Gläubigen, die sich ohne ein kirchliches Amt in der Kirche engagieren, und den Gläubigen, die ein Weiheamt innehaben, sowie ressourcen- und kompetenzorientiertere Einsatzmöglichkeiten über die Pfarrei hinaus bzw. in neuen pastoralen Räumen. Pastoralreferent*innen als kirchliche Amtsträger*innen wahr- und ernst zu nehmen, muss dazu führen, dass Pastoralreferent*innen ihr kirchliches Amt künftig direkt unter der Leitung des jeweiligen Diözesanbischofs ausüben, ohne zusätzlich der Leitung eines Pfarrers bzw. eines Priesters mit Vollmachten eines Pfarrers unterstellt zu werden. Dabei kann die Brückenfunktion, die die Pastoralreferent*innen zwischen den Gläubigen mit und ohne Weihe innehaben, zu dem besonderen Amtsprofil entwickelt werden, in ihrem Einsatzbereich die Zurüstung und Begleitung der Ehrenamtlichen eigenverantwortlich wahrzunehmen und zu gestalten. Zu dieser Eigenverantwortung gehört es, dass sie unter der Leitung des Diözesanbischofs steht und auf die Zusammenarbeit mit den anderen kirchlichen Amtsträger*innen in der Pastoral vor Ort ausgerichtet ist. Ihr Auftrag und ihre Sendung ist es, dafür zu sorgen, dass die Gläubigen in der Kirche vor Ort durch keine kirchlichen Amtsträger*innen – auch nicht durch Pastoralreferent*innen – aus ihren Aufgaben und ihrer Verantwortung kraft Taufe verdrängt werden, sondern dass sie für deren Wahrnehmung sensibilisiert, gefördert und unterstützt werden.
LITERATUR
Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Freiburg i. Br. 2013.
Gärtner, Stefan, Grenzgänger sein. Ein Impuls zur Identität von Pastoral- und Gemeindereferenten, in: Theologie der Gegenwart 57 (2014), 309–316.
Ostermann, Martin, Vom „Notnagel“ zur geschätzten Mitarbeiterin und „Frau Pastor“. Das Berufsbild der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im Wandel, in: Lebendige Seelsorge 67 (2016), 144–149.
Renner, Katharina, PastoralreferentInnen als Zeichen für eine andere Kirche. Betrachtungen zu einem Beruf zwischen Laien und Klerus, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 165 (2017), 65–75.
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Rahmenstatuten und -ordnungen für Gemeinde- und Pastoral-Referenten/ Referentinnen [Die Deutschen Bischöfe, H. 96], Bonn 2011.
Zulehner, Paul/Renner, Katharina, Ortssuche. Umfrage unter Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im deutschsprachigen Raum, Ostfildern 2006.
Im Dienst der Kirche ohne Amt?
Überlegungen zum theologischen Status von Pastoralreferent*innen
Das Zweite Vatikanische Konzil hat der Kirche die gleiche Würde aller Getauften ins Stammbuch geschrieben. Doch meint ‚gleiche Würde‘ auch Gleichheit in der Berufung und Gleichheit in den Ämtern? Die Stellungnahmen zum theologischen Status hauptamtlich in der Kirche tätiger Lai*innen fallen höchst unterschiedlich aus. Manuel Schlögl
Kirche und Amt stehen, zumindest im deutschsprachigen Raum, im Umbruch. Der unmittelbare Anlass zu dieser ‚Generalrevision‘ liegt in der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch Kleriker und den damit verbundenen Diskussionen des Synodalen Wegs. Zugleich aber stehen noch einmal Fragen im Raum, die das Zweite Vatikanische Konzil der Kirche hinterlassen hat. Zu diesen Fragen gehört auch der theologische