Lebendige Seelsorge 4/2021. Verlag Echter

Lebendige Seelsorge 4/2021 - Verlag Echter


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in der Praxis zu denken. Erstens sind es vermehrt Lai*innenbewegungen, die das Gesicht von deutschen Orts- oder Personalgemeinden prägen und mit frischem Wind erfüllen, etwa die Focolare-Bewegung oder die Gemeinschaft Emmanuel. Das Zueinander von Lai*innen und Geweihten, von Familien und Alleinstehenden ist dort auf der Basis eines bewusst gelebten Christseins auf unproblematische Weise ‚gelöst‘. Innerhalb der Gemeinschaften können Lai*innen durchaus weisungsbefugt gegenüber Klerikern sein, ohne deshalb deren sakramentale Vollmacht in Frage zu stellen. Diese Differenzierung zwischen struktureller und geistlicher Macht fehlt in der Diskussion der Ämterfrage häufig.

      Ein zweites Bedenken tut sich auf, wenn das Priesterbild näher beleuchtet wird, das in entsprechenden Publikationen zum Ausdruck kommt (vgl. Demel). Weder werden die drei evangelischen Räte als Existenzform des Weiheamtes gewürdigt (vgl. Balthasar 1961, 332–348.442–461; 1993) noch die christologische Begründung des Amtes in der Hingabe Jesu Christi erwähnt. Am Priesterbild wird besonders deutlich, wie stark die gegenwärtigen Vorschläge von einem funktionalistischen Denken geprägt sind (vgl. Kückelmann, 236). Doch wie es schon in Christifideles laici 23 heißt, entsteht das Amt nicht aus einer übernommenen Aufgabe. Amtliche Vollmacht wird in der Kirche allein durch sakramentales Wirken verliehen und damit durch das Handeln Gottes, das allem Handeln des Menschen vorausgeht.

      Amtliche Vollmacht wird in der Kirche allein durch sakramentales Wirken verliehen und damit durch das Handeln Gottes, das allem Handeln des Menschen vorausgeht.

      Drittens sei noch an das ebenfalls vom Konzil wieder eingeführte Amt des ständigen Diakons mit Zivilberuf erinnert, das genau an der Nahtstelle angesiedelt ist, an der sich manche Lai*innen sehen wollen. Als geweihter Amtsträger, der in der Lebenswirklichkeit von Familie und Beruf steht, repräsentiert er noch einmal anders als ein nicht geweihter Laie die Verbindung von Kirche und Welt, Liturgie und Diakonie, Alltag und Verkündigung. Dem noch ein eigenes Lai*innenamt (ob mit Weihe oder Beauftragung) hinzuzufügen, würde eher zur weiteren Verunklarung der kirchlichen Dienste als zu ihrer Profilierung beitragen.

       PLÄDOYER FÜR EINE GANZHEITLICHE EKKLESIOLOGIE

      Wie kann es weitergehen mit hauptamtlich tätigen Lai*innen in der Kirche? Die Frage ist nicht allein rechtlich oder politisch, sondern nur spirituell und theologisch zu lösen, ausgehend von einer ‚ganzheitlichen Ekklesiologie‘, die alle Glieder der Kirche zu einem „kontemplativen und eucharistischen Lebensstil“ (Forte 1987, 16) anhält und das Miteinander der Getauften nicht gegen das Zueinander von Lai*innen und Geweihten ausspielt.

      So wie ein Priester sein Amt nicht allein ausüben kann, sondern angewiesen bleibt auf das Mitglauben und Mitgehen der Gemeinde, so sind auch die Gläubigen angewiesen auf geistliche Begleitung und sakramentale Stärkung. Es ginge darum, „demütig die Notwendigkeit der anderen an[zu]erkennen“ (Forte 1987, 66) und gerade dadurch die eigene Berufung tiefer zu verstehen und fruchtbarer zu leben – und so den Glauben wachzuhalten in dieser winterlichen Zeit der Kirche.

       LITERATUR

      Balthasar, Hans Urs von, Sponsa Verbi. Skizzen zur Theologie II, Einsiedeln 1961.

      Balthasar, Hans Urs von, Gottbereites Leben. Der Laie und der Rätestand. Nachfolge Christi in der heutigen Welt, Einsiedeln 1993.

      Bieberstein, Sabine, „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,7). Überlegungen zu den Rahmenstatuten aus biblischer Perspektive, in: Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Freiburg i. Br. 2013, 32–51.

      Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Freiburg i. Br. 2013.

      Forte, Bruno, La Chiesa, icona della Trinità. Breve ecclesiologia, Brescia 1986.

      Forte, Bruno, Laie sein. Beiträge zu einem ganzheitlichen Kirchenverständnis, München u. a. 1987.

      Hemmerle, Klaus, Leben aus der Einheit. Eine theologische Herausforderung, hg. von Blättler, Peter, Freiburg i. Br. 1995.

      Altmann, Matthias, Neues Katechetenamt: „Hierzulande würde es zu Schwierigkeiten führen“. Katechetik-Professor Patrik C. Höring über Papst-Dekret „Antiquum ministerium“; abrufbar unter: https://www.katholisch.de/artikel/29840-neues-katechetenamthierzulande-wuerde-es-zu-schwierigkeiten-fuehren.

      Kückelmann, Barbara, Nichts Neues unter der Sonne. Gedanken zu den deutschen Rahmenstatuten aus Schweizer Sicht, in: Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, 224–243.

      Voderholzer, Rudolf, Predigt beim Pontifikalamt am Vorabend von Christi Himmelfahrt (12.5.2021); abrufbar unter: https://bistum-regensburg.de/fileadmin/Dateien/pdf/20210512_P_VAM_Christi_Himmelfahrt_Antiquum_Ministerium.pdf.

      [Links zuletzt eingesehen am 30.06.2021]

       Der besondere Weltcharakter der Kirche

      Die Replik von Sabine Demel auf Manuel Schlögl

      Habe ich da Manuel Schlögl richtig verstanden? Will er wirklich Terminologie und Inhalt trennen? Behauptet er tatsächlich, dass Lai*innen zwar terminologisch auch Amtsträger*innen sein können, aber nicht theologisch? Je weiter ich seinen Beitrag lese, desto mehr bestätigt sich für mich, was ich zu Beginn der Lektüre nicht für möglich gehalten habe: Für Schlögl ist die Terminologie des laikalen Amtes eine rechtliche und politische Lösung, von der die spirituelle und theologische Lösung zu unterscheiden ist. Und die heißt: Es gibt kein laikales Amt, sondern nur ein dreigliedriges Weiheamt. Oder wie Schlögl formuliert: „Dem [sc. Diakonat als erstes Glied des Weiheamtes] noch ein eigenes Lai*innenamt (ob mit Weihe oder Beauftragung) hinzuzufügen, würde eher zur weiteren Verunklarung der kirchlichen Dienste als zu ihrer Profilierung beitragen.“ Und an anderer Stelle: „Das Spezifikum der Lai*innen liegt nicht darin, ein ‚laikales Amt‘ in der Kirche zu bekleiden, sondern in einer kirchlichen, jedoch vom Weiheamt unterschiedenen Sendung in der Welt zu stehen.“ Das klingt doch sehr danach, den Lai*innen den sog. Weltdienst zuzuweisen, während den Klerikern der sog. Heilsdienst zukommt. Für Schlögl scheint damit das Spezifikum der Lai*innen in deren sog. Weltcharakter zu liegen. Zugegebenermaßen kann er sich dafür auch auf das Zweite Vatikanische Konzil berufen, das in der Tat an einigen Stellen davon spricht, dass den Lai*innen „der Weltcharakter ganz besonders zu eigen“ (LG 31,1; vgl. AA 2.4.7.29) sei. Doch die Frage ist, was das Konzil mit dieser Aussage zum Ausdruck bringen wollte. Formuliert es hier eine theologische Umschreibung oder eine soziologische Beschreibung des Lai*in-Seins in der Kirche? Meines Erachtens spricht vieles dafür, dass es eine Beschreibung des damaligen Ist-Zustands ist. Das machen schon einige Anfragen an die Aussage über den Weltcharakter deutlich: Wieso soll nur den Lai*innen ein besonderer Weltcharakter eigen sein? Leben denn die Kleriker woanders als „inmitten der Welt“ (AA 2)? Haben es nicht auch die Kleriker mit den weltlichen Dingen zu tun? Und haben nicht auch sie, wie die Kirche überhaupt, die Aufgabe, der Verwandlung der Welt in Gottes Herrschaft zu dienen (vgl. Werbick, 592f.; Bausenhart, 50)? Zumindest werden die Priester auch im Dekret über den Dienst und das Leben der Presbyter „mitten in der Welt“ (Presbyterorum ordinis 17,1) gesehen. So stellt auch die Churer Dogmatikerin Eva-Maria Faber fest: „Einmal abgesehen davon, dass auch der hier gemeinte ‚Weltdienst‘ ein ‚Heilsdienst‘ ist, wurde verkannt, dass Beschreibungen der Laien wie in LG 31 phänomenologischen Charakter haben, nicht als theologische Wesensaussage zu verstehen sind und jedenfalls nicht dazu herhalten


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