Lebendige Seelsorge 4/2021. Verlag Echter

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LEGITIME VIELFALT ODER UNKLARES BERUFSPROFIL?

      Terminologisch lassen die Texte des Konzils und die ihm folgenden Rechtsnormen des CIC von 1983 keinen Zweifel daran, dass auch Lai*innen ‚Amtsträger*innen‘ sein können, insofern sie durch persönliche Befähigung kraft Taufe und Firmung und offizielle Beauftragung durch den Ortsordinarius ein ‚ministerium‘ eigenverantwortlich ausüben (vgl. Demel). In der Praxis fehlt es allerdings nach wie vor an einem einheitlichen Berufsbild für Lai*innen im kirchlichen Dienst. Was in den einen Diözesen seit vielen Jahren üblich und anerkannt ist, wurde in den anderen bisher bewusst nicht eingeführt, wie etwa der Beerdigungsdienst oder die Spendung der Taufe und die Eheassistenz, wie sie u. a. in der Schweiz praktiziert werden (vgl. Kückelmann).

      Sind diese Unterschiede in Einsatz und Selbstverständnis hauptamtlicher Lai*innen nun Ausdruck einer legitimen Vielfalt oder einer theologischen Unklarheit im Berufsprofil? Wird in der Begründung der jeweiligen Praxis der Dienst der Lai*innen als Ausprägung einer eigenen kirchlichen Sendung betrachtet oder doch eher von den Aufgaben des Klerikers hergeleitet? Werden die Lai*innen gar von einer überholten Amtstheologie davon abgehalten, ihre ureigenen Rechte auszuüben? Und welches Verständnis der Sakramente und der Kirche liegt diesen unterschiedlichen Deutungen eines ‚Amtes für Lai*innen‘ zugrunde?

       Manuel Schlögl

      geb. 1979, Dr. theol., Studium der katholischen Theologie in Passau und Münster; 2005 Priesterweihe; Tätigkeit in Gemeindepastoral und Priesterausbildung; 2013 Promotion an der Universität Münster; Habilitand an der Universität Wien; seit 2021 Verwalter des Lehrstuhls für Dogmatik und ökumenischen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie.

      Diese Uneinheitlichkeit in der Beurteilung drängt auf eine Neubesinnung in einem größeren Kontext.

      Die Diskussion wurde jüngst wieder entfacht durch das Motu proprio Antiquum ministerium von Papst Franziskus, mit dem er ein neues Amt für Lai*innen, genannt ‚Katechet*in‘, einführte. Während Bischof Rudolf Voderholzer dies als ausdrückliche Würdigung des Engagements von Lai*innen in der Kirche deutete und ankündigte, es in seinem Bistum zeitnah umzusetzen (vgl. Voderholzer), bewertete der Religionspädagoge Patrik C. Höring diesen Schritt als problematischen Beschwichtigungsversuch in der Ämterfrage, da die vom Papst genannten Aufgaben in Deutschland bereits von (meist hauptamtlichen) Lai*innen ausgeübt würden (vgl. Altmann). Diese Uneinheitlichkeit in der Beurteilung drängt auf eine Neubesinnung in einem größeren Kontext. Im Folgenden soll ein Blick auf die jüngste kirchliche Lehrentwicklung sowie die gegenwärtige Praxis einige Argumente dafür liefern, um den kirchlichen Dienst von Pastoralassistent*innen in der ihnen eigenen Sendung als Lai*innen neu zu bedenken.

       DIE SPEZIFISCHE BERUFUNG VON LAI*INNEN IN DEN TEXTEN DES ZWEITEN VATIKANISCHEN KONZILS

      Das Zweite Vatikanische Konzil hat bekanntlich die fundamentale Gleichheit aller Getauften wiederentdeckt, die am Ursprung des Christentums steht (vgl. Bieberstein). Diese drückt sich im allgemeinen Priestertum der Gläubigen (vgl. Lumen gentium 10.32–38) aus, durch das sie auf spezifische Weise am dreifachen Amt Christi als Priester, König und Prophet teilhaben, sowie im Laienapostolat, d. h. in der Berufung zum Zeugnis für Christus in der Welt (vgl. Apostolicam actuositatem). Damit wird deutlich: Lai*innen sind als Getaufte ein originärer Teil der verfassten Kirche. Ihre Bezugsgröße ist nicht das Weiheamt der Kleriker, sondern die Sendung der Kirche selbst. In LG 41 und 42 werden einige Beispiele genannt, auf welche Weise Laien ‚Kirche‘ verkörpern und „zur Heiligkeit und Wirksamkeit in der Kirche beitragen“ können: als Eheleute und Eltern in der Bezeugung des Evangeliums und der christlichen Tugenden füreinander und für ihre Kinder; als Unverheiratete im selbstlosen Einsatz für andere; im Arbeitsleben; in Solidarität mit Armen und Schwachen; im Gebet, in der Betrachtung von Gottes Wort und der Mitfeier der Sakramente. All das baut das Volk Gottes auf und belebt den Leib Christi, insofern jede*r Getaufte in eigener Berufung mitwirkt.

      Dem gegenüber steht das dreigliedrige Weiheamt, der ‚ordo‘, dessen spezifische Aufgabe es ist, alle diese Berufungen und Dienste in der Kirche zu ordnen, indem die Amtsträger sie fördern und stärken, aber auch unterscheiden und einen. Insofern ist es nicht richtig, zu sagen, der Klerus leite sich von den Lai*innen her oder das Weihe-Priestertum sei eine bloße Weiterbestimmung des allgemeinen Taufpriestertums. Denn die Weihe schafft eine neue zeichenhafte, von Lai*innen verschiedene Wirklichkeit, „essentia, non gradu tantum“ (LG 10), wie das Konzil sagt.

      Diesen wesentlichen Unterschied kann man an den drei Ämtern Christi verdeutlichen. Wenn ein*e Lai*in predigt oder Zeugnis von seinem*ihrem Glauben gibt, tut er*sie das in der ihm*ihr eigenen Berufung zum Apostolat, kraft des ihm*ihr in Taufe und Firmung verliehenen Heiligen Geistes – aber nicht in derselben amtlichen Vollmacht, in der es ein Priester tut. Wenn ein*e Lai*in kirchliche Dienste ausführt, anderen Menschen beisteht und insofern zurecht Seelsorger*in genannt werden kann, ist er*sie es doch auf andere Weise als ein Priester, der zusätzlich zu den menschlich-geistlichen Kompetenzen über die amtliche Kompetenz des Heilungs- und Befreiungsdienstes inklusive der Absolutionsvollmacht verfügt. Und wenn, was das Konzil mehrfach betont, die Lai*innen in der „aktiven Teilnahme“ an der Eucharistie sich selbst zum Opfer darbringen (vgl. LG 33–34; Sacrosanctum Concilium 26.48), vollziehen sie dies als getaufte Glieder am Leib Christi, während der Priester das Opfer in persona Christi feiert und Christus als das Haupt dieses Leibes repräsentiert.

      Neben der Gleichheit aller Getauften lehrt das Konzil unübersehbar auch die gegenseitige Zuordnung von Lai*innen und Weiheamt.

      Neben der Gleichheit aller Getauften lehrt das Konzil unübersehbar auch die gegenseitige Zuordnung von Lai*innen und Weiheamt – so wie es für die Kirche eben auch nicht nur die Metapher vom ‚Volk Gottes‘ verwendet (vgl. Demel 14–19), sondern auch jene vom ‚Leib Christi‘ und beide in Spannung zueinander setzt. Dieses Kirchenbild entspricht, was oft zu wenig berücksichtigt wird, zutiefst dem trinitarischen Gottesbild, in dem ja auch Einheit und Differenz gleichursprünglich sind (vgl. Forte 1986 und 1987; Hemmerle 1995). Von der Trinitätslehre her gesehen, wird die Einheit zwischen Personen umso tiefer und dichter, je größer ihre Unterschiedenheit ist. Zudem wird die Unterschiedenheit nicht nachträglich aus einer vorgängigen Einheit abgeleitet, sondern ist zugleich mit dieser gegeben. Die ursprüngliche Verschiedenheit der trinitarischen Sendungen, darin auch der Berufungen in der Kirche, wird so verständlich als die eigentliche Garantin einer Einheit, die Unterschiede nicht verwischt, sondern profiliert und so ein fruchtbares Mit- und Zueinander ermöglicht.

      Das Spezifikum der Lai*innen liegt nicht darin, ein ‚laikales Amt‘ in der Kirche zu bekleiden, sondern in einer kirchlichen, jedoch vom Weiheamt unterschiedenen Sendung in der Welt zu stehen.

      Das Lehramt hat bereits in Ministeria quaedam (1972) und besonders seit Christifideles laici (1988) die Unterschiedlichkeit von laikaler und amtlicher Berufung klar hervorgehoben, so auch in der Instruktion der Kleruskongregation zur Gemeindeleitung durch Lai*innen (vgl. Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche, 2020) und im Motu proprio des Papstes zum Amt der Katechet*innen. Dies bedeutet keinen Rückfall hinter das Konzil, sondern eine authentische Weiterführung dessen, was die Kirchenversammlung ebenso lehrt wie die Berufung aller Getauften zur Heiligkeit und zum Apostolat. Das Spezifikum der Lai*innen liegt nicht darin, ein ‚laikales Amt‘ in der Kirche zu bekleiden, sondern in einer kirchlichen, jedoch vom Weiheamt unterschiedenen Sendung in der Welt zu stehen. Während das Eigene der Kleriker darin liegt, ‚für‘ die Gläubigen (und mit ihnen auch für alle anderen) da zu sein und das von Christus geschenkte Heil in Sakrament und amtlicher Verkündigung zu vergegenwärtigen, liegt die Berufung der Lai*innen darin, ‚mit‘ allen anderen Gliedern des Gottesvolkes zusammen Kirche zu bilden und so ‚Kirche‘ in den vielfältigen sozialen, politischen und kulturellen Beziehungen ihres Lebens darzustellen.

       BEOBACHTUNGEN IN DER DERZEITIGEN PRAXIS


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