Lebendige Seelsorge 4/2021. Verlag Echter
aufmerksam, dass letztendlich in dieser gelegentlichen Hervorhebung des besonderen Weltcharakters der Lai*innen „die Ambivalenz so vieler konziliarer Formulierungen beobachtet werden [kann]: Einerseits wird die Möglichkeit offen gehalten, in die grundlegende Sendung der Kirche doch wieder eine ‚ständische‘ Differenz (zwischen Laien und Klerus) einzutragen; andererseits findet eine formale Würdigung der Eigentätigkeit der Laien im Volk Gottes statt“ (Wenzel, 182). Der ‚konziliaren Ambivalenz‘ in der Lai*innenfrage kommt aber noch eine viel tiefergehende Bedeutung zu. Sie trägt nämlich eine Dynamik in sich, die geradezu als prophetisch bezeichnet werden kann. Denn die besondere Zuschreibung des Weltcharakters an die Lai*innen führt dazu, dass die „Konzilstexte sich gewissermaßen selbst überholen. Wenn [in AA 2 …] das Apostolat der Laien inhaltlich durch ‚ihr Bemühen um die Evangelisierung und Heiligung der Menschen und um die Durchdringung und Vervollkommnung der zeitlichen Ordnung mit dem Geist des Evangeliums‘ bestimmt wird, und wenn man bedenkt, dass genau darin die Sendung der Kirche insgesamt besteht, dann wird faktisch ausgesagt, dass die Laien in suffizienter Weise Träger der Sendung der Kirche in der Welt sind“ (Wenzel, 182).
In dieser Verhältnisbestimmung von Lai*innen, Kirche und Welt ist das laikale Amt in der Kirche theologisch verankert, und zwar ohne dem geweihten Amt etwas wegzunehmen oder mit diesem identisch zu sein. Die vom Zweiten Vatikanischen Konzil vollzogene Öffnung des Amtes auf die Lai*innen hin trägt der Erkenntnis Rechnung, dass „jede Amtstheologie dogmatisch gesehen immer in Abhängigkeit zur Ekklesiologie steht“ und „die Ämter darum auch von ekklesialen Notwendigkeiten her zu bestimmen [sind]. In diesem Sinne ist die Amtstheologie durchaus funktional anzusetzen: Amtsträger ‚fungieren‘ für die der Kirche eigenen und notwendigen Lebensvollzüge“ (Rahner mit Bezug auf Eva-Maria Faber, 11).
LITERATUR
Bausenhart, Guido, Theologischer Kommentar zum Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam actuositatem, in: HThK [Bd. 4], 1–123.
Faber, Eva-Maria, Dringliche Fingerübungen theologischer Erkenntnislehre. Zu ungeklärten Fragen hinter den Rahmenstatuten aus dogmatischer Perspektive, in: Demel, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten, Freiburg i. Br. 2013, 52–77.
Rahner, Johanna, Amtstheologische Zukunftsmusik, nicht nur im Blick auf Viri probati, in: Anzeiger für die Seelsorge 130 (2021), 11–15.
Wenzel, Knut, Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine Einführung, Freiburg i. Br. 2014.
Werbick, Jürgen, Laie, in: LThK 6, 592f.
Der Sakramentalität der Kirche ist nichts vorzuziehen
Die Replik von Manuel Schlögl auf Sabine Demel
Beipflichten möchte ich den pointierten Ausführungen von Kollegin Demel gerne in der Aussage, der Begriff ‚Amt‘ dürfe nicht gegen jenen des ‚Dienstes‘ ausgespielt werden, so als sei der eine für Kleriker, der andere für Lai*innen bestimmt. Denn jede*r, die*der ein Amt in der Kirche bekleidet, weiß sich verpflichtet zu einem ‚Dienst‘, was ja nichts anderes heißt als Dasein für andere nach dem Vorbild Jesu Christi.
Ebenso richtig ist es, vom Amt als ‚Relationsbegriff‘ zu sprechen. Jedes Amt ist ein Beziehungsgeschehen – allerdings nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Wenn Sprache Wirklichkeit abbildet, dann scheint es mir für den Text von Frau Demel bezeichnend, dass empirisch-soziologische, juristische und organisatorische Fragen jede theologische Reflexion über das Amt und die Berufung der Lai*innen in der Kirche überdecken.
Was wäre denn der Vorteil, wenn Pastoralreferent*innen nun ausdrücklich als Amtsträger*innen bezeichnet und eingesetzt würden? Geht es am Ende nicht einfach um eine ‚größere Unabhängigkeit‘ gegenüber geweihten Amtsträgern? Leitet man damit nicht die Kompetenz der Lai*innen doch wieder ex negativo von den priesterlichen Kompetenzen ab statt sie positiv in ihrer eigenen Berufung durch Taufe, Firmung und eigene amtliche Beauftragung her zu sehen? Wie soll es praktisch umsetzbar sein, wenn Pastoralreferent*innen direkt dem Bischof unterstehen und der Pfarrer, der doch die Gesamtverantwortung in der Pfarrei trägt, keinerlei Weisungsbefugnis mehr besitzt? Solche Vorschläge scheinen mir an der Realität heutiger Pastoral vorbeizugehen und mehr ein Gegeneinander der Dienste in der Kirche zu provozieren als ein fruchtbares Miteinander zu fördern.
Wenn die sakramentale Dimension der Kirche (die eben nicht nur ‚Volk Gottes‘, sondern als dieses Volk auch ‚Leib Christi‘ ist) und die Sakramentalität des Amtes keine Rolle mehr spielen, wird die Kirche zum Verein, der sich seine Statuten selbst gibt statt sie aus dem Ruf Christi zu empfangen. Dann verliert das Amt seine konstitutive Bedeutung als Gegenüber der Gemeinde und reduziert sich auf eine bloße Funktion der Gemeinschaft, die dann auch nicht mehr unbedingt durch Weihe übertragen oder mit einer bestimmten Lebensform verbunden werden müsste.
Sabine Demel hat natürlich Recht, wenn sie sagt, der dogmatische Amtsbegriff dürfe nicht dem kirchenrechtlichen entgegengestellt werden. Das bedeutet aber umgekehrt auch, dass der CIC im Licht der dogmatischen Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils interpretiert werden muss – und diese gehen von einer klaren Zuordnung der Lai*innen zum Amt und beider zum Christusbekenntnis, zur Menschwerdung und so auch zur Sakramentalität der Kirche aus.
Zukunftsweisend hingegen scheint mir die Bemerkung aus einer Umfrage unter Pastoralreferent*innen, dass „es weniger um Strukturen und Ämter, sondern mehr um Sendung und Charismen geht“. Jede*r Christ*in ist zum Zeugnis des Glaubens befähigt und berufen, besitzt eigene Geistesgaben zum Aufbau des Leibes Christi. Dies aus einer tiefen Verbundenheit mit der Kirche und ihren Sakramenten heraus zu leben und anderen Glaubenden nahezubringen, könnte tatsächlich eine wichtige „Brückenfunktion“ sein – und ein wichtiger missionarischer Auftrag von Pastoralreferent*innen in dieser Zeit.
KALEIDOSKOP 50 Jahre Pastoralreferent*innen
Pastoral als Brotberuf
Pastoral als Brotberuf
Arbeitsvertrag, Mitarbeitervertretung, Rentenvorsorge: Pastoralreferent:innen üben einen ‚Zivilberuf‘ aus. Sie haben in den 50 Jahren ihres Bestehens die Risiken dieses Konstrukts besonders beim Berufseinstieg deutlich gespürt. Hildegard Scherer
Während im klerikalen Beheimatungsmodell (vgl. Schwendenwein 2015a und b) der Bischof oder Ordensobere Einsatz und Auskommen verantwortet, stellt sich bei Pastoralreferent:innen (und auch anderen sog. kirchlichen Laienberufen) die Frage, wie sich Pastoral unter den Bedingungen einer profanen Berufswirklichkeit gestaltet. Aus der Perspektive des neutestamentlichen Erinnerungsarchivs mag die Frage verwundern, denn ‚Pastoral‘ zu treiben, Hirte oder Hirtin zu sein, ist schlichtweg ein Beruf. Einige Metaphorik, mit der das Neue Testament christliche Rollenträger:innen hervorhebt, stammt aus der Welt der Brotberufe. Da gibt es metaphorische Landarbeiter:innen (vgl. z. B. Mt 9,37; 1 Kor 3,6–8), Bauhandwerker (vgl. 1 Kor 3,10; Röm 15,20), Soldaten (vgl. 2 Kor 10,3–6; 1 Tim 1,18), Sklav:innen (vgl. z. B. Mk 10,44; Mt 22,1–14; Lk 17,7–10) und nicht zuletzt Hirten (vgl. z. B. Joh 21,15–17; Apg 20,28) im Dienst am Evangelium. Paulus spricht von Mit-Arbeiter:innen, welche die apostolischen Mühen teilen (vgl. z. B. 1 Thess 5,12; 1 Kor 16,16; Röm 16,3–16; auch 3 Joh 8).
Diese Arbeitsmetaphorik hatte sich an der Lebenswirklichkeit zu bewähren. Christgläubigen wie Simon dem Gerber (vgl. Apg 9,43) oder den Zeltmachern Priska und Aquila (vgl. Apg 18,3) wäre eine Unangemessenheit solcher Sinn- und Anstrengungsbehauptungen schmerzlich aufgefallen.
Doch was machte dieses christliche Engagement so aufwändig, dass es die Metaphorik des Brotberufs an sich zog, schließlich sogar an seine Stelle treten konnte, insofern auch diese „Arbeiter“ „ihres Lohnes wert“