Home Girl. Alex Wheatle

Home Girl - Alex Wheatle


Скачать книгу
die zwei Stunden«, erwiderte Colleen. »Ich finde, es sieht süß aus.«

      »Tut es«, lächelte ich. »Die Typen werden drauf abfahren. Aber ich wünschte, ich hätte längere Beine, und meine Titten könnten auch größer sein. Meine sind kleiner als die von Kim, was komisch ist, weil sie dünner ist als ich. Aber egal, bis ich fünfzehn bin, reifen sie bestimmt noch nach, und dann angele ich mir einen anständigen Typen – einen coolen Aknefreien.

      Zweieinhalb Stunden später war Colleen fast fertig mit meinen Haaren. Das Geräusch des Schlüssels in der Haustür war das Stichwort, auf das Colleen hin lockerließ. »Das ist Tony, der Sharyna und Pablo absetzt«, sagte sie. »Er muss noch mal weg, ein paar Sachen für die Arbeit besorgen, aber dann kommt er nach Hause. Ich fang lieber mit dem Abendessen an. Können wir das später fertig machen?«

      Ich nickte. »Danke noch mal.«

      Sharyna und Pablo kamen ins Wohnzimmer. »Uniform aus«, befahl Colleen. »Setzt euch gleich an die Hausaufgaben, wenn ihr welche habt.«

      Sharyna und Pablo ignorierten ihre Mutter, musterten meine Haare. »Cool«, sagte Sharyna. »Sieht toll aus.«

      Alles mögliche Gute durchströmte mich.

      »Danke«, sagte ich.

      Pablo umrundete mich zweimal. Er wirkte verwirrt.

      »Was meinst du, Pablo?«, fragte Colleen.

      Pablo antwortete nicht. Er latschte um mich herum und beäugte mich, als wär mir ein zweiter Kopf gewachsen. Beide Schnürsenkel waren offen. Sein Hemd hing ihm hinten aus der Hose, und an den Ärmeln hatte er blaue Buntstiftflecken.

      »Und?«, fragte ich. »Wie viele Sternchen von zehn?«

      Pablo lachte, legte sich die Hand auf den Mund und lachte wieder. Dann nahm er die Hand aus dem Gesicht und fragte: »Dürfen weiße Mädchen Zöpfchen haben?«

      »Natürlich dürfen sie«, lächelte Colleen.

      Sharyna lachte, aber ich musste dran denken, was wohl die älteren schwarzen Mädchen von meinen Zöpfchen halten würden.

      Einige Runden Vier-Gewinnt gegen Pablo später servierte Colleen ein komisches Essen aus Grillhuhn, Reis, Yams, Kohl, grünen Bananen und Karotten. Es sah ganz anders aus als die Aufläufe, die ich für meinen Vater gekocht hatte. Servietten lagen ordentlich auf dem Tisch. Das war alles neu für mich. Ich nahm meine und schob sie mir oben in den Halsausschnitt meines Rihanna-T-Shirts. Pablo grinste, aber Sharyna verzog keine Miene. Tony und Colleen wechselten Blicke. Ich hatte Huhn, Kohl und Karotten auf dem Teller, konnte aber den Blick nicht von den grünen Bananen lassen. Für mich sahen die gar nicht grün aus.

      »Ihr kocht Bananen?«, fragte ich.

      »Die sind nicht wie gelbe Bananen«, erklärte Tony. »Das ist kein Obst, das ist ein Gemüse.«

      »Für mich sehen die beide gleich aus«, sagte ich. »Ich ess Banane immer in Scheiben mit Vanillesauce. Hab ich für meinen Dad gemacht. Das hat er geliebt. Aber das hier sieht … also seid jetzt nicht beleidigt … total daneben aus.«

      »Probier mal«, schlug Colleen vor.

      Ich beäugte das Zeug erneut. Es dampfte. Ich werde meine Geschmacksknospen nicht quälen.

      »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich will euch nicht beleidigen, aber das ist nichts für mich.«

      Pablo kicherte. Sharyna schaute ihn an und ließ sich von seinem Kichervirus anstecken.

      »Nomi, du musst dein Gemüse essen«, sagte Pablo mit Quietschestimme.

      Aller Augen waren auf mich gerichtet. Ich stand auf, nahm eine Serviergabel und spießte ein Stück auf. Ich ließ es auf meinen Teller fallen und schnitt ein kleines Stück ab. Das spießte ich wiederum auf meine Gabel und hielt es mir vor die Nase. Dann steckte ich es in den Mund und kaute, dachte darüber nach und kaute noch mal. Ich schaute erst nach links, dann nach rechts.

      »Ganz schön hart«, sagte ich. »Schmeckt überhaupt nicht wie echte Banane. Eher wie eine komische Kartoffel.«

      Pablo platzte vor Lachen, spritzte Karotte und Huhn über seine Seite vom Tisch.

      »Willst du auch mal die Yams probieren?«, schlug Tony vor, nachdem er Pablos Platz sauber gewischt hatte. »Schmeckt auch ein bisschen wie Kartoffel.«

      »Ganz schön grau,« meinte ich.

      »Probier’s doch«, drängte mich Colleen.

      Ich spießte ein plattes Stück Yams auf, legte es mir auf den Teller und schnitt ein kleines Stück ab. Steckte es in den Mund und kostete.

      »Ist hart«, sagte ich. »Wie eine harte Kartoffel.«

      Wieder prusteten Pablo und Sharyna drauflos.

      Zehn Minuten später hatte ich aufgegessen. Mein Teller war leer. Colleen grinste so breit wie die ganze Zeit noch nicht.

      Ich half Tony beim Abspülen, während Colleen im Wohnzimmer mit Sharyna und Pablo ein Brettspiel spielte.

      »Und? Was hast du heute gemacht?«, fragte Tony.

       Standardpflegeelternfrage. Er gibt sich Mühe, also lass ich ihn. Aber mein Fummleralarm ist aktiviert, falls er auf die Idee kommen sollte, mir Süßigkeiten schenken zu wollen.

      »Nicht viel«, erwiderte ich.

      »Warst du draußen?«

      »Ja.«

      »Wo?«

      »Einkaufen.«

      »Hast du bekommen, was du wolltest?«

      »Ja.«

      »Was habt ihr noch gemacht?«, fragte Tony.

       Sieht man das nicht? Was muss ich denn noch alles tun? Den Kopf schütteln und ihm meine neuen Zöpfchen in die Fresse schleudern?

      Ich zuckte mit den Schultern.

      »Wir haben in dem neuen China-Buffet-Laden auf der High Street gegessen!«, rief Colleen aus dem Wohnzimmer.

      »Super!« Tony lächelte. »Was hast du dir ausgesucht, Naomi?«

      »Chinesisch«, erwiderte ich.

      »Hast du mal einen von den Kräutertees da probiert?«

      »Nein«, erwiderte ich. »Ich trinke keine Blumen.«

      »Wir hatten beide Frühlingsrollen und Special Fried Rice«, ergänzte Colleen aus der Diele.

       Die Konvo war echt öde.

      »Ich geh nach oben und schau eine DVD«, sagte ich. Dann an Colleen gewandt: »Versprichst du mir, dass du morgen Vormittag meine Haare fertig machst?«

      »Na klar.«

      »Louise wird echt geschockt sein«, grinste ich.

      Ich sauste an Colleen vorbei, die Treppe hoch.

      Anderthalb Filme später kam ich wieder runter, um mir Saft zu holen. Ich ging am Wohnzimmer vorbei und sah Tony dort auf einem Kissen sitzen. Colleen parkte hinter ihm auf einem Sessel und massierte ihm die Schultern. Auch das hatte ich bei Mum nie gesehen, dass sie so was bei Rafi oder Dad gemacht hatte. Wahrscheinlich hatten sie sich zu viel gestritten und keine Zeit dafür gehabt.

      »Alles okay?«, fragte Tony.

      »Ja«, erwiderte ich. »Sharyna und Pablo sind in meinem Zimmer und gucken was.«

      Tony und Colleen wechselten Blicke. Ich ließ sie.

      Als ich ein großes Glas Cola runtergekippt hatte, saßen Sharyna und Pablo mit offenen Mündern links und rechts an Kissen gelehnt neben mir. Ich hatte das Licht ausgemacht und die Vorhänge zugezogen. Sie schauten sich einen krumm gebauten Typen mit nur einem Auge, einer weißen Weste voller Flecken und einer zerrissenen Jeans an, der mithilfe einer


Скачать книгу