Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten. Кристин Нефф
verbundenen Schwierigkeiten umzugehen, reduzierten ihren Zigarettenkonsum deutlicher als diejenigen, die angeleitet wurden, sich Gedanken über ihren Konsum zu machen und ihn zu überwachen (Kelly, Zuroff, Foa und Gilbert, 2009). Die Selbstmitgefühls-Intervention war besonders wirksam bei denjenigen, die sehr selbstkritisch oder resistent gegen Veränderungen waren. Andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass selbstmitfühlende Menschen seltener süchtig nach Schokolade sind (Diac, Constantinescu, Sefter, Raşia und Târgoveçu, 2017) und dass zunehmendes Selbstmitgefühl alkoholabhängigen Menschen hilft, weniger zu trinken (Brooks, Kay-Lambkin, Bowman und Childs, 2012).
Selbstmitgefühl, Stress und Coping
Selbstmitgefühl hat sich als effektiver Weg erwiesen, schwierige und stressige emotionale Erfahrungen zu bewältigen (Allen und Leary, 2010). So scheint Selbstmitgefühl beispielsweise ein entscheidender Faktor bei der Bewältigung einer Scheidung zu sein. Die Forscher baten Personen, die in Scheidung lebten, ein vierminütiges Selbstgespräch über ihre Trennungserfahrung zu führen und auf Band aufzuzeichnen. Unabhängige Beurteiler bewerteten, wie selbstmitfühlend die Dialoge waren. Diejenigen, die mehr Selbstmitgefühl zeigten, wenn sie über ihre Trennung sprachen, kamen nicht nur zu diesem Zeitpunkt besser mit der Trennung zurecht, sondern auch in den folgenden neun Monaten (Sbarra et al., 2012). Darüber hinaus erwies sich Selbstmitgefühl auch als Hilfe bei der Eingewöhnung ins Studentenleben: Es zeigte sich, dass Studienanfänger mit einem höheren Maß an Selbstmitgefühl weniger unter psychischem Stress leiden, wenn sie mit akademischem Leistungsdruck und sozialen Schwierigkeiten konfrontiert sind (Kyeong, 2013), und auch weniger Heimweh während ihres ersten Semesters am College haben (Terry, Leary und Mehta, 2013). Eine Längsschnittstudie (Gunnell et al., 2017) stellte fest, dass Veränderungen im Selbstmitgefühl bei Collegestudienanfängern mit Veränderungen im Wohlbefinden korrelierten, was zum Teil darauf zurückzuführen war, dass durch Selbstmitgefühl in höherem Maße psychische Bedürfnisse erfüllt wurden.
Die Forschung zeigt, dass Selbstmitgefühl auch ein sehr wirkungsvolles Werkzeug bei der erfolgreichen Bewältigung (Coping) einer Reihe gesundheitlicher Herausforderungen ist. Es stellte sich beispielsweise heraus, dass selbstmitfühlende Menschen eher in der Lage sind, ihr emotionales Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, im täglichen Leben besser zurechtkommen und ihre Schmerzwahrnehmung bei chronischen Schmerzen subjektiv geringer ist (Costa und Pinto-Gouveia, 2011; Wren et al., 2012). In ähnlicher Weise wurde Selbstmitgefühl mit einer besseren Anpassungsfähigkeit in Verbindung gebracht, einschließlich eines geringeren Stresspegels, weniger Ängsten und Scham bei Menschen mit HIV (Brion et al., 2014) und solchen, die eine Krebsdiagnose erhalten hatten (Gillanders, Sinclair, MacLean und Jardine, 2015). Tatsächlich weisen Forschungsergebnisse darauf hin, dass Selbstmitgefühl Frauen hilft, mit ihrer Brustkrebsbehandlung klarzukommen: Sie litten weniger unter psychischem Stress und konnten sich besser an krebsbedingte körperliche Veränderungen anpassen (Przezdziecki et al., 2013). Darüber hinaus wurde ein Zusammenhang zwischen Selbstmitgefühl und Resilienz bei Erwachsenen mit Spina bifida (Hayter und Dorstyn, 2013) und Multipler Sklerose (Nery-Hurwit, Yun und Ebbeck, 2017) festgestellt. Ebenso scheint Selbstmitgefühl den mit Unfruchtbarkeit verbundenen Stress abzumildern (Galhardo, Cunha, Pinto-Gouveia und Matos, 2013). Sirois, Molnar und Hirsch (2015) fanden heraus, dass chronisch Kranke mit mehr Selbstgefühl weniger Stress erlebten, weil sie häufiger adaptive Coping-Strategien (positive Umdeutung [Reframing], Akzeptanz der Situation) und weniger maladaptive (Aufgabe oder Selbstanklage) anwendeten. Es zeigte sich außerdem, dass Selbstmitgefühl Paaren helfen kann, auf der psychischen, sexuellen und Beziehungsebene mit Vulvodynie umzugehen (Santerre-Baillargeon et al., 2018).
Es überrascht vielleicht nicht, dass Selbstmitgefühl ein wichtiger Schutzfaktor im Hinblick auf posttraumatischen Stress ist (Beaumont, Galpin und Jenkins, 2012; Thompson und Waltz, 2008). Als man beispielsweise die psychische Verfassung von Kriegsveteranen untersuchte, die aus dem Irak oder Afghanistan heimgekehrt waren, fand man heraus, dass diejenigen mit mehr Selbstmitgefühl im Alltag besser zurechtkamen und weniger Symptome eines posttraumatischen Belastungssyndroms (PTBS) als Folge der Teilnahme an Kampfhandlungen (Dahm et al., 2015) zeigten. Tatsächlich stellte sich heraus, dass niedrige Selbstmitgefühls-Levels ein stärkerer Prädiktor für die Entwicklung eines PTBS waren als eine höhere Rate an Kampfeinsätzen an sich (Hiraoka et al., 2015). Ermutigend war, dass ein zwölfwöchiges Training in liebender Güte bei Veteranen zu einer Reduzierung von Depressions- und PTSD-Symptomen führte und dass die mit dem Training assoziierte Zunahme an Selbstmitgefühl zur Erklärung dieser Verbesserungen beitrug (Kearney et al., 2013). Eine Studie untersuchte den psychischen Gesundheitszustand von Jugendlichen kurz nach einem großen Waldbrand, der einen Teil ihrer Gemeinde zerstört hatte, und stellte fest, dass Jugendliche mit mehr Selbstmitgefühl sechs Monate später weniger Symptome von PTSD, Panik, Depression und Suizidalität zeigten (Zeller, Yuval, Nitzan-Assayag und Bernstein, 2015). Eine größere emotionale Steuerungsfähigkeit war anscheinend der Mechanismus, der Selbstmitgefühl zum Prädiktor für weniger PTSD-Symptome bei Frauen machte, die wiederholt schwere Traumata in Beziehungen erlitten hatten (Scoglio et al., 2018). Insgesamt bestätigt diese Forschung, dass Selbstmitgefühl eine Stärke ist, die uns hilft, die größten Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.
Selbstmitgefühl, Körperbild und Essstörungen
Eine systematische Auswertung der Literatur belegte, dass Selbstmitgefühl mit einem positiveren Körperbild und weniger Essstörungen assoziiert ist (Braun et al., 2016). Diverse Studien zeigten, dass höhere Selbstmitgefühls-Levels mit geringerer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, weniger Körperscham und weniger Befürchtungen in Bezug auf die eigene körperliche Erscheinung einhergehen (Daye, Webb und Jafari, 2014; Ferreira, Pinto-Gouveia und Duarte, 2013; Mosewich et al., 2011; Przezdziecki et al., 2013; Wasylkiw, MacKinnon und MacLellan, 2012; Webb Fiery und Jafari, 2016). Selbstmitgefühl scheint auch in negativer Relation zu Vergleichen des äußeren Erscheinungsbildes zu stehen, das heißt zur Tendenz, die soziale Attraktivität zu bewerten, indem man die eigene physische Erscheinung mit der anderer vergleicht (Duarte, Ferreira, Trindade und Pinto-Gouveia, 2015; Homan und Tylka, 2015). Darüber hinaus scheint Selbstmitgefühl eine entspanntere Reaktion auf Befürchtungen bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes zu sein als Selbstwertgefühl. Moffitt, Neumann und Williamson (2018) fanden heraus, dass eine Zunahme des Selbstmitgefühls nach einer Bedrohung des Körperbildes die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper verringerte und die Motivation, sich zu verbessern, steigerte – im Vergleich mit einer Zunahme des Selbstwertgefühls. Neben der Verringerung der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper scheint Selbstmitgefühl Frauen zu helfen, ihren Körper zu mögen und zu würdigen (Homan und Tylka, 2015; Marta-Simões, Ferreira und Mendes, 2016; Pisitsungkagarn, Taephant und Attasaranya, 2013; Wasylkiw et al., 2012). Die Wertschätzung des Körpers drückt aus, in welchem Maße Frauen ihren Körper unabhängig von Gewicht, Form und Unvollkommenheit mögen, akzeptieren und respektieren, und ist eine psychische Stärke, die mit Optimismus und Lebenszufriedenheit assoziiert wird (Avalos, Tylka und Wood-Barcalow, 2005). Indem ein Mensch seinen »unvollkommenen« Körper mitfühlend annimmt, kann er dankbarer für dessen Gaben sein.
Es scheint, dass man Menschen beibringen kann, mitfühlender gegenüber ihrem Körper zu sein. Man stellte beispielsweise fest, dass eine kurze Selbstmitgefühls-Schreibintervention Brustkrebsüberlebenden half, eine selbstmitfühlendere Haltung einzunehmen, wenn sie sich an ein als peinlich empfundenes Ereignis in Zusammenhang mit ihrem Körper erinnerten, und so weniger negative Auswirkungen zu erfahren (Przezdziecki und Sherman, 2016). Ein dreiwöchiges Training in Selbstgefühlsmeditation führte bei einer generationsübergreifenden Gruppe von Frauen zu einer Steigerung der Körperzufriedenheit (Albertson et al., 2015). Die Ergebnisse legten nahe, dass sich bei den Interventionsteilnehmerinnen im Vergleich zu einer Wartelisten-Kontrollgruppe die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper sowie Körperscham und Abhängigkeit vom äußeren Erscheinungsbild deutlich stärker verringerten und dass die Wertschätzung des eigenen Körpers signifikant mehr zunahm als in der Kontrollgruppe. Bei einer Überprüfung nach drei Monaten waren diese Verbesserungen unverändert. Eine Studie, die die Auswirkungen der Selbstmitgefühlsmeditation auf das Körperbild untersuchte (mit den gleichen Methoden wie Albertson et al., 2015), ergab, dass bereits nach einer Trainingswoche die Wertschätzung des Körpers